Kapitel 12: Fesseln

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Sichtwechsel: Rose

Mit jedem weiteren Tag, der vergeht, fühlt sich alles unwirklicher an. Jeden Tag kommt Madam Bouchet vorbei um mich weiter zu unterrichten und bringt uns Nachrichten von weiteren Übergriffen im ganzen Land.

Ich wage es nicht es auszusprechen, auch, wenn ich glaube, dass es hier tatsächlich einen Bürgerkrieg gibt, weil sich die verschiedenen Arten untereinander beschuldigen, Rebellen zu sein. Misstrauen unter Freunden und Nachbarn scheint hier von nun an normal zu sein.

Madam Bouchet sagt sogar, dass selbst die Morde sich unüblicher weise verdoppelt haben. Die Bürger gehen ohne handfeste Beweise aufeinander los und schlachten sich ohne Recht gegenseitig ab. Was ist dahinter die Logik?

In Zeiten wie diesen denke ich, dass es vielleicht gar nicht so schlecht ist, dass ich nicht hinaus darf, aber das wäre eine Lüge, weil sich meine vier Wände wie eine erdrückende Qual anfühlen und manchmal denke ich sogar, dass sich das Zimmer verkleinert bei jeder weiteren Sekunde, die ich hier verbringe. Unsichtbare Fesseln halten mich zurück.

Was das Lernen angeht, bin ich schon recht viel weiter gekommen. Ich kann mit sozialen Netzwerken umgehen, dem Internet, Handy und Laptop, kenne mich mit neuartigen Erfindungen aus und lerne so viel ich nun einmal kann über die Schule. Geschichte, Englisch, Französisch, Musik und Spanisch beherrsche ich nun, aber natürlich gibt es viel mehr zu lernen als nur diese Sprachen, die ich eigentlich nur etwas auffrischen musste.

Bei den Naturwissenschaften scheint mein Wissen gleich null zu sein und auch Erdkunde, Mathematik und Politik muss ich lernen. Hinzukommend das Grundwissen aller Leute in Screenwich.

Aber meine Gedanken drehen sich nicht nur um das Lernen, wie ginge das denn auch bei den derzeitigen Umständen?

Ich wage es gar nicht, mir auszumalen, wie es Layla wohl ergehen wird. Und auch bei Paul und Jake bezweifle ich, dass sie straflos davonkommen.

Die gesamte Situation ist schrecklich. Alles scheint schrecklich zu sein.

Einerseits bin ich Madam Bouchet dankbar, dass sie jeden Tag herkommt, um mir beim Lernen zu helfen, andererseits beklemmt mich die Tatsache, dass sie die einzige Person ist, die eine Brücke zwischen dem echten Leben da draußen zwischen all den Explosionen und Aufständen und mir in dieser erdrückenden Villa bildet.

Das einzige, was ich möchte, ist, dass ich so schnell wie möglich Normalität finden will, um diese Zeit hier zu überleben. Die Zeit, die nie zu Ende sein wird.

Ich will, dass das Morden und die Verbrechen und diese Explosionen aufhören. Ich will, dass die Regierung den Rebellierenden zuhört, was sie zu sagen haben. Ich will Normalität. Aber eigentlich will ich etwas, was unmöglich ist. Ich will Frieden. Und mit dem Untergrund wird es niemals Frieden geben.

Wie lange ich in diesem Käfig vom Untergrund versteckt werde, hängt fürchte ich davon ab, wie lange Layla eingesperrt sein wird. Wenn sie frei kommt, muss ich mit meinem Lernstoff durch sein. Ich hoffe sehr, dass sie ihre Zeit nicht zu lange hinaus zögert. Denn solange diese Aufstände noch da draußen sind und Layla noch eingesperrt ist, solange werde ich nicht hinaus können, obwohl ich es nicht ganz verstehe.

Offenbar weiß der Untergrund vieles, was ich nicht weiß. Denn er will nicht, aus welchem Grund auch immer, dass ich dieses Haus verlasse. Ich habe Angst, weil ich weiß, dass mir an Orten, wo ich es nicht für möglich halte, doch jederzeit durch eine Geisterfalle oder sonst durch irgendwas etwas passieren kann, obwohl ich mich noch in Sicherheit glaube in diesem Moment.

Es war einfacher, als ich noch ein normaler Mensch war. Da wusste ich, dass mir überall etwas geschehen kann. Hier nur an besonderen orten, was gerade schlimm ist, weil ich mich nie ganz in Sicherheit oder Unwissenheit bewege.

Fate And The Present- Die AuserwählteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt