Never Less Than a Lover

Kapitel 70

Ein neuer Tag, ein weiteres Mal in der Arena in Stuttgart und für diesen Block ist es somit auch die letzte Show, bevor dann die letzten Feiertage in diesem Jahr anstehen, bevor es wieder vorbei ist. Die Nacht war erholsam, am Morgen war ich mit meiner Freundin hier in der Kantine frühstücken und nach der ersten Show am Nachmittag saß ich wieder vor meinem Mac in meiner Kabine, da ich nun mal die PDF in die Cloud laden wollte. Das wird so langsam auch mal wirklich nötig.

Über meine Kopfhörer läuft Musik, die lässt mich auch fokussiert arbeiten und grundlegend checke ich nur noch die letzten Angaben auf dem Dokument, damit dort keine dummen Fehler sich einschleichen können und zuletzt lade ich es endlich hoch. Die Uhr auf meinem Handy verklickert mir dann auch noch, dass ich noch etwa eine Stunde habe, bis die Show wieder beginnt und zentral gab es eine Änderung für die Tontechnik, was ich noch...mit unserer Meisterin besprechen müsste. Zumindest müsste Levi Bescheid wissen, dass sie sich das in den kommenden Tagen mal ansehen muss. Von der Seite aus greife ich nach meinem Sender, versuche eine gute Miene aufzusetzen und schalte mich zum FOH und zu Levi durch, die mir allerdings keine Antwort gibt. Entweder ignoriert sie mich, oder sie ist nicht in der Nähe des Geräts. Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, gibt mir jemand anderes die Antwort darauf.
Juliette: Levi ist gerade nicht an ihrem Platz."
July und Kyra sind diejenigen, die am nächsten an ihr dran sitzen und daher muss meine Freundin auch gleich gemerkt haben, dass ich sie versucht habe anzufunken. Kurzerhand frage ich auch nochmal wieder nach, wo ich sie denn antreffen könnte und July meint, dass sie irgendwas hinter der Bühne mit dem Sender meines Bruders klären wollte. Für mich ziemlich passend, da ich sie sich nicht zu mir bestellen muss und nach vorne könnte ich nicht mehr laufen, da für das Publikum bereits der Einlass begonnen hatte.

Ich lasse alles stehen und liegen, ziehe die Tür meiner Kabine noch hinter mir zu und laufe einmal die Gänge entlang, schaue dabei immer mal wieder auf mein Handy, da einige Nachfragen per WhatsApp noch gekommen sind und beantworte eben diese fix, bis ich hinter der Bühne auch ankomme. Mein Bruder verabschiedet sich gerade von Levi, bedankt sich nochmal und bevor sie geistesgegenwärtig wieder abhauen könnte, laufe ich zu ihr.
Chris: Levi?"
Habe ich zu leise gesprochen? Sie reagiert darauf gar nicht und daher spreche ich sie nochmal wieder an, bin beinahe bei ihr und merke daher auch, dass sie mich nicht überhört hatte, sondern dass sie mich aktiv ignoriert. Ihr genervtes Seufzen hat sie verraten und ebenso die Tatsache, dass sie größere Schritte nimm, um schneller voran kommen zu können und vor allem von mir weg.
Chris: Ich müsste dir nur eben schnell etwas sagen."
Ich bleibe ruhig, da ich ansonsten die ganze Show über genervt sein würde und versuche dennoch ihr genau zu zeigen, dass sie auf mich hören muss. Um sie auf jeden Fall zum Stoppen zu zwingen, greife ich unbedacht nach ihrer Schulter, was im Normalfall auch noch nie ein Problem dargestellt hat. Generell würde ich darauf achten, wie ich irgendeine unserer Miterbeiterinnen anfasse, aber sie an der Schulter zu nehmen, um sie zu stoppen, würde ich noch als angebracht betrachtet. Scheinbar sieht meine Arbeiterin dies aber nicht ganz so entspannt an, wie ich bis eben noch.

Sobald Levi nämlich meine Hand auf ihrer Schulter nur im Ansatz zu spüren bekommt, dreht sie sich gleich in meine Richtung und schlägt meinen Arme vorsichtig, aber bestimmend, weg und straft mich mit ihren Blicken, der mir mal wieder sagen soll, dass sie mich, den Partner ihrer besten Freundin, am liebsten umbringen würde.
Levi: Was wagst du es dir mich anzupacken?!"
Chris: Ich habe zweimal nach dir gerufen, du hast es sichtlich auch wahrgenommen und ich muss dir einfach nur schnell was erklären."
Offensichtlich interessiert es Levi überhaupt nicht, was ich von ihr will. Stattdessen schaut sie mich herablassend an und will im Moment danach wieder abhauen. Dieses Mal komme ich ihr zuvor, gehe drei große Schritte vor, um vor ihr zum Stehen zu kommen.
Levi: Was willst du bitte von mir?!"
Chris: Dir etwas sagen, mehr nicht."
Levi: Und!? Wen interessierts?!"
Chris: Es sollte dich interessieren, weil ich noch immer dein Chef bin!"
Ich hoffe und bete innerlich, dass das keiner vor der Bühne gehört haben wird, aber immerhin ist sie jetzt still, auch wenn meine Laune jetzt im Keller ist.
Chris: Ich wollte dir einfach nur sagen, dass in der Cloud ein neues PDF-Dokument ist, was du dir anschauen musst. Der Aufbau der Bühne muss von dir angepasst werden."
Ihr Nicken wirkt sehr starr, so als hätte sie es zwar aufgenommen und verstanden, aber es wäre ihr liebe, hätte jemand anderes es ihr gesagt. Bevor sie wieder gehen und mich verlassen kann, greife ich dieses Mal nach ihrem Arm, halte sie fest und sie schaut mich an.
Chris: Ich will die Karte nicht spielen, aber reiß dich zusammen. Ich bin noch immer dein Chef."

In der Firma haben wir einen lockeren Umgang untereinander, weil wir fast ein halbes Jahr aufeinander hocken und viel miteinander erlebt und durchlebt haben. Aber bei ihr setze ich nun eine Grenze. Es kommt mir so vor, als würde Levi es als einen Konkurrenzkampf zwischen uns beide ansehen, aber ich weiß, dass meine Freundin sich niemals für sie entscheiden würde – aus verschiedenen Gründen. Sollte ich bis eben noch gehofft haben, dass mein Bruder weit genug weggewesen ist, um nichts davon mitbekommen zu haben, sehe ich, während Levi den Backstage wieder verlässt, Andreas am Rande bei Manu, der sehr wohl die ganze Show von uns mitbekommen hat. Na ganz klasse.

Eine Zeit habe ich wieder Musik gehört, um die Diskussion mit Levi zu vergessen und dabei war ich froh, dass mein Bruder keine Nachfragen gestellt hatte. Yvonne musste mich nochmal final fertig machen und sie hat das Talent mich von Dingen immer wieder abzulenken. So konnte ich mich auf unsere letzte Show fokussieren und diese auch gut anfangen zu spielen. Andreas fiel es auf, dass ich etwas anders drauf gewesen bin und grundlegend könnte ich die Regel aufstellen, dass es nur Menschen merken, die mich gut genug und lange bereits kennen.
Juliette: Ist alles gut bei dir, Chrissy?"
Während ich mich einmal zwischen zwei Nummern hinter der Bühne umziehe, höre ich in meinem Ohr die Stimme meiner Freundin, die mich sogleich etwas zum Schmunzeln bringt. Über mein Mikro kann ich mit ihr reden, immerhin nutzen wir das während der Shows immer als Sender zum FOH.
Chris: Ich hatte vorhin noch eine Diskussion mit Levi, das ist alles."

Vom Haken nehme ich mir mein anderes Shirt, lasse das vorherige einfach auf den Stuhl neben mir fallen und will nicht mehr Zeit vergeuden.
Juliette: Willst du nach der Show gleich ins Hotel?"
Chris: Wieso fragst du?"
Juliette: Willst du noch was trinken gehen?"
Ich erinnere mich an letztes Jahr, wo ich sie nach der letzte Show in Stuttgart genau das gleiche gefragt hatte, aber damals noch aus anderen Gründen.
Chris: Klingt sehr gut, July...