Brüderlich.

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"Was haben sie sich dabei gedacht?!" Es war das erste mal, dass ich im Büro des Schuldirektors war und wie es schien hatte er von vornherein eine Position im Debackel um die Aktion von vorhin bezogen. "Das ist unakzeptabel! Wie können sie auf einen, schon am Boden liegenden, Junge eintreten?!" Seit bestimmt schon einer Viertelstunden hielt er mir einen Vortrag über mein Fehrverhalten und erwähnte mehr als einmal, dass ich wahrscheinlich keine besonders gute Erziehung genossen hatte. Den Teil mit dem diskriminierenden Bild von mir und John ließ er getrost weg. Hatte ich erwähnt, dass er zur Gemeinde meines Vaters gehört? Das war nämlich das erste gewesen, was er gesagt hatte, als ich sein Büro betreten hatte.

Ich saß weiterhin nur stumm auf dem unbequemen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Ihn anzuschauen tat ich ebenfalls nicht, sondern starrte nur durch die riesigen Fenster, hinter seinem wuchtigen Ledersessel, welcher den massiven Schreibtisch ziemlich mikrig dastehen ließ.

Von meiner Position aus konnte ich den Schulhof sehen, welchen ich um zwei Stockwerke übertrumpfte und hatte damit dabei zusehen könne, wie alle weiteren Schüler, den Jungen mir der gebrochenen Nase eingeschlossen, das Geländen verlassen hatten und ihres Weges gegangen waren.

Mein Vater hatte, so machte es jedenfalls den Anschein auf mich, sobald er bemerkt hatte, Mr. Froslahn sei mein Rektor, eine Art 'brüderliche' Beziehung zu ihm aufgebaut. (Als soeine hatte Mr. Froslahn deren Freundschaft bezeichnet.)

"Ich werde ihren Vater kontaktieren müssen, Chris." Nun hatte er meine ungeteilte Aufmerksamkeit.
"Mein Vater?! Sie wissen schon das meine Mutter das Sorgerecht hat und somit als erstes angerufen werden sollte?!"
"Mir steht leider nur die Nummer ihrer Vaters zur Verfügung..-" Lüge! "- und ich finde wirklich nicht, dass wir ihre Mutter von der Arbeiten abhalten sollten,  nur weil sie Mist gebaut haben."
"Das ist mehr recht herzlich egal. Ich werde nur mit meiner Mutter gehen!" Ich fragte mich, ob er von dem Vorfall mit meiner Mutter wusste; bei dem sie von meinem Vater zusammengeschlagen wurde, beziehungsweise wie die Version meines Vaters geklungen hatte.
"Wenn wir das nun geklärt hätten, werde ich jetzt kurz auf den Flur gehen, um zu telefonieren. Sie beiden würden sich wahrscheinlich auch, wenn ich es ihnen verbieten würde, miteinander unterhalten." Ich musste nicht zu ihm schauen, um zu wissen, dass er John gerade mit einem verächtlichen Blick bedachte. Danach schnaubte er nur noch kurz und verließ den Raum.
Fast im selben Moment konnte man spüren, wie sich die Anspannung, welche über uns lag, sich langsam löste. Erschöpft ließ ich meinen Kopf auf die Lehne des Stuhls sinken und schloss die Augen.

Ich öffnete sie erst wieder, als das vertraute Gefühl von Johns Lippen auf meinen zu spüren war. Gezwungen lächelte ich zu ihm hoch. "Weiß du was Damien zu mir gesagt hatte, als ich bei ihm übernachtet hab?" John setzte sich auf den Rand des Schreibtischs und schüttelte nur, leicht verwirrt, den Kopf. "Er hat mich gefragt, ob ich dieses Phänomen kenne, welches in vielen Filmen zusehen ist. Wenn ein schwuler Junge plötzlich von nur schwulen Jungs und Männern umgeben zu sein scheint."
John schien nicht ganz zu verstehen, worauf ich hinaus wollte und forderte mich mit einer hochgezogenen Augenbraue dazu auf, weiter zu reden. "Ich hab mir gerade gedacht, dass es bei mir etwas anders zu sein scheint, dass aufeinmal soviele Leute etwas gegen mich haben. Das aufeinmal soviele Menschen um mich herum homophob zu sein scheinen." Meine Stimmte brach ab, sobald ich den letzten Satz zuende gesprochen hatte, was John einen entsetzten und gleichermaßen mitleidigen Gesichtsausdruck machen ließ.
Er wollte gerade ansetzten, mir etwas zu sagen, wurde aber von der, sich öffnendem Tür unterbrochen, als Mr. Froslahn wieder reinkam.
"Chris, gehen sie bitte mit Mrs. Peters nach draußen, dort wird sie ihr Vater in Empfang nehmen. John, sie bleiben noch hier." Langsam und mit letzter Kraft stand ich auf und bekam, ganz zum entsetzten und Ekel Mr. Forslahns, einen leidenschaftlichen Kuss von John auf die Lippen gedrückt.

Am Schultor wartete Mrs. Peters stur neben mir, bis der dunkle Mercedes meines Vaters vor uns halt machte. Während wir draußen standen hatte ich ein paar mal nach oben geschaut, in der Hoffnung John zu sehen, bemerkte aber, dass man von unten gar nicht ins Direktorenbüro hineinschauen konnte.
"Steig ein, Chris!" Er machte sich gar nicht mal die Mühe auszusteigen, sondern brüllte einfach nur aus dem kleinen Schlitz des geöffneten Fensters zu mir.
Instinktiv setzte ich mich auf den Rücksitz, was mir einen grimmigen Blick von ihm einhandelte.
"Ich hoffe dir ist bewusst, was du falsch gemacht hast, Sohn?!" Gekonnt ignorierte ich seine Frage und sprach gleich das wichtigste an. "Du fährst mich zu mir nach hause, oder?!" Ich betonte das 'mir' besonders, um meinen Standpunkt klarzumachen.
"Nein, wir werden zu mir fahren und da werde ich dir erstmal deinen Fehler vor Augen halten. Ob du heute noch nach hause kannst, entscheide ich später." "Ist das dein verdammter Ernst?!" Ich hatte meine Stimme automatisch erhoben, als ich in seiner diese 'Selbstverständlichkeit' hörte, als würde es keinen anderen Ort geben, als sein Zuhause, an dem ich jetzt sein sollte.
"Ob du nachher immer noch so mutig und großspurig bist, werden wir ja sehen." Damit hatte sich unser kleines Gespräch beendet und ich hatte, was auch immer auf mich wartete, um einiges verschlimmert.
Meiner Mutter hätte ich spätestens jetzt eine Nachricht geschickt, aber mein Handy war immer noch in der Obhut des lieben, netten Mr. Froslahn.

Chris und John.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt