Im Hotel hatte ich anfangs meine Probleme damit, dass ich wirklich abschalten musste. Dafür habe ich auch echt kein Abendessen runterbekommen, wollte am liebsten Chris immer wieder schreiben, ob alles in Ordnung ist und ob ich nicht einfach hier warten sollte, aber am Ende hat eine Sache mich dazu gebracht, dass ich seiner Bitte nachgekommen bin: Meine unendliche Müdigkeit, die sich die Tage über angesammelt hatte und mich schlussendlich dazu zwang, mich ins Bett zu legen.
Und am liebsten würde ich weiterschlafen, als ich Chris' Hände wieder an meinen Körper spüre. Als er mir zuerst das Haar hinters Ohr streicht, über meine Schultern geht, leicht die Decke von mir runter legt, damit seine Hand an meiner Hüfte ruhen kann. Aber ich weiß auch, dass er dadurch versucht mich zu wecken und dass ich dem auch nachkommen sollte. Ganz zögernd öffne ich allmählich meine Augen, stütze mich mit einem Arm im Bett ab und schaue zu ihm rüber. Seine Haare liegen zerzaust in alle Richtungen, er wirkt halbwegs verschlafen und ein Shirt trägt er auch nicht. Scheinbar hat er also eine Zeit bereits bei mir geschlafen, bevor er mich jetzt wecken musste. Wie beim ersten Mal, wo er das getan hatte, wirkt er etwas beschämt, meidet meine Blicke und nimmt nun auch wieder zögernd seine Hand zu sich zurück.
Chris: Entschuldige...ich habe es allein nicht mehr mit mir ausgehalten..."
Langsam setze ich mich ordentlich auf, gehe mit meinen Handrücken über meine Augen, gähne einmal, bevor ich irgendwie halbwegs anwesend zu Chris schauen kann, der noch immer etwas zurückhaltend seinen Blick von mir abwendet, auch wenn er darauf wartet, dass ich ihm eine Antwort gebe. Für einen Moment bleibe ich noch bei ihm, bis ich die Decke von mir lege und zu meinen Sachen gehe, damit ich mir von dort den Pullover nehmen kann.
Chris: Was hast du bitte vor?"
Juliette: Ich habe gestern Abend nicht runterbekommen und habe echt Hunger."
Chris: Es ist mitten in der Nacht."
Juliette: Und gegenüber ist der Ostbahnhof, da wird ein Mecces sein, jetzt sind wir sowieso wach, also komm."Meinen weiteren Punkt, wer mir das denn verbieten wollen würde, etwa mein Freund, musste ich nicht nochmal wieder mit anbringen, da er mich nur einen Moment noch verwirrt angesehen hat, bevor er ebenfalls aufgestanden ist, um sich andere Sachen überzuziehen. Über mein Schlafshirt ziehe ich den Pullover, aus meinem Koffer krame ich eine Jogginghose und irgendwelche Socken finde ich auch noch, um mir Schuhe überzuziehen. In der Zeit hatte es mir Chris gleich getan, ebenfalls Pullover, Jogginghose, Socken und Schuhe wieder angezogen, wobei er sich die Kapuze überzieht, weil er scheinbar keinen Bock dazu hat, dass irgendjemand sein wüstes Haar sehen kann. Handy und Geld stecke ich mir in die Hose und drehe mich nochmal zu ihm hin, weil ich bereit bin zum Gehen, wobei er auch seine Sachen zusammensucht.
Juliette: Wenn du auch nur auf die Idee kommst, dein Portmonee mitzunehmen, reiße ich dir das gleich eigenhändig aus der Hand!"
In einer etwas übertriebenen Geste lässt er das auf den Tisch liegen, zieht seine Hände gleich von dort weg und kommt mir offen leeren Händen wieder auf mich zu, bevor er diese in seine Jackentasche steckt, als wir beide das Zimmer wieder verlassen. Zu dieser Zeit im Hotel unterwegs zu sein, ist etwas fremd. Es ist totenstill, die Lichter gehen dann an, wenn man durch den Flur läuft und die Arbeiter hier könnten sich wohl auch etwas Besseres vorstellen, als jetzt noch an der Rezeption zu sitzen. Im Fahrstuhl wischte sich Chris auch einmal übers Gesicht, sodass ich ihn mir einmal genauer ansehen kann. Seine Augenringe sind zwar nicht mehr so schlimm, aber noch immer da. Müde sieht er auch aus und richtig wach noch so gar nicht.Als wir beide den ersten Fuß auf die Straße von Berlin gesetzt haben, würde ich am liebsten wieder reingehen, oder mich so weit in meinem Pullover verkriechen, bis mir wieder halbwegs warm sein würde. Das bemerkt auch Chris, der seinen Blick zu mir runter richtet, mich eine Zeit schweigend betrachtet, bis wir bei der Ampel sind. Dort legt er seine Arme um mich und streicht mit seinen Händen über meine, damit mir irgendwie ein bisschen wärmer werden könnte. Zum Glück ist der Weg nicht allzu weit, als wir einmal über der Ampel sind, ist da auch schon gleich der Bahnhof und eben auch unser Ziel.
Viele Leute sind hier nicht, aber tatsächlich sind auch zu dieser Unmenschlichen Zeit noch andere Menschen hier. Ich meine, wir sind ja auch wach und hier. Ich komme vor einer dieser Bildschirme zum Stehen, muss meine Augen an diese Art von Helligkeit wieder gewöhnen und wende meinen Blick zu meinen Freund, der allerdings gleich zu einen der Tisch gehen und mich allein lassen will.
Juliette: Chris?"
Chris: Bestell für mich einfach mit."
Juliette: Du weißt, ich esse kein Fleisch."
Lachend zuckt er mit den Schultern und geht danach weiter, zu einen der Tische, die etwas weiter hinten gelegen sind und lässt mich doch dort allein. Viel hatte er sich nie daraus gemacht, mittlerweile nutzt er vielen der Lebensmittel, die ich bei mir zu Hause habe und will gar nicht, dass er was gesondert für sich braucht. Seinen Kaffee trinkt er oft mit meiner Hafermilch, auf seinen Brot isst er Bionella und wenn es am Abend vegane Lasagne gibt, weil ich dafür ein mega gutes Rezept kenne – ohne mich selbst zu sehr zu loben – gibt er auch dort keine Widerworte. Daher suche ich hier jetzt das zusammen, was ich aus meiner Zeit in Hamburg noch kenne, weil das vor allem nach extrem langen Schichten noch die Rettung zusammen mit meiner Kollegin Dalia war, zahle anschließend und muss danach nur eine kurze Zeit warten, bis ich das Essen mit einem Tablett an der Theke abholen kann, um zurück zu Chris gehen zu können. Ich nehme gegenüber von ihm Platz und als ich aufschaue, merke ich auch, dass er mich bereits die ganze Zeit ansieht.Da ich jetzt nicht sonderlich bereit war für irgendwelche Experimente, habe ich das gleiche genommen, was ich immer bestelle, wenn ich hier mal essen bin. Kommt jetzt nicht so oft vor, aber Altbekanntes muss man ja nicht austauschen.
Juliette: Wenn du dich beschweren willst, dann würde ich dir nur vorhalten, dass du selbst gesagt hattest, dass ich mich drum kümmern soll."
Sogleich fängt er wieder an zu lachen, muss sich einen Augenblick später einmal räuspern, weil seine Stimme offenbar noch etwas belegt zu sein scheint. Bevor er sich auf seinen Platz etwas vorsetzt und seine Hände gefaltet auf den Tisch ablegt. Jede Bewegung von mir beobachtet er genau und schafft es daher auch, dass ich wieder aufschaue und zu ihm hin, wo ich sein schwaches Schmunzeln sehe.
Chris: Bei mir ist jetzt alles gut. Mach dir um mich keine Sorgen, July...
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Never Less Than a Lover
Hayran Kurgu10: Du gibst mir wieder Mut 09: Du zeigst mir das Gefühl von Geborgenheit 08: Du bist der erste, der mich richtig verstehen kann... Alles, was Juliette und Christian miteinander verband, war ein endloser Deal und ein Geheimnis, was niemals ans Licht...