Kapitel 21

633 30 19
                                    

Er lief schneller. Sie überwand die letzten Meter und sprang dann in die Höhe, wie um über etwas drüber zu springen, nur tat sie es, um in den Fluss zu hüpfen. Genug Anlauf hatte sie ja, also brauchte sie sich keine Sorgen machen, dass sie halb auf dem Ufer landete. Das wäre nicht so gut für die Gesundheit, wenn sie reinspringen und sich verletzen würde. Zumal sich in dem Fluss viele Bakterien befanden.

Hicks sprang ihr nach, erfasste ihren Fuß und landete gemeinsam mit ihr im Wasser. Er sah noch wie der Plan, den sie fest in der Hand hielt, sich augenblicklich mit Wasser vollsog, zu kleinen Stücken zerfiel und mit der Strömung weggespült wurde. Wut überkam ihn und er sah Astrid an. Unter Wasser sahen ihre Haare dunkler aus. Hicks' Hemd flatterte im Wasser umher, während Hicks selbst einen sensationellen Ausblick auf den Intimbereich seiner Freundin hatte und immer noch ihr Bein festhielt. Er war so sauer auf sie. Wie hatte sie nur so etwas tun können?!
Er hatte nur sie in den Fluss geworfen und nicht ihre heißgeliebte Axt, die nicht einmal hier war. Zugegeben, es war diabolisch von ihm gewesen, aber jetzt war es ja schon zu spät.
Sein Plan war fort.
So lange saß er daran! Stunde um Stunde. Tag für Tag. Zwei Jahre lang hatte er herum getüftelt. Ihre Überraschung konnte sie sich sonst wohin schmieren!

Etwas grob wechselte er von ihrem Bein zu ihrem Oberarm und riss sie an diesem an die Wasseroberfläche.
Astrid hustete etwas Wasser aus, als sie auftauchten und atmete tief durch. Es hatte sie erschreckt, Hicks auf sie drauffallen zu spüren, als sie im Wasser gelandet waren, deshalb hatte sie kurz aufgeschrien, bevor das Wasser sie umgab und somit etwas davon geschluckt.
Sie sah ihn an und ihr Herz klopfte wie verrückt. Seine düstere Miene machte ihr Angst. Er war sauer. Astrid war mit ihrer Aktion anscheinend zu weit für ihn gegangen, aber was sollte sie dann zu seiner Aktion sagen?
Der Griff um den Arm der jungen Wikingerin verfestigte sich schmerzlich und er schwamm mit ihr an Land.
Überrascht war sie allemal, als er sich an Land zog und sie mit einem Ruck vollständig aus dem Wasser hob. Den Arm seiner Freundin hatte er bereits losgelassen und er stand mit dem Rücken zu ihr, während er sich den Kopf hielt. Astrid bemerkte, dass seine Muskeln sich extremst angespannt hatten. Sein Atem war schnell, schon fast hektisch. Er fühlte sich irgendwie anders als sonst. Er schüttelte den Kopf, wie ein zu sich kommendes Tier nach einer Betäubung, und knurrte.

»Hicks, wa-« Er unterbrach sie indem er sich zu ihr drehte und sie wütend anstarrte. Sie hob erschrocken die Hand vor den Mund. Die Pupillen ihres Freundes hatten sich, wie bei wilden Drachen, zu Schlitzen geformt. Ein bevorstehender Rückfall, stellte sie entsetzt fest.

»WEIßT DU EIGENTLICH, WAS DAS WAR, WAS DU DA GERADE DEM FLUSS ÜBERLASSEN HAST? HAST DU ÜBERHAUPT EINE AHNUNG DAVON, WIE WICHTIG DAS WAR? ZWEI JAHRE HABE ICH DAFÜR GEBRAUCHT!«
Sie sah ihn mit geweiteten Augen an. Solch einen Ton hatte sie noch nie von ihm gehört.

»Hicks ... Ich ... es ... «, sie brach mitten im Satz ab.
Seine Wut überkam ihn immer mehr. Nicht einmal der Fakt, dass er mehrere Pläne hatte und er nicht wusste, welchen sie genommen hatte, fiel ihm jetzt ein. Er hatte es vor lauter Schock verdrängt. Seine Haut fing an zu prickeln.
Sie ging zwei Schritte auf ihn zu, hoffte mit ihrer ruhigen Stimme sein Gemüt besänftigen zu können, aber Fehlanzeige.
Stattdessen hatte er sie, mit seiner übermenschlichen Stärke, von sich weg geschleudert und war davongelaufen. Den Schrei seiner Freundin und das darauffolgende 'Platsch' nahm er nur spärlich wahr - so vernebelt war sein Verstand.
Er verschwand in den Tiefen der Wälder.
Kleine Schuppen hatten sich in seinem Gesicht gebildet, als er eine halbe Stunde später an seiner Hütte ankam. Knurrend ging er in diese und riss sich neue Stücke seiner Hose ab. Er hatte sich im Wald mit einem Bären und einem weiteren Wolf gemessen und dabei einige Verletzungen eingesteckt, aber das würde schon wieder werden.
Seine tierische Hälfte hatte sich noch immer nicht zurückgezogen, während seine menschliche um Freiheit kämpfte. Schnaufend stützte er sich auf dem Schreibtisch ab, an dem er seine Werke lagerte. Er hatte keine Ahnung, was er getan hatte.
Unruhig schnüffelte er an diesen und sah sie sich an. Da sah er ihn: Seinen unversehrten Plan...
Etwas in ihm regte sich. Seine Augen wurden wieder normal und auch seine schuppige Haut verschwand. Das Tier in ihm verzog sich und der Mensch kam wieder zum Vorschein. Fassungslos sah er sich den Plan an, für den er so ausgetickt ist.
»Es war der Falsche. Astrid, du hast den falschen Plan genommen!«, rief er erfreut und drehte sich um, um nach seiner Freundin zu sehen. Sie stand nicht da.
Mit runzeliger Stirn sah er sich um. Er konnte sich daran erinnern, dass er sie aus dem Fluss gezogen und sie angeschrien hatte. Schuldbewusst kratzte er sich am Hinterkopf und ging etwas mehr in sich. Der junge Mann wollte sie nicht so anschreien.

»Astrid? Astrid, es tut mir leid! Bitte!«, flehte er die Luft in der Hütte an. Er hoffte darauf, dass sie zu ihm kommen würde und ihm ihr süßes Lächeln wieder schenkte. Den Streich wollte er wieder gut machen. Sie war ja richtig sauer als sie in den Fluss gesprungen ist. Hicks sah gebannt zur Tür. Sein Herz fing an wie wild zu schlagen und auch sein Puls schoss in die Höhe, seine Lungen fühlten sich wie zugeschnürt an.

Die Erinnerungen kam wieder, ihr Schrei hallte ihm ins Gedächtnis.
Seine Augen wurden glasig und er rannte aus der Hütte direkt zum Fluss.
Er hatte sie zurückgeschleudert und war in den Fluss gestürzt.
»Bitte nicht ... Bitte nicht! BITTE NICHT!«, schrie er verzweifelt und den Tränen nahe. Was hatte er bloß getan? Er war ein Monster!
Er hatte wegen einem Stück Papier die Fassung verloren und dafür seine Freundin angegriffen. Er hatte seine Fähigkeiten, die er eigentlich nie bei ihr anwenden wollte, an ihr ausgelassen. Und nun war sie weg.

Am Fluss angekommen, stolperte er sofort auf das Ufer zu. An die Stelle an der es geschah. Finden konnte er sie nicht. Und damit hatte er auch nicht gerechnet. Die Strömung war stark und wenn Astrid durch den Aufprall körperlich angeschlagen war, so standen die Chancen sehr schlecht, dass er sie hier finden würde. Er hatte sie ja ziemlich fest zurück geworfen und wusste nicht, wie sie aufgeschlagen war.
Seine Hände zitterten. Hicks hatte die Angst in ihren Augen gesehen. Und diese galt eindeutig ihm.
Wie konnte er das bloß wieder gut machen?
Insofern er sie lebend fand.
Daran denken wollte er nicht, zu groß war diese Schuld und dieser Schmerz in seiner Brust.
Sie war nicht tot! Das glaubte er nicht. Astrid hatte einen starken Willen ... manchmal.
Ohne weiter zu zögern, rannte er die Strömung entlang des Flussufers und suchte verzweifelt nach seiner Freundin.
Einige Zeit verging, aber der junge Mann gab nicht auf.
Er rief ihren Namen, versuchte ihren Geruch zu erkennen, aber die Spur war schwach und führte von einer Stelle am Flussufer aus in den Wald. Er wusste nun, dass sie am Leben war und das erleichterte ihn. Aber sie war nicht an seiner Seite und das störte ihn.
Sie hasst ihn vermutlich, wenn nicht fürchtete sie sich vor ihm. Das verzeiht er sich nie. Er war eine Bedrohung.

Alles war er sich vorgenommen hatte war sie zu finden, sich entschuldigen und sie sicher nach Hause zu bringen.

Er müsste einiges wieder gut machen und das konnte er am besten indem er ihr etwas bastelte oder sie mit anderen Dingen überraschte.
Wie hatte er nur auf die bescheuerte Idee kommen können, sie in den Fluss zu werfen?
Er wusste es nicht. Aber was er wusste, war dass er keine Ruhe geben würde, ehe er sie wieder in seinen Armen hielt.

Und so war ein vermeintlich harmloser Streich eskaliert.

Monster Inside Me - Hiccstrid❤️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt