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Das Sylvesterfest verbringt Mikesch wohl verborgen in seinem Kellerloch. Hier unten klingt die Böllerei nicht ganz so bedrohlich wie oben in den Strassen und ausserdem kann er seinen Katzenkindern beistehen die sich vor der wilden Knallerei eben so sehr fürchten wie Mikesch selber. Leider haben Mikesch und seine Katzenfamilie nicht mit Hasso und seinen Jungs gerechnet. Die finden die Knallerei keineswegs schrecklich und sie haben wilden Spass an selbstgebauten Böllern. Die werfen sie in Kellerfenster und freuen sich wenn die erschrockenen Hausbewohner bald die Feuerwehr rufen müssen weil ihr Keller brennt. Dieses Jahr haben sich die Jungs ausgerechnet die alte Lagerhalle ausgesucht. "Das macht doch viel mehr Spass wenn sich das Feuer erst richtig ausbreiten kann bevor es entdeckt wird!" jauchzen sie und halten sich für kluge Kerle. Gesagt, getan. Pünktlich um Mitternacht landet die selbstgebaute Bombe mitten in Mikeschs zu Hause und zerfetzt Amy und ihre Welpen die sie gerade gesäugt hat. Mikesch schreit und weint aber das hört Amy nicht mehr. "Amy! Nein!" jammert der kleine Junge und realisiert dann dass er mitten in einem Inferno steckt. Rasch schnappt er sich seinen Rucksack, prüft ob Lucky noch sicher in seiner Tasche ist und nimmt dann die beiden Welpen die nicht bei Amy getrunken haben. Er schiebt einen zu Lucky in die Tasche und setzt den anderen in seine Kapuze. Dann hangelt sich Mikesch das Regal hinauf und schlüpft durch das schmale Kellerfenster. Hasso und seine Jungs johlen laut. Sie finden es zum schreien komisch dass ein Menschlein dem Inferno entflieht das sie angerichtet haben. Natürlich lassen sie den Jungen nicht durch. Eng ziehen sie den Kreis um Mikesch und der schaut sich hastig um wo hin er sich denn nun retten könnte. Natürlich kann er sich nicht retten und bald ist er von den hühnenhaften Kerlen nicht nur umringt sondern wird auch noch von ihnen fest gehalten. "Was haben wir denn da für eine Ratte?" will einer wissen. "Wohnst du in dem Loch?" fragt jemand anders. Mikesch kann gar nicht antworten da hat ihm schon einer das laut fauchende Kätzchen aus seiner Kapuze gerissen. "Was hast du denn da?" fragt derjenige und hält das Katzenkind am Nackenfell hoch. "Gib mir den kleinen Kater wieder her!" schreit Mikesch panisch doch sein Gegenüber grinst nur und hält das Kind noch höher. "Und wenn nicht?" fragt er hämisch und wirft das Katzenkind wieder durch das Kellerfenster. Mikesch tritt und windet sich und weil derjenige der ihn festgehalten hat nicht aufgepasst hat ist Mikesch plötzlich wieder frei. In Panik springt er wieder durch das Kellerfenster und findet den kleinen Kater maunzend und zitternd zwischen all den brennenden Kisten. Hastig nimmt Mikesch den kleinen Kerl und da es keinen anderen Ausweg gibt muss er wieder die Regale hinauf klettern und durch das Kellerfenster schlüpfen. Dort lässt er die Katzenkinder auf den Boden und faucht ihnen zu dass sie so schnell sie können abhauen sollen. Das lassen sich die drei nicht zwei mal sagen und ehe die Bande von Hasso merkt dass Mikesch wieder aus dem Fenster klettert sind die Katzen durch ihre Beine geschlüpft und weg gerannt. Mikesch betet dass sie sich zu ihrem Bruder durchschlagen und dort erst einmal bleiben können. Was ihm nun blüht hätte sich der kleine Junge nie ausdenken können. Hassos Jungs schlagen ihn nach allen Regeln der Kunst zusammen. Mikesch ist klein und dürr. Er ist bisher allen Konflikten aus dem Weg gegangen. Er kann nicht zuhauen und sich gegen so grosse Kerle zu behaupten erst recht nicht. Als er droht ohnmächtig zu werden stoppt Hasso plötzlich seine Jungs. "Ich höre die Sirenen! Lass uns verschwinden!" sagt er und dann hebt er den entsetzlich blutenden Mikesch von der Erde auf. "Was hast du mit dem kleinen Kerl vor?" fragt einer der Jungs und Hasso blafft den an: "Der Rotzige hat uns gesehen. Meinst du ich lasse ihn zurück damit der uns verpfeift?" Damit wird Mikesch über eine harte Schulter geworfen und er verliert sich in der Gnade der Ohnmacht.

Als Mikesch wieder aufwacht ist er in einem der weichsten Betten in denen er jemals gelegen hat. Wahnsinns Gefühl. Mikesch rollt sich in die Decke ein und schliesst noch einmal wohlig seine Augen. Egal wo er ist, es ist ein angenehmes Gefühl einmal kein Regalbrett als Matratze zu haben. Während er sich schnurrend in die Decke einrollt hört er neben sich ein heiseres Knurren. "Wenn du mir meine Decke klaust hast du ein Problem!" hört er und deshalb hält Mikesch in seinen Bewegungen inne. Sofort wird er aus der Decke wieder ausgewickelt und der Besitzer legt sie locker um sich und Mikesch. Dann spürt Mikesch zwei starke Arme die ihn näher an einen Körper ziehen. Mikesch hält die Luft an. Wer zur Hölle ist das? Vorsichtig öffnet Mikesch seine Augen. Er kann im Dunkeln gut sehen, dank seines Katzenerbes. Er sieht einen Raum in dem viele viele betten wie Regale stehen. In jedem der Betten liegen zwei Jungen und schlafen. Ein Fenster ist in dem Raum aber die Vorhänge sind zugezogen. Etwa fünf dieser Etagenbetten kann Mikesch zählen und die Jungs schnarchen um die Wette. Bald wacht einer auf und steht auf. Kurze Zeit später kommt er wieder und krabbelt in sein Bett. Was der Junge wohl gemacht hat? Mikesch weiss es nicht. Sein Kopf und sein Körper schmerzen höllisch und weil es so laut ist kann er auch nicht mehr schlafen. Mikesch macht sich grosse Sorgen um seine drei Katzenbabys. Leise fängt er an zu schluchzen. Er will niemanden wecken aber der Junge hinter ihm wacht natürlich dennoch auf. "Was ist?" fragt die raue Stimme verschlafen. "Nix." antwortet Mikesch leise schniefend. "Für nix brauchst du nicht zu heulen." sagt die Stimme nun belustigt. "Mir tut alles weh." gibt Mikesch zu und der grosse Junge setzt sich auf. "Komm mit." sagt er leise und Mikesch folgt dem grossen nach draussen auf den spärlich beleuchteten Flur. Dann führt ihn der Junge in ein Badezimmer und schaltet das Licht ein. Zischend zieht Mikesch die Luft ein. Das grelle Licht schmerzt in seinen Augen und er kneift sie zu. "Du bist ganz schön verbeult, lass mich mal sehen." sagt der grosse Junge mit seiner rauen Stimme. Mikesch öffnet seine Augen und fast wäre ihm das Herz stehen geblieben. Hasso höchst persönlich steht mit einem kleinen Arztköfferchen bewaffnet vor ihm. Sanft tupft er Mikeschs Gesicht und Arme mit dem Desinfektionsmittel ab. Auf die schlimmsten Wunden klebt er einige Pflaster. Bald sieht Mikesch wie eine Litfaßsäule aus. Dann gibt Hasso Mikesch eine kleine weisse Tablette. "Wenn du die schluckst dann hören deine Schmerzen bald auf. Mikesch nimmt die Tablette und versucht sie zu schlucken. Doch das blöde Ding klebt in seinem Mund und hinterlässt einen bittren Geschmack. "Nimm etwas Wasser!" sagt Hasso und deutet auf den Wasserhahn. Mikesch staunt dass Hasso in so einem noblen Haus mit fliessendem Wasser wohnt. Er öffnet den Hahn und schlürft einige Schlucke. Dann merkt er dass Hasso sich ans Pissoir gestellt hat und pullert. Mikeschs Blase drückt ebenfalls und darum stellt sich der kleine Junge neben den grossen. Hasso schaut zu dem kleinen hinunter und er sieht die Katzenohren in Mikeschs Haaren blitzen. Als er fertig gepullert hat fährt er mit der Hand sanft über Mikeschs Kopf. "Bist nen Kätzchen, was?" brummt er und Mikesch wird rot. "Ich bin ein Kater!" sagt er empört aber auch verschämt. Bestimmt wird Hasso ihn nun zum Teufel jagen. Dann könnte er zwar nicht mehr in Hassos weichem Bett schlafen aber er könnte seine Katzenkinder suchen. Doch Hasso schickt Mikesch nicht weg. Er nimmt den Knirps wieder mit ins Bett. Sanft streichelt er Mikesch bis dieser schnurrend vor Wonne eingeschlafen ist. Dann zieht er den kleinen Kerl wieder näher an sich. Als Chef der Bande hat er das Privileg ein eigenes Bett zu haben. Doch Hasso weiss dass dieses Privileg im Winter scheisse ist. Die Decken sind so dünn und die Heizung defekt. Der alte Hamisch sieht gar nicht ein für "seine" Jungs zu heizen. Die Stube ist warm weil sich Hamisch darin aufhält und darin schläft. Doch die Kammer in der die Jungs hausen ist lausekalt. Hasso ist froh dass der kleine Mikesch heute Nacht bei ihm ist. Der Kleine ist wunderbar warm und Hasso mag den Buben irgendwie. Er würde ihn gerne behalten. Das sind die letzen Gedanken bevor auch Hasso ins Reich der Träume gleitet.

Nur eine KatzeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt