Kapitel 7: Die Bibliothek

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Als ich meine Augen wieder öffnete, befand ich mich auf gepflastertem Untergrund. Die Straße war nur unscharf in dem beschmutzen Licht der Straßenlampe zu erkennen. Vor uns zeichnete sich der Umriss eines riesigen Gebäudes ab. Die Auserwählte ließ meine Hand langsam los. In ihrem Gesicht erkannte ich Unbehagen. Ihr war unwohl.

„Alles in Ordnung, Auserwählte Lady Roselia?", fragte ich, sobald ich daran dachte, dass Großvater genau das von mir erwartete.

Höflichkeit war nur dazu da um seine Feinde in Sicherheit zu wiegen, um sie dann kaltblütig in der Nacht ermorden zu können.

„Mir geht es gut, Paul deVil. Vielen Dank. Ich habe bereits Schlimmeres heute erlebt, als das ich bei Übelkeit eine Träne vergießen sollte. Was genau passiert nun? Du warst doch auch erst dagegen, hier in der Nacht aufzukreuzen. Warum nicht mehr? Ist es verboten, hier in der Nacht das Gebäude zu betreten oder ist das hier so gängig wie Volksaufstände und Morde. Etwas, was wir in England immer zu bekämpfen wussten."

Kalt sah ich in ihr Gesicht. Sie verstummte und starrte zurück. In ihrem Blick lag weder Hass noch Skepsis. Es schien, als müsse sie sich zusammenreißen, meinem Blick länger standhalten zu können.

„Hegen Sie, Lady Roselia, etwa Zweifel an unserer Regierung, an deren Entscheidungen und an unserem System? Wenn ja, ist dies Ihr besiegeltes Todesurteil."

Die Auserwählte räusperte sich und trat einen Schritt näher an mich heran. „Ich dachte, ich wäre schon tot."

Mit meinen milchigen, blutunterlaufenen Augen starrte ich sie hasserfüllt an. Sie verengten sich zu zwei Schlitzen. Ruhig und völlig unter Kontrolle erklärte und befahl ich drohend: „Sie mögen denken, Sie, Lady Roselia, seien wichtig und der Mittelpunkt unseres Lebens, doch Sie sind nichts im Vergleich zu mir. Sie sind nichts im Vergleich zum Untergrund. Sie sind nichts im Vergleich zum Teufel. Nichts. Und Sie werden auch nie etwas anderes sein als ein an uns geketteter Klotz, weil es eine beliebige erdachte Prophezeiung so will, weil ich einfach nicht daran glaube. Es gibt nur eines, woran ich glaube. Und das ist der sichere Tod, der jeden ereilen wird außer denjenigen, die an der Spitze der Macht stehen. Sie werden welche der ersten sein, die sterben werden, wenn Sie ihr Verhalten nicht ändern. Machen Sie sich unterwürfig, fallen Sie nicht auf, tun sie, was man Ihnen befiehlt. Und hören Sie auf, so naiv zu sein!" Meine Stimme blieb völlig ruhig. Vermutlich war genau diese Tatsache das, was sie so verängstigte.

Die Auserwählte erschrak, wandte dann aber den Blick von mir ab und blickte zu dem gewaltigen Wald zu unserem Rücken. In ihrem Gesicht zeichnete sich ein großes Fragezeichen ab.

„Der riesige Wald, der oft unendlich scheint", erklärte ich. „Sie, Lady Roselia, erinnern sich gewiss daran. Vor ein paar Minuten waren wir noch in ihm anwesend. Im Teil der Werwölfe. Die Bibliothek liegt am Rande des Waldes zwischen Vladwick und dem Fenriswald, die beide eigentlich nur aus einem Wald bestehen mit verschiedenen Tälern, Dörfern und Schluchten, sowie Bächen. Ich denke das reicht für heute mit der Heimatkunde. Darklight und Bite werden in Kürze hier eintreffen."

Plötzlich hörten wir ein Wolfsheulen, gefolgt von dem Geschrei eines Mädchens. Atemlos kamen Darklight und Bite angerannt und wurden langsamer Zeitgleich blieben sie vor uns stehen. Bite verwandelte sich zurück.

„So viel zum Thema: Du wärest schneller als ich", rief er lachend und Darklight behauptete: „Ich hätte viel schneller laufen können, wenn ich den Weg gewusst hätte!" „Lügnerin!", antwortete Bite und Darklight wiederum konterte: „Schoßhündchen!"

Warum hatte man mich mit unfähigen Hühnern zusammenarbeiten lassen, wo viele andere doch weitaus erträglicher waren?

Die Auserwählte unterbrach sie leise: „Wie genau kommen wir hier jetzt rein? Es sieht so verschlossen aus."

Fate And The Present- Die AuserwählteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt