Kapitel 18: Daisy

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Ich überlegte kurz, bis mir schließlich eine Idee kam, die anderen abzuschütteln. Wozu konnte ich schließlich schweben, wenn ich es nicht ausnutzte?

Wie ein Blitz flog ich aus meinem Versteck in eine Seitenstraße hinein. Sie konnten nur einen weißen Schein gesehen haben, was mir einen kleinen Vorteil verschaffte.

Doch da rief auch schon Fenrir: „Folgt ihm!"

Ich bekam furchtbare Angst, blickte verzweifelt in sämtliche Richtungen, um irgendwo einen sicheren Unterschlupf ausfindig zu machen. Wo sollte ich mich denn jetzt verstecken? Ich würde nicht ewig vor ihnen davon fliegen können. Schon bald würden sie mich einholen...Und dann wäre alles vorbei...

Bevor ich weiter überlegen konnte, flog ich einfach direkt in ein Haus hinein in der Hoffnung, es sei unbewohnt, da ich mich ja immer noch im Zaubererviertel befand. Durch ein Fenster sah ich viele Wölfe, die einfach an dem Haus vorbei rannten.

Erleichtert atmete ich aus, da ich nun endlich in Sicherheit war. Aber besser sollte ich lieber noch eine Minute warten, damit ich auch wirklich sicher war.

Ich sah mich ein wenig in dem Raum um, in dem ich mich befand. Er war schön eingerichtet, aber anders als ich es sonst kannte. Man erkannte die chaotische Handschrift eines Zauberers, wie auch bei den Dächern wieder. In der Mitte des Raumes war ein kleiner Tisch mit drei Stühlen. Am Rande stand eine Küchenzeile, ich glaubte jedenfalls, dass sie eine war, mit mehreren interessanten Küchengeräten. Viele von ihnen gab es damals noch nicht bei meinem alten Zuhause. Die Wände waren in einem hellen grau gehalten und wurden mit kunterbunten, nicht zusammenpassenden Gardinen und Vorhängen geschmückt. Der Wohnungseigentümer hatte mit Bildern auch nicht gefastet. Um eine Ecke herum führte der Raum weiter und wechselte von Küchenfliesen zu einem Parkettboden. Auf ihm stand ein Sofa, ebenfalls in grau, aber mit bunten Kissen. Gegenüber von dem Sofa war ein kleiner Schrank mit einem Apparat darauf. Ich erkannte ihn wieder, da er bei Layla auch stand. Dieser Apparat war ein Fernseher. Auf einem kleinen Beistelltisch lag die Fernbedienung. Alles war recht schrill, modern und viel bunter, als bei Layla oder früher bei mir in Cerkwallmanor.

Plötzlich drang eine Stimme an mein Ohr. Sie kam von oben, was bedeutete, dass ich nicht allein war. Erschrocken drehte ich mich um. Was sollte ich denn jetzt machen?

Anscheinend hatte er oder sie vor nach unten zu gehen, weshalb ich schnell hier raus musste. Bevor mir etwas anderes einfiel, schwebte ich auch schon aus der Wohnung heraus auf die Straße. Zum Glück waren die fünf werten Herren weit weg, weshalb ich glücklicherweise wieder sicher war. Durch ein Fenster konnte ich beobachten wer der oder die Wohnungsbesitzer war. Zuerst sah ich nur den Rücken der Wohnungsbesitzerin, einer normal großen Frau mit bunt gefärbten Haaren, ehe sie den Kopf ein Stück weit zum Fenster drehte. Es war Daisy!

Sie telefonierte angeregt mit jemandem und schmiss sich auf das Sofa. Hin und wieder drehte sie ihre pinken Haare um den Finger und lachte.

Die Angst verschwand. Selbst, wenn Daisy mich gesehen hätte, hätte sie mich nicht an den Untergrund verraten. Da war ich mir sicher.

Ich beschloss, dass ich genug gesehen hatte und mich auf den Heimweg zu machen, schließlich war es schon ziemlich spät und wir mussten morgen früh raus. Allerdings hatten wir einen Vorteil, da wir nicht schlafen konnten und so auch nicht müde wurden. Schließlich war ich ein Geist und dazu verdammt für alle Zeiten herum zu spuken.

Nachdenklich dachte ich an das Treffen zurück. Warum hatten sie das Treffen in aller Öffentlichkeit auf dem Marktplatz abgehalten, sodass jeder zuhören konnte, wenn der Inhalt des Gesprächs nicht für fremde Ohren gedacht war und warum hatten sie es zu der Uhrzeit dort abgehalten, wann so gut wie keiner auf dem Marktplatz war, aber dennoch jeder die Möglichkeit hatte zu lauschen, statt es in einem geschlossenen Raum abzuhalten?

Nun folgte ich der Straße immer weiter, bis Arthurs Hollow endlich in Sicht kam. Bei unserem Anwesen war glücklicherweise kein Anzeichen davon, dass die Herren oder Wölfe mich erkannt hatten. Mucksmäuschenstill betrat ich unser Haus, sehr darauf bedacht nicht erwischt zu werden. Da mir bewusst war, dass die Treppen laut knarrten beschloss ich, hinauf zu schweben, um ja kein Risiko einzugehen. Oben angekommen betrachtete ich den Flur. Sofort öffnete ich die dritte Tür links und verschwand in mein Zimmer.

Nachdem ich die Tür hinter mir schloss setzte ich mich auf mein Bett und dachte noch einmal gründlich über das Geschehen nach.

Jeder von uns vier Kindern gehörte einem der Erwachsenen an und Mr. Shepard war ihr offizieller Chef in der Öffentlichkeit, obwohl ich mir sicher war, dass der Teufel nicht wirklich viel über sich bestimmen ließ. Jedenfalls war Mr. Shepard der Minister von Screenwich oder halt dem Untergrund, wie sich anscheinend der Rat der älteren Herren nannte.

Das bedeutete aber auch, dass es wahrscheinlich schon viele Jahre feststand, dass wir Kinder am 31. Oktober in der Menschenwelt alle erschrecken sollten und es ein ewiger Kreislauf war, für den wir bestimmt waren.

Aber was war der Grund, warum sie mich erwählt hatten? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie in einem bestimmten Buch der Bibliothek wahllos einen Namen meiner Ahnengeschichte rauspickten und ich dabei zufällig herausgekommen war. Jedoch war es auch eher unwahrscheinlich, dass sie nur nach dem gleichen Nachnamen gegangen waren. Immerhin besaßen weder Paul noch Layla den exakten Nachnamen ihrer Großväter.

Aber warum haben sie mich dann ausgewählt, wenn es nicht um den Nachnamen ging? Schließlich hätten sie genauso gut einen anderen Geist in meinem Alter aussuchen können.

Außerdem hatte ich manchmal immer noch das Gefühl, hier nicht hin zu gehören. Falsch. An diesem Tag war ich mir sicher, nicht dorthin zu gehören.

Dann überlegte ich weiter, doch je mehr Zeit verging, desto sicherer wurde ich mir, dass es alles nur Spekulationen waren und ich mir keineswegs sicher war, welche Theorie nun wirklich stimmte.

Plötzlich wurde mir auch wieder bewusst, was ich in den letzten Wochen alles verbrochen hatte. Ich war in eine Bibliothek eingebrochen, hatte den Rat der älteren Herren belauscht und hatte mich im Fenriswald verlaufen, wodurch ich die anderen in Gefahr gebracht hatte! Schreckliche Schuldgefühle bildeten sich in mir und ich versuchte erst gar nicht sie loszuwerden. Schließlich würde es eh nichts nützen. Diese Welt hatte negative Auswirkungen auf den Charakter und den Menschen selbst. Ich war das beste Beispiel dafür, wo ich doch zu meiner Lebenszeit nie etwas dergleichen verbrochen hatte.

Früher wollte ich es immer allen Leuten Recht machen und hatte nach meinem Wohl immer zuletzt gesehen, nun hatte ich andere Menschen belogen und ausspioniert! Und wie würde es morgen wohl zugehen? Würden meine Mitschüler mich mögen, oder womöglich sogar hassen?

Da riss meine Mutter mich plötzlich aus meinen Gedanken, indem sie an die Tür klopfte.

„Herein", wies ich sie an. Ich merkte an ihrem Klopfen, zaghaft und melodisch, dass sie es war.

Sie steckte ihren Kopf durch die Tür und trat ein. „Wie war dein Tag heute, Schatz?"

„Sehr gut. Danke der Nachfrage. Heute hatten wir den letzten Unterrichtstag und morgen geht es für mich zurück in die Menschenwelt", erwiderte ich.

„Bist du nervös?", fragte sie mich verständnisvoll und ich nickte nur.

„Komm doch noch ein wenig zu deinem Vater und mir in den Saal", versuchte sie mich zu überreden und ich willigte ein, da ich einen Gedankenwechsel im Moment gut gebrauchen konnte.

Dennoch ging mir eine Frage nicht aus dem Kopf.

Was hat der Teufel beabsichtigt, als er sagte: „Es gibt nur eine Welt zu regieren und diese ist die unsere!"?

Gab es mehrere Welten, mehrere Ansichten allein nur in Screenwich?

Welches Ziel beabsichtigte er und warum verstanden ihn alle, bis auf ich?

Gab es eine Erklärung?

Fate And The Present- Die AuserwählteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt