Kapitel 53: Es war nicht das Moor

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Sichtwechsel: Rose

Düster legte sich ein Schatten über den Ort. Dunkler Nebel stieg auf und umhüllte diesen Ort in eine Oase völliger Dunkelheit. Das weiß des Himmels verdeckt von den Ebenholz gleichen Bäumen, an denen keine Blüte je Anklang finden würde. Der Boden von Wurzeln und Schlingen übersät, so dunkel und kalt, ganz hart. Vereinzelte Gräser, kaputt und abgebrochen durch die Kälte, lagen lose auf dem Boden verteilt, gefroren oder von Dreck umzogen. Das Kreischen von hungrigen Raben hallte von weiter Ferne bis in unsere Ohren. Ein Kirchturm, zerfallen und schäbig, ragte deutlich von den Baumwipfeln ab und wenige Meter von mir entfernt befand sich ein dunkles, rostiges Tor, welches einen Spalt breit geöffnet war. Ich schluckte vorsichtig. Ein Schauer jagte mir bei diesem Anblick den Rücken hinunter und mich beschlich eine ungute Vorahnung. Ich bekam panische Angst. Es war nicht das Moor oder was auch immer wir hätten erreichen können.

„Es ist der Friedhof", sagte Paul gefasst. Seine Stimme war fest und zuverlässig. Er beruhigte mich etwas. Die anderen dachten doch wohl nicht etwa daran, ihn wirklich zu passieren?

„Aber, wir können nicht... Ich meine, es ist der Friedhof!", flüsterte ich ehrfürchtig. Meine Stimme bebte und nur langsam schaffte ich es, mich von diesem Anblick loszureißen, um stattdessen in das Gesicht meiner Freunde zu blicken.

„Rose, reiß dich zusammen! Wir gehen da jetzt durch. Die müssten eigentlich Angst vor uns haben. Schließlich bin ich die Enkelin von Dracula. Und wir haben hier alle jemanden Berühmtes, von dem wir abstammen. Dir kann ja eh nichts passieren. Und wir anderen drei kriegen das schon irgendwie hin. Zur Not kannst du ja zu unserem Grabstein sagen: Ich habe es euch ja gesagt. Vielleicht geht's dir dann ja besser", meinte Layla. Auch, wenn Layla es vielleicht gut meinte, so beabsichtigte sie nur das Gegenteil, als das ich aufhören würde, mir Sorgen um meine Freunde zu machen. Paul warf ihr einen mahnenden Blick zu.

„Was sie sagen wollte", erklärte er beruhigend, „war, dass uns nichts passieren wird. Ehrlich nicht. Jeder besitzt genügend Techniken, darunter auch unsere Kräfte, sich zu verteidigen. Mach dir keine Sorgen um uns."

Schnell schüttelte ich den Kopf. „Eben nicht. Keiner von euch hat sich so oft wie ich durchgelesen, welche Gefahren dort alle auf uns warten werden. Und du, Paul, solltest eigentlich von uns allen am besten wissen, dass alle eure Kräfte geschwächt sind. Vor allem deine. Du hast uns innerhalb der letzten Wochen schon etliche Male teleportiert. Und wenn ich euch zwei erinnern darf", diesmal sah ich abwechselnd von Layla zu Jake, „so habt ihr noch vor zwei Minuten ein Wettrennen über ein paar Kilometer veranstaltet. Ich weiß, dass ich manchmal falsch liege, zu ängstlich, naiv und gutgläubig bin, und mir auch ganz oft zu viele Gedanken mache, aber heute ist das definitiv zu gefährlich für euch."

„Du kannst nicht für uns entscheiden", beschloss Layla sofort. „Ich gehe da jetzt rein! Ob mit, oder ohne dich!" Sie schien ziemlich wütend zu sein, und marschierte tatsächlich ohne zu zögern auf das rostige Eisentor zu. „Kommt ihr jetzt mit?"

Leider wusste ich nur zu gut, dass Layla eine eigenwillige Person war. Ich wusste, dass sie sehr eigen war, manchmal vorlaut, dass sie sehr gut fluchen konnte, ihr die Meinung der anderen egal war, und ich wusste auch, dass niemand sie von ihrer Meinung abbringen würde. Und das niemals. Ich wusste, dass sie das nicht überleben würde ohne uns. Egal, was sie auch behauptete. Und ich wusste auch, dass ich es niemals übers Herz bringen würde, und ich war mir sicher, dass es bei den Jungs genau so war, sie alleine zu lassen. Vor allem nicht, weil ich genau wusste, dass schlimme Gefahren auf sie warten würden. Und sie konnten meinen Freunden etwas anhaben, also musste ich sie beschützen. Das war das Einzige, was zählte.

„Also, nun gut. Ich komme mit", entschloss ich mich, noch bevor Layla das Eisentor hinter sich gelassen hatte. Hoffentlich würde ich diese Entscheidung nicht bereuen. Paul und Jake willigten widerwillig ein. Dann schoben sie das quietschende Eisentor beiseite.

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