Kapitel 41: Eine etwas zu anstrengende Freundin

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Sichtwechsel: Paul

„Guten Tag, Vater!"

„Guten Tag, Sohn!"

„Guten Tag, Mutter!"

„Guten Tag, Sohn!", begrüßten wir uns monoton innerhalb unserer Familie.

Genau so fiel jegliche Unterhaltung bei uns aus. Kaltherzig. Freude war hier ein Fremdwort einer Sprache, die wir nicht sprachen und niemals lernen wollten. Im Leben wurde einem nichts geschenkt, nur allein war man stark, da man durch Freunde auch Schwächen hatte und genau die durfte ein Dämon nie haben.

Ironischer Weise waren es trotzdem gerade meine Eltern, die wollten, dass ich mit Jessica zusammenkam. Ich war der einzige Dämon, der jemals Freunde hatte oder hat. Ausgerechnet ich. Der Enkel des Teufels.

Aber als richtige Freunde konnte man Rose und die anderen nicht bezeichnen. Es war mehr eine enge Bekanntschaft zwischen uns. Nur gute Bekannte und sonst nichts weiter. Wenigstens hatten sie nichts gegen Jessica, mal abgesehen von Layla, obwohl ich zugeben musste, dass Jessica schon oft recht schwierig war. Allerdings kannte ich mich mit den sogenannten Gefühlen auch nicht sonderlich gut aus. Immerhin wusste ich, dass ich Jessica fast genauso annehmbar wie meine Eltern fand, also dachte ich mal, dass ich mit einer Beziehung nicht viel falsch machen konnte, sofern sie von Nöten für das Land und die Politik war.

Wir waren gerade beim Abendessen, meine Eltern und ich, als ich plötzlich von meinem klingelnden Handy gestört wurde.

Als ich einen Blick auf das Display sah, stöhnte ich genervt. Wer sollte es auch anders sein. Es war natürlich Jessica.

Schnell warf ich meinen Eltern einen entschuldigenden Blick zu und, nachdem mein Vater sagte, ich dürfe aufstehen, verzog ich mich dann auf mein Zimmer.

„Hallo Jessica. Wie geht es dir?", fragte ich.

„Um ehrlich zu sein, schlecht", erwiderte sie mürrisch.

„Warum? Was ist los?"

„Alles ist los! Zuerst haben wir eine Mathematikarbeit wiedergekriegt, wo ich eine vier drin hab. Dann habe ich die Lehrerin drauf angesprochen. Doch die meinte nur ‚Wenn du mehr lernen würdest und dein Geld für einen Nachhilfelehrer statt für deine Klamotten ausgeben würdest, hättest du bestimmt bessere Zeugnisnoten und würdest wesentlich mehr davon profitieren'. Bla bla bla. Hat die sie noch alle? Versteht die denn nicht, dass ich die anderen Mädchen modisch beraten muss, weil sie mich ständig darum bitten. Ich habe alle Mädchen die gesamten letzten Wochen beraten und extra meinen eigenen Blog dafür aufgemacht. Ich hätte gedacht, dass ich auf die Titelseite gekommen bin, aber stattdessen steht da ja nur wieder was über den Chemiewettbewerb", und nach einer Atempause setzte sie hinzu, „und darüber, dass ihr von der Schule geht. Schön, dass ich das als deine Freundin erst jetzt erfahre. Echt großartig! Außerdem gibt es in der Cafeteria von unserer Schule so oft ungesundes und fettiges Zeug. Wollen die uns vergiften? Burger mit Pommes. Igitt! Ich wiege ja jetzt schon zwei Kilo über dem Untergewicht. Und einen Pickel habe ich auch noch, weswegen ich heute auch mit Sophie shoppen war. Ich habe mir ein kurzes Schwarzes gekauft. Bald ist ja die coole Party von der jeder auf dem Schulhof spricht. Ob Mum mir wohl erlaubt, dass Kleid zu tragen? Wenn nicht, kann ich das ja einfach heimlich mitnehmen. Ich habe eigentlich gedacht, dass wir zusammen zur Party gehen können. Wir zwei in einem Doppeldate mit Sophie und Jake, verstehst du? Normalerweise hätte ich ja jetzt gefragt, ob du Lust hast. Du hättest dann ja gesagt. Dann hätte ich gefragt, ob du die Hausaufgaben schon hast und dann hatte ich meine Frage selbst beantwortet und die bei dir abgeschrieben. Dann hätte ich gefragt, wie es denn so in Screenwich läuft. Uns geht's prima, na ja, mir nicht so. Aber die Gründe kennst du ja. Ich muss gleich auch noch mein Zimmer aufräumen. Hier sieht's mal wieder aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen. Aber das alles geht ja jetzt nicht mehr, nicht wahr? Weil du verdammt nochmal die Schule wechselst und mir nichts davon sagst, geschweige denn überhaupt mit mir redest oder einen Grund dafür nennst. Oh, du fehlst mir so. Und ich liebe dich so. Bitte verlass mich nicht. Das meine ich ernst. Sag doch auch mal was dazu. Oh, stimmt. Bevor ich es vergesse. Weißt du was? Warum treffen wir uns nicht mal wieder. Frag mal eben, ob ich zu dir kommen darf. Die Hölle ist voll cool. Irgendwann könnte ich ja sogar bei dir einziehen. Ich meine, nur wenn du willst. Deine Eltern haben bestimmt nichts dagegen. Glaube ich zumindest. Jedenfalls ist es ja schon so lange her, seitdem ich das letzte Mal da war. Das ist doch eine super Idee. Frag doch, bitte. Bitte, bitte, bitte. Ich liebe dich ja so. Und ich will für immer mit dir zusammen sein. Wann genau geht ihr jetzt überhaupt. Einen Grund für euer Verschwinden hast du mir immer noch nicht genannt. Warum könnt ihr denn jetzt nicht mehr zur Schule? Unternehmt ihr eine Reise? Wenn ja, komme ich wohl mit. Ich bin in vielen Dingen gut. Ehrlich. Und ich kann sehr überzeugend sein. Wie wäre es, wenn du auch mal etwas sagst", plapperte Jessica.

„Unsere Pläne sind erst kurzfristig entstanden. Auf die Party werde ich nicht gehen können, und Jake genauso wenig. Was deine anderen Probleme betrifft, so musst du wohl alleine damit fertig werden. Ich bin äußerst beschäftigt. Wir werden aus Screenwich verschwinden für eine gewisse Zeit. Und wir werden nicht erreichbar sein. Und um ehrlich zu sein bin ich mir nicht hundertprozentig sicher, ob wir diese Reise überhaupt überleben. Mehr darf, kann und werde ich dir nicht sagen, aber wir werden uns bestimmt irgendwann wiedersehen."

„Versprichst du es mir? Ich liebe dich ja so. Und ich werde dich so schrecklich vermissen. Aber vielleicht schaffst du es ja doch noch auf die Party. Sowas darf man nicht einfach so versäumen."

„Ich werde diese Party nicht besuchen, Jessica", entgegnete ich ihr bestimmt.

Leicht gereizt sagte sie: „Überleg es dir wenigstens noch einmal. Und was soll ich überhaupt die ganzen Tage ohne dich machen? Du fehlst mir ja jetzt schon so."

„Mache doch das, was du am besten kannst. Ich muss jetzt wirklich auflegen."

„Okay. Du fehlst mir. Pass auf dich auf. Sei du selbst. Liebe mich so sehr wie ich dich liebe. Und viel Glück. Ich liebe dich. Tschüssi. Auf Wiedersehen! Bis bald. Alles Gute!"

„Bis dann", antwortete ich bloß und legte endlich auf.

Nun sah ich auf die Uhr. In zehn Minuten würden wir uns treffen. Eilig holte ich einen großen Rucksack aus meinem Schrank. In ihm befand sich Essen, Trinken, zwei Bücher über dunkle Magie und eine Isomatte mitsamt Schlafsack. Ehe ich jedoch los teleportierte, verschwand ich schnell zu meinen Eltern um ihnen zu sagen, dass ich mich mit meinen Freunden treffen würde.

Im Grunde genommen war das die reine Wahrheit. Ich hatte lediglich ein kleines Detail verschwiegen.

Vater nickte nur ohne von der Zeitung aufzusehen. Mutter lächelte mir kurz zu und wandte dann den Blick ab. Kurz tat es mir leid, sie mit den Monstern in der Hölle allein zu lassen. Dann jedoch wandte ich den Blick ab und schloss die Tür.

Jetzt gab es kein Zurück mehr.

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