Never Less Than a Lover

Kapitel 83

Fand ich die ruhige Art meines Bruders, die er an sich hat, während wir im Café darüber diskutiert haben, dass es eine mehr als schlechte Idee ist, jetzt zum Sommerhin unsere Meisterin der Tontechnik zu kündigen, die wir selbst ausgebildet haben, ätzender, oder doch das hitzige Temperament meiner französischen Freundin, die ich natürlich gleich am Morgen mit dieser Nachricht überraschen durfte? Auch wenn mein Bruder mich dazu angehalten hatte, dass das ein persönliches Gespräch zwischen den beides Chefs gewesen sein soll, er hätte sich auch denken können, dass ich es gleich meiner Freundin und besten Freundin von Levi weitergeben werde.

Dabei kann ich jetzt gerade gar nicht so genau sagen, über wen sich July genau aufregt? Darüber, dass mein Bruder auf die Idee gekommen ist, mit den Gedanken zu spielen, sie bald zu entlassen oder doch über Levi, die die ganze Situation hätte verhindern können, wenn sie sich nicht derartig aufführen würde. Es wird ein Rätsel bleiben und ich bin jetzt definitiv nicht der Narr, der das nachfragen wird.
Juliette: Wie lange wollte er sich das noch ansehen?"
Aus meinen Koffer sucht sie sich ein dunkles Shirt raus, weil ihres noch immer nass ist und sie hatte sonst nichts richtig eingepackt. Die gestrige Aktion konnte man auch nicht so recht erahnen. Dabei gestikuliert sie immer wieder herum, wirft mir einige Blicke zu und nuschelt irgendwas auf französisch vor sich her, was ich nicht entziffern kann.
Chris: Jetzt noch, nächste Woche in Halle und nach Ostern wird es so langsam die Entscheidung treffen wollen."
Juliette: Kannst du nichts dagegen machen?"
Ich halte diesen Blick nicht stand, der mich so flehend und schmerzvoll ansieht und innerlich nur hofft, dass ich ihr schon sagen kann, dass alles wieder gut wird. Aber dieses Mal kann ich nur den Kopf schütteln und nur dabei zusehen, wie sie in sich zusammenfällt.
Chris: Ich habe mit ihm darüber geredet, aber Andreas hat recht. Sie arbeitet nicht mit dir, schreit mich an und treibt die Crew im FOH auseinander. Dagegen konnte ich nichts sagen."
Ihre Augen kneift sie zusammen, presst ihre Lippen zusammen und lässt im nächsten Moment ihren Kopf fallen, um ihren Blick vor mir zu verstecken.
Juliette: Pourquoi cela devait-il arriver?"

Wortlos gehe ich auf sie zu, warte nicht mal, dass sie zu mir aufschaut, sondern lege gleich meine Arme um sie und drücke July gegen mich. Eine Hand lege ich hinter ihren Kopf, während sie sich mit ihren kurz in meiner Jacke vergreift. Ob sie weint, weiß ich nicht genau, aber irgendwie habe ich gemerkt, dass sie das jetzt gerade gebrauchen könnte. Dass da einfach jemand ist, der sie kurz in Arm nimmt, damit sie wieder zu sich kommen kann, bevor sie wieder einen klaren Gedanken fassen kann.

In den Moment, wo ich meinen Kopf auf ihrem ablege, fällt mir eine Idee ein, die Levi vielleicht retten könnte, wenn sie auch nur ein bisschen mitspielen würde. Zwar würden wir dann auch meinen Bruder hintergehen und belügen, aber um ehrlich zu sein, das wäre es mir auch wert. Um July glücklich zu sehen und um unsere Technikerin nicht zu verlieren.
Chris: Du könntest Levi vorwarnen."
Langsam bringt July mich dazu, dass ich sie loslassen muss, indem sie ihre Hände gegen meine Brust legt und mich somit etwas von sich wegdrückt. Ruhig senke ich meinen Blick zu ihr runter und bekomme mit, dass in ihrem Kopf gerade auch die Idee reift, die ich gerade angesprochen hatte.
Chris: Wenn du ihr sagst, was mein Bruder vorhat, vielleicht spielt sie mit und ändert ihr Verhalten für die Zeit, sodass Andreas es sich anders überlegt."
Juliette: Sie müsste sich dir und mir gegenüber nur wieder halbwegs anständig verhalten und konzentriert arbeiten, dann könnte es schon reichen."
Ich nicke, weil Andreas sich damit wohl zufrieden gebene würde. Ehrlich, auch er hat keine Lust darauf, dass wir wieder unter Zeitdruck einen Meister finden müssen, da das mit July damals so ein Zufall gewesen ist, den es niemals wieder geben würde.
Juliette: Schaffst du es, dass ich mit ihr unter vier Augen sprechen kann?"
Chris: Mit ein paar Tricks werden wir das schon hinbekommen."
Vielleicht gefällt uns beiden die Idee nicht vollkommen, da es besser wäre, würde sich das ganze Thema mal legen, aber vielleicht ist das die Lösung, die für den Augenblick ausreicht und uns Zeit für etwas Besseres gibt.

Nachdem ich meiner Freundin noch einen Kuss aufs Haar gehaucht habe, geht sie wieder mal an meinen Koffer, nimmt sich das Shirt, was sie haben wollte und zieht sich dieses nun auch über. Anschließend löst sie ihre Haare aus dem Zopf, den ich ihr gestern Abend noch geflochten habe und bindet sie sich in einem Zopf zusammen. Vielleicht sollte ich jetzt einfach schnell fragen. Sie will eine Antwort auf ihre Frage, die seit gestern zwischen uns im Raum steht und die ich damit abgeblockt habe, indem ich meinte, dass ich einfach weiter darüber nachdenken müsste. Und je länger ich das vor mir herschiebe, desto nervöser werde ich und desto genervter könnte sie am Ende werden, weil ich einfach nicht auf einen Nenner komme. Es ist nur eine kurze Frage und nach acht Monaten, die man in einer Beziehung ist, wäre das doch keine seltsame Frage, oder?
Juliette: Chri-is."
In meinem Gedankenchaos muss ich vollkommen weggetreten sein und trotzdem habe ich sie aktiv die ganze Zeit über angesehen. Immerhin kann July darüber lachen, während so manch andere einfach nur genervt darüber gewesen wäre.
Juliette: Wollen wir langsam mal los?"
Ich würde sagen, dass ich jetzt sowieso schon mittendrin stecke. Wird schon schief gehen?
Chris: Ich müsste dich noch was fragen."
Juliette: Hat das nicht Zeit? Wir sind echt spät dran."
Chris: Nein! Also ich würde das schon gerne jetzt noch klären, wenn es geht."
Juliette: Vielleicht auf den Weg zur Arena, damit Andreas nicht wieder etwas dazu sagt?"
Chris: Willst du Mutter werden?"
Juliette: Was?"

Dezent und langsam ein Thema einleiten, das können andere, denn ich falle anscheinend gleich mit der Tür ins Haus. Zumindest sagt mir das ihr mehr als verwirrter Blick, der so gar nicht mit meiner plötzlichen Frage anfangen kann, die, ihrer Meinung nach, vermutlich einfach so aus heiteren Himmel gekommen ist.
Chris: Warum ich gestern so seltsam reagiert hatte, als du gefragt hast, ob ich zu dir ziehen will, ist, weil meine Ex mich immer, als es ums Zusammenziehen ging, mit dem Thema Familienplanung gelöchert und genervt hat. Ich wollte niemals Vater werden und will es auch immer noch nicht und dann kamst du mit dem Thema auf und ich habe mich wieder an genau der gleichen Stelle, wie vor fünf Jahren gesehen."
Ihre Reaktion kann ich nicht richtig deuten, stecke dafür zu sehr in meinen Tunnel fest, der mich nach außen hin auch viel nervöser wirken lässt, als ich es sowieso schon bin. Als ich wieder nach vorne sehe, steht meine Freundin vor mir und schafft es dadurch dieses Mal allerdings nur, dass ich nicht sicherer in meiner Haltung werde.
Chris: Ich habe Angst, dass ich dich wegen dieses dämlichen Themas verliere und war deswegen so seltsam. Was, wenn wir dort zu verschiedenen sind, das würde ich nicht aushalten. Einen Kompromiss gibt es da aber auch nicht und...ich musste das einfach wissen, weil ich ansonsten...ich hatte Angst, okay?"
Ruhig legt July ihre Hände an meine Schultern, schaut einfühlsam zu mir rauf und schafft es auch mal wieder, dass meine Gedanken für einen Moment stillstehen. So lange, bis sie mich vorsichtig und sanft anlächelt.
Juliette: Ich will keine eigene Familie, Chris."

Als ich ausatme, spüre ich die Anspannung, die meinen Körper bis eben eingenommen hatte und die nun auch weicht. Meine Schultern sacken etwas in sich zusammen, ich atme wieder aus und kann meine Freundin wieder ansehen.
Juliette: Ich liebe meinen Job, der mich mit dir gemeinsam durch Deutschland bringt und will den nicht an den Nagel hängen müssen. Ich weiß, dass ich noch an mir selbst arbeiten muss und Baustellen habe. Und vor allem...ich sehe mich da gar nicht, wirklich nicht."
Schwach ziert sich ein Lächeln wieder auf meinen Lippen, genauso wie July nicke ich leicht, weil ich mit der Antwort leben und weiterhin entscheiden kann und durch alles, was ich gerade gemacht habe, bringe ich sie zum dezenten Lachen.
Juliette: Da das nun auch geklärt ist, können wir endlich wohl los. Nimm dir Zeit für deine Entscheidung, Chrissy. Und egal, wie sie ausfällt, ich werde nicht wütend oder enttäuscht sein. Ich werde dich weiterhin genauso lieben, wie bisher...