John.

19.3K 608 37
                                    

Sobald ich meine Augen öffnete, bohrten sich brennende Sonnenstrahlen in meine Pupillen, welche mich dazu zwangen, mein Gesicht in mein Kissen zu drücken. Meine Mutter hatte schon wieder die Vorhänge geöffnet. Das war wirklich die schlimmste Art geweckt zu werden. Mit einer Hand vor den Augen, rollte ich mich zur Seite und sah natürlich nicht, das ich zu weit rollte. Leider musste mein Ellbogen dafür büßen und wurde ziemlich in Mitleidenschaft gezogen, als ich vom Bett fiel. Auf dem Boden liegend versuchte ich, obwohl das keine besonders gute Idee zu sein schien, noch einmal einzuschlafen. Dieser Plan wurde nur leider auch durchkreuzt, denn mein Wecker existierte auch noch. Viel zu schwungvoll, was mich kurz ins Taumeln brachte, stand ich auf und warf mein Handy gegen die Wand. Das nervtötende Geräusch war das zwar verschwunden, aber der Bildschirm sollte auf ewig schwarz bleiben. Super Start in den Morgen. Total genervt von allem und jedem, nahm ich mir meine neue Uniform aus dem Schrank. Sie sah furchtbar aus. Aber mit etwas Glück, würde ich damit durchkommen, die Krawatte nicht zu tragen. Nachdem ich mich im schneckentempo angezogen hatte, stapfte ich nun die Treppen runter. In der offenen, mit dem Wohnzimmer vebundenen, Küche angekommen, wurde ich von meiner, wie immer strahlenden, Mutter begrüßt. "Gut geschlafen, Chris?" Der Geruch von frischem Bacon ließ mich für kurze Zeit vergessen, dass ich mein Handy geschrottet hatte, aber sie musste mich natürlich daran erinnern. "Mein Handy ist kaputt." Ich setzte mich auf einen der Barhocker, an der Kücheninsel, an der sie gerade versuchte, die fettigen Baconstreifen aus der Pfanne zu fischen. "Nicht schon wieder!" "Tut mir leid." Es war nicht das erste mal, dass sowas passierte. "Ich kann dir aber erst nächsten Monat ein neues kaufen." "Frag doch Dad, der hat doch einen Haufen Geld." "Der würde uns aber nie etwas davon abgeben." Sie mochte ihn genauso wenig, wie ich ihn, aber dazu, uns Geld zu geben, war er eigentlich trotzdem verpflichtet. "Was willst du essen?"  Als Antwort nickte ich stumm in die Richtung der, erfolgreich eingefangenen, Baconstreifen. Meine Mutter legte mir ein paar von denen auf einen Teller und zwei Spiegeleier. Natürlich konnte sie es nicht lassen, mir ein Smiley damit zu präsentieren. In dem Moment musste ich, zum ersten mal an diesem Morgen, lächeln. Ihre eigene Laune schien, als sie mich lächeln sah, sich sofort noch mal, um einiges zu bessern. "Freust du dich auf die neue Schule?" "Freust du dich auf die neue Arbeit?" Wegen dem Umzug, mussten wir beiden in gewissem Sinne, neu anfangen. "Nicht wirklich." "Da hast du dein Antwort." Ich aß mein Frühstück noch in Ruhe auf, bevor ich wieder in meinem Zimmer verschwand, um meinen Rucksack zu holen. An der Haustür angekommen, schnappte ich mir meine Schuhe und zog sie an. Ich hatte gerade die Türklinke runtergedrückt, da kam sie nochmal zu mir. "Hier." Sie drückte mir eine braune Papiertüte in die Hand. "Entweder hast du dir die Mühe gemacht, mir Mittagessen einzupacken, oder du gibts mir gerade Alkohol mit in die Schule." Sie lachte kurz auf und drückte mich aus der Tür. "Geh schon." Ich winkte ihr noch kurz zu und machte mich dann auf den Weg zur Bushaltestelle. An der stand außer mir, keiner, als der Bus kam. Mir war es jedenfalls egal und ich setzte mich, nachdem ich dem Busfahrer meinen Ausweis gezeigt hatte, auf einen Platz am Fenster. Der Bus stank nach Schweiß und sah aus, als wäre er neu gewesen, als meine Mutter eingeschult wurde. Somit wusste ich, dass ich auch nichts großartiges von der Schule erwarten sollte. Die nächsten zwanzig Minuten hielt der Bus immer wieder an, um weitere Schüler einzusammeln. Selbsverständlich waren es alles nur Jungs, da Mädchen auf einer reinen Jungschule nichts zu suchen hatten. Einmal hätte sich ein Typ fast neben mich gesetzt, aber mein Blick schien ihn verjagt zu haben. Irgendwann hielt der Bus endgültig, vor einem riesigen Gebäude an. Ich stieg aus und folgte der Menge an Schülern, durchs Schultor. Um keine weitere Zeit zu verlieren, ging ich schnurstraks ins Sekreteriat, um mir meinen Stundenplan abzuholen. Mit einem versifften Stück Papier in der Hand, rannte ich nun durch die Flure, da der Ton, der einem sagte, der unterricht würde beginnen, schon zu hören gewesen war. Einen gefühlten tausend Meter Sprint später, stand ich vor einer grauen Tür. Ich lehnte mich noch kurz an die Spinte, damit ich nicht total außer Atmen in die Klasse reinging. Plötzlich stand ich aber nicht mehr alleine vor der Tür. Ein schwarzhaariger Kerl stand mir gegenüber im Gang und rauchte seine Zigarette zuende. "Dir ist schon klar, dass rauchen im Gebäuden verboten ist, oder?" Er schaute mich nur kurz an und warf sie dann in den Mülleimer. "Willst du jetzt rein, oder nicht?" Da ich mittlerweile nicht mehr unkontrolliert hechelte, klopfte ich an der Tür und drückte die Klinke hinunter. Der Junge von eben ging sofort auf einen Platz zu und setzte sich. Noch nicht einmal die Lehrerin sagt etwas dazu. "Sie sind Chris, richtig?" Ich nickte und stellte mich in eine paar kurzen Sätzen, der Klasse vor. Danach zeigte mir Frau Friedhern den einzig freien Stuhl, im Klassenraum. Welcher natürlich neben dem Rebell der Klasse war. Wenig begeist setzte ich mich neben ihn und kramte meine Sachen raus. "Hey." Er tippte mich von der Seite an. "Was?" "Lass das von eben vergessen und bei null anfangen, okey?" Ich nickte, weil ich mir, gleich am ersten Schultag, keine Feinde machen wollte. "Ich bin John." "Chris." "Schön dich kennenzulernen, Chris." In der Annahme, die Unterhaltung sei vorbei, drehte ich mich wieder um. "Ey, nur damit du es weißt. Ich bin schwul." "Ja und?" Was genau wollte er damit bezwecken?! "Kann sein, dass ich dich anmachen werden. Deswegen wollte ich dich vorwarnen." Ein zweideutiges Grinsen entstand auf seinen Lippen und ließ mir einen Schauer den Rücken runter laufen. Nun drehte ich mich aber endgültig weg.

Das konnte ja witzig werden.

Chris und John.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt