Kapitel 29

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»HICKS! Hiickss! Wach auf men' Jung!«, dröhnte eine tiefe, rau klingende, männliche Stimme. Sein Kopf dröhnte und er hielt sich die Schläfe, während er versuchte die Augen zu öffnen. Es fiel ihm zwar schwer, aber er schaffte es. Der Boden unter ihm war erdig und mit Steinen besetzt. Der Himmel schien so grau und düster.Seine Umgebung kam ihm so trüb vor. Das musste am Unwetter gelegen haben. Ein unbekannter Druck auf seiner Schulter, brachte ihn dazu, seinen Kopf nach links zu drehen und da erblickte er das besorgte Gesicht seines Vaters. Triefend nass, kniete er über ihm und hatte an seiner Schulter gerüttelt.
Der Regen prasselte wie kleine Nägel auf Hicks eiskalte Haut hinab, während er sich aufsetzt. Sein Oberkörper brannte, aber das bledete er einfach aus.
»Dachten schon du bist tot«, erklang eine andere männliche Stimme, die aber nicht ganz so tief und kratzig klang. Hicks wandte sich an ihn.  »Was ist passiert? Warum seit ihr hier?«, fragte der junge Mann mit belegte Stimme. Der Dorfschmied saß neben ihm. Grobian klopfte ihm auf den Oberarm und Hicks durchzog sofort eine enorme Welle an Schmerzen. Es war der verletzte Arm den der ältere blonde Wikinger erwischt hatte. Der Braunhaarige unterdrückte einen Schrei und hielt sich stattdessen die Hand vor den Mund, um zu fluchen, nachdem er seine Augen zusammengekniffen und kurz darauf aufgerissen hatte.
»Tschuldigung«, nuschelte der Einarmige, während er sein unschuldiges Lächeln ausetzte, wodurch sein Steinzahn vorne links gut zur Geltung kam.
»Ich dachte das könntest du uns sagen. Wir wollten dir nur die Sachen vorbei bringen und dann haben wir dich laut nach Astrid brüllen hören. Da wir dich nicht direkt gefunden haben, haben wir die Sachen in deiner Hütte gelassen und Grobian und ich dich dann suchen gegangen. Gefunden haben wir dich dann hier. Bewusstlos«, erklärte der und Hicks hielt den Atem an. Grobian musterte ihn untersuchend, aber Hicks kümmerte das wenig.
Erinnerungen kamen in ihm hoch. Astrids verzweifelte Schreie schnürten ihm die Kehle zu. Und Ludwigs Gesicht machte ihn rasend vor Wut. Hicks sprang, wackelig auf den Beinen, auf und stürzte einige Schritte nach vorne, während er mit zusammen gepressten Zähnen Verwünschungen knurrte. Haudrauf versuchte ihn zu stützen, aber Hicks lehnte, mit gehobener Hand ab. Grobian stand auf und trat zu ihm. »Dieses Arschloch hat sich Astrid geholt.« Hicks schnaubte mehrmals und rümpfte die Nase. Das Betäubungsmittel wirkte bei ihm nur für fünf Minuten, da sein Körper den Stoff schneller verarbeitete, aber genau diese konnten für seine Geliebte tötlich enden. Hicks sah sich kurz nach dem Pfeil um, ehe er feststellte, dass er bereits in den Tiefen des reißenden Flusses verschwunden war. Hicks Haare klebte ihm in Strähnen am Kopf, während seine Klamotten sich mit Wasser vollgesogen hatten. Das Wetter war ein guter Launen-Killer und bei Hicks stand die Laune sehr tief im Keller.
Die beiden älteren Männer starrten den jüngeren nur entsetzt an, bevor Haudrauf seinem Sohn erneut eine Hand auf die Schulter legte und ihn mitfühlend ansah. Grobian hingegen, blieb stehen.

»Wie konnte das passieren? Ich meine, du hast doch diese Fä-fä-fa-fantastischen Haare«
Hicks sah ihn entnervt an, woraufhin der aufgebrachte Grobian versuchte sich aus der Misere zu ziehen. Anspielungen auf seine andere, tierische Hälfte konnte er nicht gebrauchen. Sowas machte ihn nur wütend.

»Das ist Vaters' und meine Schuld. Hätte er nicht mit dem Baby-Gequatsche angefangen, hätten wir auch nichts gesagt, was sie kränkt. Sie wäre nicht davongelaufen und entführt worden und ich wäre nicht betäubt worden.«
Er fuhr sich durch sein nasses Haar. Sein Hirn rattert und schmiedete an einem Plan. Ein Plan der dazu diente seine Freundin aus den Fängen ihres brutalen Vaters zu befreien. Einfach darauflos stürmen konnte er nicht - so gerne er auch gewollt hätte, aber Hicks wusste, dank der paar Männer die vor ein paar Minuten auf ihn eingetreten hatten, dass er nicht alleine war.
Haudrauf legte den Kopf schief und Grobian runzelte die Stirn. Keiner der beiden konnte sich auch nur im gewissen Maße vorstellen, was das ganze mit einem Baby zutun hatte. Grobian war nicht dabei, aber der Häuptling selbst schon. Er hätte es wissen müssen.

»Wie genau meinst du das Hicks?«, fragte Grobian irritiert und trat einen Schritt näher. Hicks seufzte.

»Vater und ich hatten vor kurzem eine kleine Auseinandersetzung in meiner Hütte. Darum ging es, dass er von uns verlangt, keine Kinder zu bekommen, weil er nicht möchte, dass es so wird wie ich. Ich habe ihm das so vorgeworfen, nicht nachgedacht und das Baby indirekt als Monster bezeichnet. Astrid hat das missverstanden und ist abgehauen. Bevor du fragst: Nein sie ist nicht schwanger und ja, wir hatten bereits Sex. War ihre Idee. Ich hab nur zugestimmt. Der Knackpunkt bei dem Ganzen hier ist, dass ich nicht darauf geachtet habe, was Astrid fühlt wenn ich soetwas sage. Sie möchte Kinder - und zwar mit mir. Das Verbot von meinem Vater hat sie dann noch mehr verletzt. «

Stille.

Hicks hob eine Augenbraue.
Er hatte mit einer Entschuldigung gerechnet oder irgendeiner anderen Regung, aber so war es nicht. Alle drei standen sich nur stumm gegenüber und starrten sich an.
Bis Hicks das schließlich zu blöd wurde. Er hatte keine Zeit dafür.
Der Regen hatte nachgelassen und auch der Wind verlor an Stärke. Hicks wusste, dass das nur eine Zwischenphase war, bevor der echte, große Sturm kam. Das wollte er nutzen.

»Hört mir zu«, begann er und erklärte ihnen seinen Plan. Ihm war egal, ob sie ihm halfen oder nicht. Hicks war wichtig, Astrid da rauszuholen und Ludwig und seinen Kompanen den Allerwertesten zu versohlen.
Zu seinem Glück, nickten die beiden älteren Wikinger und erklärten sich dazu bereit, ihm bei der Rettungsmission beizustehen.

Astrids Fährte hatte er leider nicht aufnehmen können, da der frische Duft von Regen diesen überdeckt. Aber trotzdem war dem Zwanzigjährigen sonnenklar, wo er anfangen musste zu suchen. Am Strand.
Hicks konnte ahnen, dass Ludwig sie von hier wegbringen wollte, damit ihm der einzige Dorn im Auge, Hicks selbst, nicht in die Quere kam. Der Braunhaarige schnaubte säuerlich. Da hatte sich mit dem falschen Wikinger angelegt!
Er würde sie sich wieder holen - und wenn es das Letzte war, was er tun würde.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in den Wald. Hicks hatte noch eine Trumpfkarte im Ärmel. Ohnezahn, sein Nachtschatten-Freund. Hundertprozentig sicher, war er sich bei der Ausübung dieses Teils seines Plans jedoch nicht. Sein Vater hasste Drachen, aber er hatte keine Wahl. Entweder er würde dieses eine Mal mit einem Reptil zusammenarbeiten oder Hicks würde ihn zurücklassen.
Von Hicks' Einfall, Ohnezahn zu involvieren, wussten weder Grobian noch Haudrauf, aber der Unterschied war, dass Grobian den Drachen bereits kannte. Vor vier Jahren hatte sich der Dorfschmied mit dem geschuppten Reptil angefreundet. Am Anfang war auf beiden Seiten kaum Begeisterung zu erkennen, aber nachdem sie sich näher kennengelernt hatten,  besserte es sich. Grobians Meinung zu Drachen hatte sich an jenem Tag von 'Ich-töte - alles-was-Schuppen-hat-und-fliegen-kann' in 'Mei-ist-der-lieb' geändert.

Seinen Vater umzustimmen würde eine lustige Angelegenheit werden, aber wer nicht wagte, der nicht gewann.

Monster Inside Me - Hiccstrid❤️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt