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,,Wir müssen alle zusammen bleiben, der Strand ist nicht weit", schrie Rotzbacke so laut er konnte. Gekeuche und die jammernden Laute der kleinen Kinder waren das Einzige, das die schnellen Schritte und das Knistern des Feuers übertönten. Das Feuer hatte beinahe den ganzen Wald eingenommen. Berk war bereits Geschichte.
Astrid sah ihn wütend an.
,,Rotzbacke das hören wir bereits zum vierten Mal und glaub mir, du linderst unsere Angst damit kein bisschen!"
Der 23-jährige Jorgenson blieb still. Sie hatte recht, aber er wusste sich und seiner Angst nicht anders zu helfen. Er war der einzige Erwachsene Mann in der kleinen Gruppe seit sie wieder zusammen gefunden hatten und führte sie somit an. Fischbein war zusammen mit Gaia und Alva von ihnen getrennt worden und er wusste nicht was er tun sollte. Die andere mit den beiden Kindern wartete darauf von ihm geleitet zu werden und Astrid - so wie sie ihn im Moment ansah, war sie bereit ihn zu köpfen.
Es nagte an der jungen Mutter. Sie hatte Alva Gaia in die Hand gedrückt, als sie die beiden Kinder suchen gegangen war und seither waren sie verschwunden. Dass sie dadurch mit Rotzbacke wiedervereint worden waren, war ein schwacher Trost. Eine der beiden Frauen die mit ihnen floh, war erstochen worden. Ein Kind hatte seine Mutter verloren. Ihre Insel stand zum Teil in Flammen, ihr Dorf wurde dem Erdboden gleich gemacht und ihre Familie ist irgendwo da draußen. Es ging alles so schnell, dass sie es nicht wahr haben wollte, aber sich erschüttert auf den Boden werfen und weinen hätte nichts gebracht. Sie musste darauf bauen, dass die drei noch am Leben waren und dass ihr Mann auch irgendwo da draußen war.
,,Passt auf! rechts! ", rief Gerlinde, während sie ihre 6 jährige Tochter und den gleichaltrigen Sohn der verstorbenen Frau hinter sich zog. Ein Feind stürmte auf sie zu. Astrid hob einen angekokelten Stock hoch und Rotzbacke zog sein, in mitleidenschaft gezogenes, Schwert und stellte sich dem Gegner. Direkt hinter ihm allerdings sah Astrid etwas aufblitzen. ,,Rotzbacke warte! ", rief sie. Der Gegner ging wortlos zu Boden, noch bevor die kleine Gruppe etwas getan hatte.
,,Haudrauf, Grobian!? Bei Odin ihr lebt!", sprach Astrid erfreut und warf sich ihrem Schwiegervater in die Arme. Er lachte und klopfte ihr auf den Rücken. Sie dachte er wäre zusammen mit Grobian und Rotzbackes Vater in den Flammen gestorben, aber mehr als ein paar milde Kampfverletzungen und oberflächliche Brandwunden schienen sie nicht zu haben.
Grobian hob stolz seine Hakenhand. ,,Der Krieger, der uns niedersteckt muss erstmal geboren werden!"
Die kleinen Kinder kicherten und Rotzbacke verdrehte schmunzelnd die Augen.
,,Sag mal Astrid, wo ist denn Alva? Und ich sehe Hicks auch nicht", stellte das Stammesoberhaupt fest.
,,Gehen wir bitte weiter, sonst verschluckt uns das Feuer. ", warf Gerlinde ein und erhielt Zustimmung. Astrid lief zwischen Haudrauf und Grobian her, wahrend Rotzbacke und Gerlinde mit den Kindern hinter ihnen gingen.
,,Hicks hatte Alva und mich im Dorf abgesetzt als unser Haus angegriffen worden war und ist auf der Suche nach dem Verursacher. Seither habe ich nichts mehr von ihm gehört und Alva ist zusammen mit Gaia und Fischbein verschleppt worden", berichtete die blonde Wikingerin und sah zu Boden. Sie wirkte besorgt. Aber welche Mutter würde das nicht?
Haudrauf sah nach vorne.
,,Es wird alles gut. Meiner Enkelin und den anderen geht es gut, das fühle ich. Hicks ist stark, der schafft das schon."
Er klang so zuversichtlich.
,,Wenn er so stur an seinem Leben hängt wie sein Vater, dann auf jeden Fall", warf Grobian ein und Astrid lachte.
,,Was ist eigentlich mit meinem Vater, Haudrauf? Er war doch bei euch."

Grobian zuckte mit den Schultern und Haudrauf sah für einen Augenblick zum jungen Jorgenson nach hinten.
,,Wir sind getrennt worden. Er meinte er habe jemanden schreien hören und ist sofort in die Richtung geeilt. Seither sind wir ihm nicht mehr über den Weg gelaufen. Treffpunkt ist aber der Strand - das weiß Kotzbacke", beantwortete der Schmied seine Frage, während er die Umgebung musterte. Rotzbacke seufzte und nickte niedergeschlagen.
,,Deinem Vater wird er bestimmt auch gut gehen, Rotzbacke. Den haut nicht mal der stärkste Bulle um", sagte Haudrauf, als sich sein Gesichtsausdruck schlagartig veränderte.
,,Leute der Strand ist in Sicht", sagte Gerlinde. Astrid folgte seinem Blick. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Das Schiff ihres Vaters lugte hinter den Klippen hervor. Und genau dort mussten sie hin. Versteckt in einer Höhle lagen Rettungsschiffe und Boote, die ihnen zur Flucht verhelfen sollten. Die Befürchtung keimte auf, dass Ludwig ihnen zuvor gekommen war.
Der Himmel verdunkelt sich. Ein dickes Meer aus grauen Wolken zog über sie her.
Astrid war die Wolkenansammlung bereits eine Stunde zuvor aufgefallen, doch hatte sie nicht die Nerven darüber nachzudenken. Rotzbacke war derjenige der es laut aussprach.
,,Sieht aus als können wir demnächst mit Regen rechnen."
Haudrauf nickte abwesend. Er war gerade dabei sich seinen Plan zurecht zu legen.  Gäbe es die Notfallboote in einer versteckten Höhle, wäre ihre Situation aussichtslos gewesen. Er atmete tief ein und aus. Das Wetter schien mit ihnen zu sein. Vielleicht hatten sie doch eine Chance - trotz Großbrand und feindlicher Belagerung - hier auf der Insel zu bleiben.
Vorsichtig schlichen sie sich an, blieben aber weit genug weg um nicht entdeckt zu werden. Viele Wachen waren hier nicht. Zwei saßen am lagerfeuer und tranken und einer schlief. Der Eingang zur Höhle war irgendwo hinter den Wachen. Es sah so aus, als hätte ihn noch keiner entdeckt. Haudrauf hatte ihn mit einem Symbol markieren lassen, um ihn wieder zu finden. Aber die Markierung war über die Jahre hinweg von Kletterpflanzen verdeckt worden und so hatte er bei jeder Visite einen der Kletterpflanzenschlingen in den Sand gesteckt.
,,Okay Grobian, Rotzbacke und ich kümmern uns die Hohlbirnen da. Ihr Mädchen wartet hier mit den Kindern."
Astrid und Gerlinde nickten - auch wenn Astrid den Männern am Liebsten geholfen hätte. Die beiden älteren Männer taten es auf die altmodische Art. Sie liefen mit erhobenen Schwertern - wie sie es zu Kriegszeiten schon getan hatten - auf ihre Gegner zu. Es war ein einseitiger Kampf. Ihre Feinde sahen sie zu spät kommen und waren somit auch nicht fähig zu reagieren. Die Frauen hinter dem Felsen hielten den Kindern die Augen zu. So unnötig es auch zu sein schien - hatten sie die letzten Stunden über doch ein hohes Maß an Brutalität miterlebt - umso wichtiger war es ihnen weiteres Leid zu ersparen. Alle drei Männer drehten sich um und waren dabei zu Astrid und den Anderen zu gehen, als sie erschrocken stehen blieben.

,,Passt auf hinter euch!", schrie Haudrauf entsetzt und die beiden Frauen drehten sich ruckartig um. Die nächsten Sekunden ihres Lebens verliefen für die 21 jährige Mutter wie in Zeitlupe. Zwei weitere Wachen standen mit erhobenen Schwertern hinter ihnen - bereit das Leben zweier Frauen und zweier unschuldiger Kinder auszulöschen - als zu ihrer linken ein nur allzu bekanntes Gesicht auftauchte und den beiden stämmigen Männern die Hölle heiß machte. Astrids Herz stoppte für einen Augenblick, schlug danach aber um 10 Takte schneller. Ein Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.
,,Das unser Wiedersehen immer in einer Rettungsaktion endet", sagte er kess, während er ihr einen federleichten Kuss auf die Lippen hauchte und sie kicherte.
,,Leute, wird sind auf der Flucht und ihr knutscht euch hier ab? ", kam es von Rotzbacke.
,,Lass sie doch. Wenn du mal eine Frau hast, wirst du das sicher verstehen", antwortete ihm Fischbein, der mit Gaia und Alva zu ihnen stieß.
Astrid sah die drei für einen Moment irritiert an, ehe sie aufsprang, Gaia entgegen lief und Alva sofort an sich drückte.
,,Odin sei Dank euch geht es auch gut", schniefte sie und strich Alva über den Kopf. Das kleine Mädchen kicherte und legte ihren Kopf auf Astrid Schulter.
,,Mama", brabbelte sie und Astrid lächelte.

,,Wie schnell sich ihre Stimmung ändern kann ist mir ein Rätsel", sagte Rotzbacke.

,,Das wirst du nie verstehen", murmelte Grobian und Haudrauf verdrehte die Augen, während er seine Enkeltochter kurz begrüßte.

,,Wir haben nicht die Zeit dazu uns darüber zu unterhalten, wie Frauen ticken oder wer was nie verstehen wird. Zuerst werden wir uns in der Höhle verstecken und auf die Überlebenden warten", verkündete das Stammesoberhaupt und jagte alle Richtung Felsmauer.
Die Suche währte nicht lange. Eines der beiden Kinder fand den versteckten Schalter im Sand und keine Sekunde später öffnete sich der Eingang zur Höhle. Darauf bedacht sich im Notfall verteidigen zu können, gingen alle Waffenträger mit gezogene Waffe.
Der Eingang schloss sich hinter ihnen. Alle staunten.

,,Unsere Vorfahren haben diese Höhle entdeckt und mein Großvater hat sie mir gezeigt als ich in Hicks' Alter war. Der kleine See mündet direkt ins Meer und der kleine Weg, den man mit den Booten rausfahren muss um in dieses zu gelangen ist recht schnell und einfach zu befahren. Fackeln sind auch nicht nötig, denn oben an der Decke sind kleine, natürlich entstandene Löcher die genug Licht abgeben um sehen zu können",erzählte Haudrauf.

Beeindruckt bestaunten sie ihre Umgebung,ehe Haudrauf wieder das Wort ergriff.

,,Folgendes wird geschehen: Hicks, da du der bei weitem Schnellste und Stärkste von uns allen bist, wirst du nach Nahrung suchen gehen. Fisch, totes Wild, Beeren - irgendwas. Der Fluss ist nicht weit von hier, da wird Rotzbacke hingehen und Wasser holen. In der Ecke stehen Krüge für den Notfall, nimm die. Betten findet ihr in den kleinen Schiffen am Wasser. Grobian, Fischbein und Astrid werden am Eingang der Höhle - also nur wenige Schritte von den Schiffen und unserer jetzigen Position entfernt - warten und beim aufladen der Schiffe helfen. Falls Überlebende kommen, sofort Erst versorgen und auf eines der Schiffe verfrachten.
Um es klarer zu machen : Alle mit Waffen und ohne Aufgabe an den Eingang; alle ohne Waffen bei den Schiffen bleiben. Falls es feindliche Angriffe geben sollte, scheut euch nicht sie nieder zu Strecken. Wie weit Ludwig gehen wird ist auch noch unklar, aber wir sollten auf alles gefasst sein", gab Haudrauf die Anweisungen.

,,Ludwig wird nie wieder gehen, stehen, sehen oder atmen können", warf Hicks ein und verschrenkte seine Arme vor seiner Brust. Alle außer Fischbein und Gaia sahen ihn verwirrt an.

,,Sagen wir es so: er hat einmal zu viel jemandem weh getan und hat dafür mit seinem Leben bezahlt - im Kampf mit mir."
Hicks klang sehr ruhig und gelassen, aber der Gedanke an diesen abscheulichen Menschen widerte ihn an. Nicht nur Astrid sah ihn überrascht an, sondern auch Grobian und die andern Unwissenden.

,,Du willst uns hiermit sagen, dass du ihn umgebracht hast? ", fragte Rotzbacke und Hicks nickte.
Astrid wusste nicht was sie dazu sagen sollte und den Anderen schien es auch so zu gehen. Ihr Vater war tot. Sie konnte endlich abschließen und musste sich nicht mehr vor ihm fürchten. Da war kein bisschen Trauer in ihr. Nein - sie war sogar froh.

,,Dann hätten wir eine Plage weniger", murmelte Haudrauf und Gaia verkniff sich das Lachen.

Fortsetzung folgt....

Monster Inside Me - Hiccstrid❤️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt