Kapitel 60 teil 2

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Das unruhige Gewimmer seiner Enkelin hatten Haudraufs Augen aufschlagen lassen. Er war, wie es schien, eingenickt und dass, obwohl er vor der Höhle die Stellung halten hätte sollen. Es war noch dunkel und der hell scheinende Mond hatte seine Position, vom letzten Standpunkt aus gesehen, nur um ein kleines Stückchen nach unten bewegt. Das verriet ihm, dass der Zeitpunkt, an dem er eingeknickt war, noch nicht lange her gewesen sein musste. Ein Blick zu seinem, verschlafen wirkenden Kumpel, der sich müde die Augen rieb und er wandte seine Aufmerksamkeit dem kleinen Kind in seinen Armen zu. Sie schlief noch, verzog allerdings das Gesicht. Ihre kleine Hand hatte sich an einem seiner Bartzöpfe geklammert, während sich auf ihrem Oberarmen erneut weiß- schimmernde Schuppen gebildet hatten.
Haudrauf seufzte. Alva hatte oft Alpträume, aber so häufig, wie in den letzten Tagen, kamen sie noch nie vor. Er fühlte sich schlecht, weil er ihr diese schlimmen Träume nicht abnehmen konnte.
,,Was so-", begann Grobian, verstummte allerdings, als Schritte zu hören waren.

Instinktiv griffen die beiden Wikinger zu ihren, neben ihnen an der Felswand lehnenden, Waffen. Haudrauf hielt Alva schützend in seinem Arm und kurz bevor beide aufstehen konnten, kam ihnen ins Blickfeld, was das Geräusch gemacht hatte. ‚Wer' traf es eher.
Haudraufs Herz schlug schneller.
,,Hicks...", hauchte er. Mehr als das brachte er nicht zu Stande. Grobian hingegen sagte gar nichts. Hicks' Aussehen erklärte warum. Seine Haut war übersät von verheilenden Narben und schwarzen Schuppen, während seine Augen grün leuchteten. Zwei schwarze Flügel zieren seinen Rücken, aber seine Zehen- und Fingernägel waren normal.


,,Vater", gab er monoton zurück, den Blick seiner Tochter zugewandt. Der junge Mann wollte mit seinem Vater reden und war deshalb in der Nähe, als er, von weitem schon mitbekam, dass sein Kind auch anwesend war. Er wusste, sie träumte wieder schlecht und es wunderte ihn auch nicht. Die Ereignisse der letzten Tage schrien geradezu nach einem Trauma.
Hicks fuhr sich durchs braune Haar und setzte sich vor Haudrauf in den Sand. Er wirkte ruhig und gelassen, aber Haudrauf fiel auf, wie erschöpft er in Wirklichkeit war.
Das konnte nur bedeuten, dass er, in diesen drei Tagen der Abwesenheit, nicht viel schlaf bekommen hatte.
Hicks sah ihn an, ohne ein Wort zu sagen. Haudrauf nickte verständnisvoll und überreichte seine, in eine Decke gewickelte, Enkeltochter ihrem Vater.
Die kleine Maus öffnete abrupt ihre Augen. So hatte sie aus ihrem Traum herausgefunden und traf auf die grünen Augen, die sie schon so lange nicht gesehen hatte. Er sah etwas anders aus als sonst, aber es waren das selbe Gesicht, die selben Augen und die gleiche Ausstrahlung.

,,Hey, mein kleines Nugget", sagte er mild lächelnd. Hicks war froh, dass sie im Kampf letztens keinen großen Schaden davongetragen hatte, so hatte er sich allerdings Vorwürfe gemacht, überhaupt zugelassen zu haben, dass sie verletzt worden war.
Ihre Augen weiteren sich, während ihr Gesicht sich verzog und sich dicke Krokodilstränen in ihren Augen bildeten.
Grobian und Haudrauf lächelten synchron. Alva war definitiv daddy's kleines Mädchen.

