Rollig.

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"Y.O.L.O."

"Was?" Wir hatten seit locker einer Viertelstunde nichts mehr gesagt und haben einfach nur rumgesessen.

"You only live once - Du lebst nur einmal. "

"Ich weiß was das heißt, aber wieso sagst du das?"

"Du solltest einfach drüberstehen und dir keine Gedanken über die anderen machen."

"Das sagt sich so leicht." Ich hab schon mehr als einmal darüber nachgedacht, einfach zur Schule zu gehen, als wäre nichts los. Aber es gab bestimmt mehr als eine Person, wie mein Vater.

"Außerdem sind wir sicherlich nicht die einzigen."

"Einzigen was?" Das wir auf der Welt nicht die einzigen Schwulen waren, war mir klar.

"Das einzige schwule Paar auf der Schule."

"Also wenn man genau drüber nachdenkt, wäre das sogar einleuchtend." Schließlich war unsere Schule eine reine Jungenschule. Und ich war bestimmt nicht der erste, der dort plötzlich sein Interesse an Jungs entdeckt hat.

"Wir sollten dazu stehen, egal was andere sagen." Aufeinmal spürte ich wie er nach meiner Hand griff. Im nächsten Moment waren unsere Finger auch schon ineinander verschlungen. "Ich würde lieber meine Seele an den Teufel verkaufen, als dich jetzt gehen zu lassen."

"Du hast keine Seele mehr John." Ich grinste ihn an und er erwiderte es.

"Manchmal, aber nicht immer...Wie jetzt zum Beispiel." Er drückte mir seine Lippen auf die Wange und ließ sie dort eine halbe Ewigkeit verweilen. "Ich liebe dich, Chris."

"Hör auf das zu sagen!" Ich zog meinen Kopf von ihm weg, um ihn ansehen zu können.

"Wieso?"

"Dadurch verlieren diese Wort an Bedeutung."

"Achso." Sein Blick verriet mir, dass er mich für etwas überdramatisch hielt. Aber das machte mir nichts aus.

"Ich werde dir 'das' nur sagen, wenn ich finde das der Moment besonders ist."

"Also wenn wir igendwann miteinander schlafen." Ich starrte ihn erschrocken an. Wie konnte er das, ohne mit der Wimper zu zucken sagen?! Mein Gesicht brennte, als Reaktion auf seine Worte.

"So lange dauert das nun auch wieder nicht, bis ich es wieder sage."

"Kann ja sein, dass wir es morgen tun." Ich musste ihn wieder, genauso erschrocken, verlegen und irritiert, wie zuvor angestarrt haben. "Beruhig' dich Babe, ich mach nur Spaß."  Bei John konnte man sich da nie so sicher sein.

"Bekomme ich das schriftlich?"

"Was?"

"Das du mich in der nächsten Zeit weder Belästigen noch Vergewaltigen wirst."

"Achso, das...Nö." Er drückte mir seine Lippen auf den Mund, um seine Worte zu untermalen. "Da kann ich mir schließlich nicht sicher sein."

"Dann werd' ich mir wohl Pfefferspray besorgen müssen." Ich versuchte dies so ernst wie möglich zu sagen, hörte mich aber wahrscheinlich total komisch an, weil ich immer noch verlegen war.

"Dann trag ich halt 'ne Schutzbrille. Und keine Sorge. Damit das zwischen uns gerecht abläuft, bekommst du von mir 'ne Augenmaske wenn ich dich ans Bett fessel." Was zum Teufel brabbelte der da eigentlich für'n Kram?! Wer er ein Mädchen hätte ich jetzt gedacht, dass er seinen Eisprung hat und deswegen so rollig ist.

"Du solltest es dir öffters mal selbst besorgen, so rollig wie du bist."

"Wieso sollte ich, wenn ich 'nen Freund hab?"

"Weil dieser Freund nicht von dir, mit solchen Anekdoten, belästigt werden will."

"Jetzt mach mal nicht einen auf Nonne, Chris."

"Tut mir leid, dass ich nicht so versaut bin, wie du."

"Du wirst mir eines Tages dafür dankbar sein."

"Können wir das Thema wechseln?"

"Klar. Wo war'n wir denn?...Stimmt! Die Schwulen in unserer Schule."

"Du meintest, dass es sicherlich noch andere schwule Paare dort gibt."

"Natürlich. Zum Beispiel diese beiden Elite-Heinis, aus der Klasse für Hochbegabte."

"Es sind mehr als zwei Leute in dieser Klasse. Da musst du schon etwas genauer sein."

"Der eine von denen hat lila Haare und der andere sieht aus, wie ein junger Johnny Depp."

"Ach die...Du meinst die sind schwul?"

"Außer du drückst jemanden ausversehen an die Wand und deine Zunge fällt ausversehen in dessen Hals."

"Du hast die beim Knutschen erwischt?!" Obwohl das Schulgelände nicht gerade klein war, fiel mir auf Anhieb kein Ort ein an dem man nicht damit rechnen musste erwischt zu werden.

"Nicht nur knutschen." Hatte John denen 'dabei' etwa zugesehen?! "Die Hände sind an gewissen Orte gewandert, aber keine Genitalien irgendwo rein, wenn du das gerade denkst." Was für interessante Formulierungen er doch immer benutzt.

"Achso."

"Keine Sorge, ich bin nicht so rollig, dass ich anderen bei sowas zuschauen muss." Zum Glück, denn überrascht hätte es mich nicht. "Mir reichts an dein..."

"John!" Ich hatte ihn aufgehalten, denn was er sagen wollte, war fast eindeutig gewesen.

"Ich hör ja schon auf."

"Wieso bist du so rollig? Und das ist 'ne ernst gemeinte Frage!" Denn langsam wurde es schon etwas übertrieben.

"Das weißt du doch schon."

"Aber das kann doch nicht der einzige Grund sein."

"Du warst halt kurz davor mir einen zu blasen, wie soll ich mich denn danach verhalten?"

"Hättest du mich nicht aufgehalten, wär das jetzt nicht dein Problem." Da hatte er ausnahmsweise mal selbstschuld.

"Egal. Kommst du morgen zur Schule?"

"Ich denke schon." Auch wenn es mir viel Übewindung kosten wird, überhaupt aus dem Haus zu gehen."

"Ich kann dich abholen, wenn du willst."

"Das wär toll."

"Gut, dann machen wir das so."

"Und jetzt?"

"Wie, und jetzt?"

"Wir können nicht den gesamten bei mir rumsitzen."

"Magst du Billard?"

"Hab's mal gespielt. Ist aber schon lange her."

"Wir können zu mir und 'ne Runde Billard spielen." Bei ihm zuhause?!

"Klar." Ich hoffte, dass man mir meine Nervosität nicht anmerkte. Würden seine Eltern auch da sein?!

"Cool, dann lass uns los gehen."

"Bevor ich es vergess': Willst du vielleicht heute Abend zum Essen hier bleiben?"

Erst zeigte sich etwas wie Erstaunen auf seinem Gesicht ab, dann wechselte es aber zu einem ehrlichen Lächeln. "Gerne." Er schien sich ehrlich über die Einladung zu freuen.

Und das er sich so freute, machte mich umso glücklicher.

Chris und John.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt