Kapitel 57: Hexenprozess

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Eine Woche später:

„Das ist doch nicht mehr normal", wisperte Layla erschöpft. „So lange kann das doch jetzt nicht mehr dauern, bis wir den See endlich sehen, oder?"

„Normalerweise müssten wir bestimmt noch zwei bis drei Wochen laufen, bis das Meer zu sehen ist", erklärte Rose. Ich stöhnte auf.

„Das Sumpfgebiet hat in der Breite dieselbe Größe, wie das Schneegebiet. Zumindest fast." Ich war eine Weile vor gelaufen und hörte deswegen nur dumpf, was sie mit leisen Worten besprachen.

Plötzlich sah ich Rauch hinter den Baumwipfeln des Sumpfes aufsteigen. Wie in Trance lief ich los. Denn, wenn man schon Rauch von Häusern sehen konnte, musste es ja auf der anderen Seite des Sees sein, was bedeuten würde, dass der See gar nicht wie das Meer erschien. Zudem würde es bedeuten, dass unsere Reise hier und jetzt nach der Überquerung des Meers aufhören würde und diese Tatsache klang gerade jetzt so verlockend wie noch nie. Die anderen folgten mir fast so schnell wie ich, obwohl sie nicht zu verstanden schienen, was ich wollte. Dann schließlich erreichte ich das Ende des Waldes. Die anderen kamen hinter mir zum Stehen. Mit vielsagendem Blick schaute ich nach vorne. Mit Sicherheit sollte vor meinen Augen das Meer liegen.

Stattdessen reihten sich unzählige Häuserdächer auf einem gar nicht mal so weit entfernten Ort zusammen. Überrascht betrachtete ich das Dorf vor meiner Nase, welches nur wenige hundert Meter von uns entfernt war. Der Himmel war von dicken Wolken übersät und ein leichter Nieselregen tropfte auf unsere Haut. Bestürzt und mit vor Schreck geweiteten Augen sah Rose auf den Anblick, der sich ihr bot.

„Wir sind den falschen Weg gegangen", sprach Paul das Offensichtliche aus. Rose nickte.

„Wir sind beim Menschendorf!"

Keiner von uns traute sich zu sagen, dass Rose wohl doch recht gehabt hatte. Keiner traute sich zu sagen, was wir nun tun sollten. Keiner traute sich zu sagen, dass wir uns von einer wildfremden Todesfee vom richtigen Weg abkommen lassen haben. Missgelaunt fluchte ich.

„Wir können nicht zurück", meinte Layla. „Abenteuer ist doch auch nicht so schlimm. Ach kommt schon, Leute. Wir haben schon viel geschafft. Was sollen uns schon so ein paar Möchtegern- Sekten- Idioten anhaben können?"

Mir vielen da einige Sachen ein, wie zum Beispiel, dass die Vampirjäger Layla töten konnten, die Geisterjäger Rose töten würden, die Jäger mich nur zu gerne tot in ihrer Sammlung ausgestopft sehen würden, die Geistlichen sowohl Paul als auch Layla töten würden, die Sektenangehörigen jeweils Dinge an den Teufel spendeten, wodurch er von unserem Aufenthalt erfahren konnte, und die anderen Sektenangehörigen, die Frauen auf den Scheiterhaufen warfen, weil sie als Hexen bestraft wurden. Deswegen hätte ich Layla auch gerne widersprochen, allerdings hatte sie in einer Sache dann doch recht, denn wir mussten unbedingt weiter und konnten es uns nicht erlauben, den Weg wieder zurückzugehen, schließlich musste uns einmal mehr bewusst sein, dass es nicht nur Abenteuer waren, die wir erlebten, sondern auch ein Wettlauf gegen die Zeit.

Diesmal schüttelte Paul den Kopf. „Auf gar keinen Fall kann ich zulassen, dass ihr euch alle in Gefahr begebt. Es ist eine Sache, wenn ein paar von uns ernsthaft in Gefahr sind, aber eine andere, wenn jeder von uns durch eine andere Gefahr bedroht wird."

Für einen kurzen Moment kam mir der Gedanke, dass er die Reise lediglich duldete, oder geduldet hat, weil er wusste, dass zumindest Rose nichts passieren konnte oder er seinem Großvater entfliehen konnte, aber ich verwarf den Gedanken schnell wieder.

Sichtwechsel: Layla

„Na und, die Drachen sind eh viel Schlimmer, Leute. Wir lassen uns von denen paar Menschen doch nicht unser Ziel vermiesen", rief ich bestimmt und stolzierte los. Ich spürte die verdatterten Blick der anderen auf mir liegen. Ohne mich umzudrehen, sagte ich gereizt: „Kommt ihr jetzt, oder werde ich ganz auf mich alleine gestellt sein?"

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