Sichtwechsel: Rose
Sorgfältig schrieb ich den letzten Satz auf die Ansammlung von Blättern in meinen Händen. Meine neue Geschichtsmappe hatte um einige Blätter zugenommen. Layla lag mit geschlossenen Augen und zurückgelegtem Kopf auf dem Stuhl. Dennoch wusste ich, dass sie nicht schlief. Das tat sie nie.
Eine böse Vorahnung beschlich mich, dass sie jederzeit aufspringen würde, sie könnte es zumindest. Allein das würde mein Herz für einen Moment aussetzen lassen, obwohl es schon jetzt nicht mehr schlug.
Ein Schauer glitt mir den Rücken hinunter, als ich zurück an die Zeichnung dachte, die mir noch genau so lebendig vor Augen war wie vor wenigen Stunden. Meine in Flammen stehende Gestalt brannte sich in meinen Kopf ein und ließ mich nicht mehr los.
Ich verstand sie, was mich anging. Der Gedanke ein fremdes Mädchen sterben zu sehen, dass ihr viele Schwierigkeiten bereitet hatte, mochte für sie verlockend sein und es zu töten, mich zu töten, womöglich völlig normal und auch gar nicht weiter tragisch. Zumindest, wenn man von der Tatsache absah, dass ich ein schon bereits verstorbener Mensch und die Auserwählte noch dazu, und somit aus irgendeinem unbekannten Grund, von Nöten für den Untergrund war. Doch, wie konnte sie sich allein nur vorstellen, geschweige denn gar in Betracht ziehen, ihre Eltern, ihre Freunde, die sie alle ihr Leben lang kannte, umzubringen wie Tiere? Selbst, wenn ich mein Leben in Screenwich seit der Geburt verbracht hätte, böses Blut in meinen Adern geflossen hätte, alle Welt es mir befohlen hätte, niemals hätte ich es mir auch nur vorgestellt, das wusste ich. Und meine Liebe zu meinen Eltern war auch das Einzige, was ich wusste und woran ich noch glauben konnte, weil sich alles andere, dass ich gelernt hatte als bloße Verschwendung erwies.
Schließlich blickte ich von meinem Blatt hoch. Layla murmelte etwas Unverständliches unter der Mütze über ihrem Gesicht, die mir recht neu schien.
„Wie bitte?", wollte ich wissen.
„Deine Eltern sind da."
Entgeistert prüfte ich, ob die Mütze lichtdurchlässig war. Wie hatte sie das bloß bemerkt?
„Glaub mir oder lass es sein. Guck doch selbst nach."
Alarmiert sprang ich auf und drehte meinen Kopf in alle Richtungen. Ich konnte kaum atmen vor Aufregung endlich meine Eltern wiederzusehen. Alles fühlte sich schrecklich fremd an. Meine Augen nahmen unzählige Reporter hinter der Absperrung war. Madam Bouchet besprach etwas mit Daisy. Es herrschte Aufbruchsstimmung unter uns. Die Jungs suchten ihre Sachen zusammen. Layla blieb untätig sitzen.
Die Reporter begannen aufgeregt zu knipsen. Ich starrte hoffnungsvoll in die Menge, bemühte mich trotzdem nicht zu auffällig zu sein. Röte stieg mir in die Wangen und verlieh meinem Gesicht etwas Farbe. Pikiert lächelte ich, suchte jedoch weiter.
Endlich erblickte ich meinen Vater, wie er Mr. Shepard zur Begrüßung die Hand reichte. Meine Mutter stand höflich daneben. Offenbar hatten sie mich noch nicht entdeckt. Erleichtert kam ich mit einem breiten Lächeln auf sie zu.
„Mutter, Vater! Hier bin ich", sagte ich leise, damit nicht jeder alles hörte.
Meine Mutter drehte sich um und kam mit einem noch breiteren Lächeln auf mich zu. „Roselia", rief sie. Für einen kurzen Moment vergaß ich all die Leute um uns herum.
„Wie geht es euch? Was habt ihr getan? Was ist mit dem Haus? Ist es annehmbar? Wie ist es euch ergangen? Die Anprobe? Habt ihr schon jemanden kennengelernt? Und wisst ihr genaueres als ich über alles? Was ist mit den Menschen? Oh, ich habe so viele Fragen..."
Mutter lachte. Ihre fröhliche, wohltuende Stimme linderte meinen Redefluss, wofür ich wirklich dankbar war.
Vater kam mit Mr. Shepard im Schlepptau angelaufen. „Roselia, ich bin froh, dass es dir gut geht. Bald wirst du genaueres erfahren." Nach einer Weile fügte er etwas weniger enthusiastisch hinzu: „Ich bin nur gespannt, wie wir den Alltag meistern werden. Immerhin habe ich nun keine Arbeit mehr." Sofort hörte ich die Traurigkeit in seiner Stimme heraus. Vater hatte seine alte Stellung und seinen Platz im Leben wahrlich geliebt.
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Fate And The Present- Die Auserwählte
FantasyGut ist nicht gleich gut und böse ist nicht gleich böse. Aber wer bist du wirklich, wenn die Grenzen verschwimmen? Was soll Rose nur tun? Es ist nicht nur so, dass die 16-jährige Adelige aus dem beginnenden 17. Jahrhundert gestorben ist...Nein, jetz...