Alva strampelte sich die Decke vom Körper und krabbelte mit Hicks' Hilfe auf Halshöhe, wo sie sich mit dem Gesicht in seine Halsbeuge presste und ihre kleinen Ärmchen um seinen Hals warf. Grobian begann zu lachen und Hicks verdrehte vergnügt die Augen, ehe er mit dem einen Arm ihren Rücken festhielt und mit dem Anderen ihren Hinterkopf streichelte.

,,Ich bin ja wieder da, nicht weinen", sagte er tröstend. Er hasste es, wenn sie oder Astrid weinten. Ganz besonders, wenn es seine Schuld war und er konnte sich schon vorstellen, was passieren würde, wenn er ihnen sagen würde, dass er nicht bleiben konnte.

,,Dadaaa, ist ein doofi", stammelte sie. Das hatte sie mit absoluter Sicherheit von ihrer Mutter.

,,Daddy hat dich auch vermisst", antwortete er ihr und tat dabei so, als hätte er die Beleidigung eben nicht gehört. Eine geschlagene Stunde hatte er mit ihr im Arm auf dem Boden gesessen und sie geknuddelt, ehe sie wieder eingeschlafen war und Hicks begann nervös zu werden.
Er wollte nicht ins Blickfeld der überlebenden Dorfbewohner geraten, die ihn so noch nicht kannten. Eine Mini-Massenpanik würde ausbrechen und sie würden ihn- wie damals- Davon jagen.
Sein Kind und seine Frau weiterhin im Stich lassen wollte er noch weniger, aber hier waren sie wenigstens sicher.
Sie hatten Essen, genug zu trinken und können einigermaßen ruhig schlafen.

Der Häuptlingssohn legte seine Tochter mit größter Sorgfalt in die Arme ihres Großvaters zurück, darauf bedacht sie nicht zu wecken und stand dann auf. Er sah das kleine Kind mit solch einer Trauer an, dass man hätte meinen können, sie wäre in seinen Armen gestorben.
Grobian und Haudrauf folgten seinen Bewegungen. Er rieb sich am Arm, atmete tief ein und aus, biss sich auf die Unterlippe und wandte seinen Blick wieder ab.

,,Was ist los?", brach Grobian die Stille.

Hicks ging in die Hocke.

,,Ich muss für ein paar weitere Tage weg", antwortete er und noch bevor die Beiden den Mund öffneten, gab Hicks ihnen die Antwort.
,,So wie ich aussehe, wird es Tumult in der Gruppe geben. Sie werden mich und meine Familie meiden, weil wir anders sind - das will ich nicht. Wenn ich wieder normal aussehe, komme ich wieder."

Haudrauf und Grobian machten sich nicht mal die Mühe, darauf wörtlich etwas zu erwidern, so wussten sie, dass es sinnlos war, es zu versuchen. Deshalb war ihre einzige körperliche Reaktion darauf ein Kopfnicken.

,,Und wie sagst du es Astrid?", fragte Haudrauf nach kurzer Stille. Hicks sah in den Himmel.

,,Naja-",begann er, aber Haudrauf ließ ihn nicht ausreden.

,,Sie hat dir etwas zu sagen und ich denke, wenn du schon für ein paar weitere Tage abwesend bist, solltest du es heute noch erfahren. Dies ist eine Angelegenheit, die keinen weiteren Aufschub duldet."
Haudrauf klang strenger als sonst. Ein Zeichen dafür, dass er es ernst meinte.

Hicks zuckte überrascht mit den Augenbrauen.

,,Und was wäre das?", fragte er irritiert.

,,Das sagt sie dir besser selbst. Sie ist in der Kabine auf Boot 4. Beeil dich, bevor noch jemand aufwacht", informierte Haudrauf ihn, während er seiner Enkelin behutsam die Decke wieder überlegte.

Hicks nickte, stand auf und eilte in die Höhle hinein.

Monster Inside Me - Hiccstrid❤️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt