Kapitel 60 Teil 3

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Sie hatte sich schon die ganze Zeit über so seltsam gefühlt.
Anbetracht der geschehenen Ereignisse allerdings nicht in Betracht gezogen, dass ihre Symptome einen anderen Ursprung haben konnten.
So erschien es ihr logischer, wegen des ganzen Rauchs und dem Stress Kopfschmerzen, Schwindel, Mattheit und leichte Übelkeit zu entwickeln. Mit einer Schwangerschaft hatte sie nicht gerechnet.
Astrid starrte mit schläfrigem Blick an die Holzwand des Bootes, während sie in ihre warme Decke eingewickelt war. Die Kerze flackerte hell, beleuchtete aber nur ihren Schlafplatz.

Sie war müde. Sehr müde.
Zwischendurch war sie für kurze Zeit eingenickt, aber so wirklich erholsam empfand sie es nicht. Zu viele Fragen, ohne erkennbare Antworten, nagten an ihr. Eine, bis auf die Grundmauern, niedergebrannt Insel, eine verlorene Heimat, die Ungewissheit über den weiteren Verlauf ihrer Reise, ihre Schwangerschaft und Hicks' Verschwinden.
Das Hauptproblem war aber das Verschwinden ihres Mannes. Sie konnte es sich nicht erklären - und noch weniger wusste sie, wo er war oder ob es ihm gut ging. Astrid hätte es nur all zu gerne gewusst.
Seufzend rieb sie sich ihre roten, geschwollenen Augen und schloss diese.
Vor Alva versuchte sie immer stark zu wirken, ihr Kind zu trösten, wenn sie sich verletzt hatte oder jemanden vermisste, aber es gab ein paar wenige Momente, in denen auch Astrid weinte.
Alles in sich hineinfressen war auf Dauer keine Lösung. Damit hatte sie abgeschlossen.
Schniefend zog die junge Mutter ihre Decke etwas weiter hinauf, denn sie war verrutscht und entblößte ihre nackte Schulter. Sie trug nur ein moosgrünes, ärmelloses Nachtkleid, dass früher mal Hicks' Hemd gewesen war. Es war weich und ging ihr bis zur Mitte ihrer Oberschenkel. Sie trug es immer, aber am meisten, wenn Hicks nicht bei ihr war. Schutz und innere Ruhe waren nur zwei der Gefühle, die sie spürte, wenn sie es trug.

Alva war bei ihrem Großvater und Grobian, also brauchte sie sich um das eine Kind keine Sorgen zu machen. Sie war noch nicht ganz im dritten Monat und deshalb bestand noch erhöhte Chance auf eine frühzeitige Fehlgeburt. Was ihr Mann wohl zur Schwangerschaft sagen wird?
Die Vorstellung allein brachte sie zum schmunzeln.
Er würde sich freuen, aber dann bereuen sie alleine gelassen zu haben. Schließlich kam das schon einmal vor und Astrid hatte heute noch Alpträume deshalb.

Schritte und das Knarzen der Holzdilen waren, was die junge Mutter in Alarmbereitschaft versetzte. Sie drehte sich blitzschnell um, aber es war nicht so, wie sie es erwartet hatte. Vor ihr stand jemand, dem sie am liebsten in den Arm gesprungen wäre und ihn gleichzeitig dumm und dämlich geprügelt hätte. All ihre Fragen, Zweifel und Sorgen - wie weggeblasen.
Ihr stockte der Atem und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Sie war nicht sicher was sie tun sollte, aber ihr gegenüber machte den ersten Schritt.
Er ging mild lächelnd auf sie zu, doch sie lächelte nicht. Er wusste, dass dies kein gutes Zeichen war und dies sollte sich kurz darauf auch bestätigen.
Denn in genau dem Moment, als er vor dem Bett seiner Frau stand, setzte sie sich ruckartig auf, stellte sich auf die Knie, holte aus und schlug ihm ins Gesicht.
,,Hey, Schatz...",was das Einzige, was er darauf erwiderte. Sich darüber aufzuregen war vollkommen unnötig. So war der Schlag verdient gewesen.

,,Wo warst du?", fragte Astrid ruhig und biss sich auf die Unterlippe. Sie sah ihn nicht an. Ganz im Gegenteil. Ihr Gesicht hatte sie in ihren zerzausten Haaren vergraben, während sie auf seine Füße starrte.
Er platzierte seine linke Hand vorsichtig auf ihre Schulter. Darauf bedacht darauf zu achten, bei Wiederstand den Rückzug anzutreten und kniete vor ihr nieder. In der Hoffnung ihr schönes, voller negativer Emotionen durchzogenes Gesicht zu sehen. Den Gefallen tat sie ihm nicht.

,, Ich hatte die Kontrolle verloren nachdem sie auf Alva losgegangen sind und mich verwandelt. Bis jetzt habe ich versucht wieder normal zu werden - mit wenig Erfolg. Ich bin gekommen um reinen Wein einzuschenken und um dir zu sagen, dass ich noch ein paar Tage fern bleiben muss", erzählte Hicks, doch seine Frau unterbrach ihn.

,,Warum? Du bist doch gerade erst wieder gekommen."

Sie klang als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen und das gefiel Hicks absolut nicht. Schuld begann ein weiteres Mal durch ihn zu wandern.

,,Es ist sicherer für euch, wenn ich fern bliebe. Alle die mich so noch nicht gesehen haben, werden Angst kriegen und dann könnte es gut möglich sein, dass du und Alva in Gefahr geratet. Das will ich vermeiden. Ich weiß, dass es dir weh tut, deshalb-"

Sie schluchzte und er hörte auf zu reden. Sein Plan gefiel ihr absolut nicht.

,,Weißt du überhaupt wie wir uns gefühlt haben?! Wie Haudrauf, Grobian und der Rest der Truppe voller Sorge auf deine Rückkehr gewartet haben? Ich habe Haudrauf und Grobian in den letzten 3 Tagen mehr Kopfschmerzen bereitet, als nötig war. Sie haben mich davon abgehalten nach dir zu suchen und mir geholfen! Alva schläft kaum, ich hatte einen Zusammenbruch, Rotzbacke hat sein deinem Verschwinden nicht mehr mit sich angegeben, die Zwillinge spielen keine Streiche mehr und Fischbein seufzt nur vor sich hin. Wir machen und alle Sorgen!
Und nach 3 Tagen entscheidet der feine Herr hier aufzutauchen und seiner schwangeren Frau zu sagen, dass er wieder weg geht und nicht weiß, wann verdammt nochmal er wieder hier erscheint!! Sehr nobel - du Ritter."

Sie holte tief Luft, nachdem sie sich abreagiert hatte, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und begann zu realisieren was sie gerade gesagt hatte.
Hicks nahm jedes Wort davon auf. Da hatte er sich aber nicht verhört - oder doch?
Für einen kurzen Moment verschlug es ihm die Sprache. Mit einem Wutanfall und einem Schlag hatte er gerechnet, aber mit einer Schwangerschaft nicht.
Das Schuldgefühl begann zu steigen.
,,I-ist das wahr?", fragte er nervös. Sie nickte und fummelte am Randende ihres Hemdes herum. Er begann zu lächeln, allerdings verblasste dies sehr schnell.
Es störte ihn, dass sie ihn nicht ansah.

,,Astrid, sieh mich an", verlangte er. Sie verneinte zuerst, gab dann aber nach, als er einen Finger unter ihr Kinn legte und dieses vorsichtig hochdrückte. Gleichzeitig lehnte er sich zu ihr runter.
Damit wollte er bewirken, dass sie keine andere Wahl hatte, als ihn anzusehen. Es funktionierte. Ihr Blick spiegelte Trauer, Enttäuschung und Wut wieder, aber irgendwo in ihren ozeanblauen Augen sah er auch Freunde.

Sie nickte stumm. Dazu hatte sie nichts weiter zu sagen.

Monster Inside Me - Hiccstrid❤️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt