Umschlag.

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Die ersten Stunde am heutigen Freitag war Mathematik. Und da John, obwohl er sogut wie nichts für die Schule machte, ein Superhirn zu sein schien, wurden wir seperat unterrichtet. Er kam zu den Genies und ich zu den etwas begriffsstutzigeren Schülern. Das Klassenzimmer für den Matheunterricht war der Traum eines jeden Zahlenliebhabers. Überall hingen Formeln und Rechenbeispiele an den Wänden. Da auch niedrigere Klassen hier Unterricht hatten, fand man sogar das kleine Einmaleins. Mein Platz, den ich mir letzte Woche bereits ausgesucht hatte, war in der hintersten Ecke des Raumes. Vor mir saß immer ein langhaariger Kerl, der aussah als wäre er eher ein Lehrer, als ein Schüler und neben mir saß ein kleiner übergewichtiger Junge. Er gehörte mit zu den eifrigsten und schlausten dieser Klasse, sah es aber trotz allem aber nicht als notwendig an, sich Notizen zu machen oder auch nur einen Rucksack mitzunehmen.

Demotiviert am Unterrichsgeschehen teilzunehmen, legte ich mein Kinn auf meine, auf den Ellbogen abgestützten, Hände.

"Guten Morgen." Herr Kohlmaß kam begeistert wie immer in die Klasse und ließ seine Tasche aufs Pult fallen. "Schön sie wiederzusehen, Chris." Ich zuckte kurz zusammen, weil ich nicht damit gerechnet hatte, von ihm angesprochen zu werden. "Guten Morgen." Sofort saß ich wieder kerzengerade im Stuhl.

Nachdem er seinen Blick wieder von mir nahm, forderte er die Klasse dazu auf, die Unterlagen der letzten Stunde rauszuholen. Ich versuchte daraufhin einen kurzen Blick auf die Notizen meines Nachbarn zu erhaschen, was mich daran erinnerte das er ja nie welche machte. Und spätestens als er diese komplizierte Zeichnung auf die Tafel gekritzelt hatte, kam ich überhaupt nicht mehr mit.

"Können sie mir die passende Formel nennen?" Es war klar, dass er mich gerade jetzt drannahm, obwohl ich mich noch nicht einmal gemeldet hatte. Ich schüttelte den Kopf als stumme Antwort und fing mir dadurch ein paar komische Blicke der anderen ein. Es kam mir vor, als würden sie sagen: 'Noch nicht mal bei den Mathe-Nieten haste was drauf.' Naja, anscheinend stimmte das.

Eine gefühlte Ewigkeit saß ich dort in der Ecke und malte die Zeichnungen von der Tafel ab. Herr Kohlmaß hatte mit kein einziges mal mehr angesprochen.

"Wiederholt die Aufgaben der heutigen Stunde noch einmal zuhause." Das Klingeln rettet mich förmlich aus dieser Qual, die man Matheunterricht nannte. "Chris, bleibst du bitte noch einen Moment hier?" Soviel zu gerettet.

"Sie wollten was?" Ich hatte gewartet bis alle anderen das Klassenzimmer verlassen hatten, bevor ich zu ihm nach vorne ging.

"Ich wollte dich fragen, wie es dir geht. Schließlich ist den Lehrern auch zu Ohren gekommen, was passiert ist."

"Mir gehts gut." Er nickte bestätigend und ließ mich dann, obwohl ich damit gerechnet hatte, noch einmal näher befragt zu werden, rausgehen.
Auf dem Flur herschte reges Treiben und überall rannten Schüler rum. Niemand würdigte mich eines Blickes und ich fühlte mich für einen Moment sogar angenehm unsichtbar.

"Chris?" Ein kleiner Junge, wahrscheinlich ein paar Klassenstufen unter mir, tippte mich von der Seite an. "Der ist für dich." Er drückte mir einen kleinen Umschlag in die Hand und rannte daraufhin sofort wieder weg.

Mit gerunzelter Stirn stellte ich mich an den Rand des Flurs und öffnete den Umschlag. Der Inhalt hätte mich eigentlich nicht überraschen sollen, da es immer überall irgendwelche Idioten geben wird, die ihren Senf dazu geben werden: 'Hau ab, scheiß Schwuchtel. Niemand will dich.'

Ein unerwartetes Lächeln bildeten sich auf meinen Lippen, bei dem Gedanken, dass es doch jemanden gab, der mich wollte. Und diesen jemand würde ich jetzt erst mal finden gehen. Also warf ich das Stück Papier nur noch zerknüllt in den Müll und machte mich danna auf die Suche, nach meinem Prinz.

Chris und John.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt