Nur eine Katze

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Bang schleicht Hasso zu dem schluchzenden Jungen. Vorsichtig setzt er sich neben den traurigen Buben und legt einen Arm um den wimmernden Vampir. Dann fragt er mit seiner beruhigendsten Stimme: "Was ist passiert?" Dariush schaut Hasso verwundert an. Er versteift sich etwas wegen der ungewohnten Berührung. Dennoch beschliesst er Hasso seinen Kummer anzuvertrauen: "Mein Grossvater hat es abgelehnt Mikesch zu befreien. Er sagt dass es zu gefährlich sei und wir uns nur verraten würden." Hasso rutscht sein Herz in die Hose. Ohne die Vampire hat Mikesch keine Chance aus den Fängen seiner Häscher zu entkommen. "Und der Rest deiner Familie? Werden sie helfen?" fragt er bang und klammert sich an den winzigen Hoffnungsschimmer um nicht neben dem Vampir ebenfalls in Tränen auszubrechen. Dariush schüttelt seinen Kopf. "Nein, was Grossvater sagt das ist Gesetz." erklärt er Hasso. Der bricht neben Dariush zusammen und rauft sich die Haare. "Das darf doch nicht wahr sein! Wieso wollt ihr Mikesch nicht helfen?" fragt Hasso verzweifelt. Was eher rhetorisch gemeint war wird nun beantwortet: "Weil wir unsere Natur offenbaren würden wenn wir einfach ins Dorf spazieren um Mikesch zu holen. Wir werden von den Kugeln der Gewehre nicht verletzt, weisst du?" brummt Andrashek. Hasso schaut den alten Vampir mit flehenden Augen an. "Bitte," bettelt er "bitte, ihr müsst ihm helfen. Mikesch hat keine Chance den Menschen zu entkommen. Ich habe ihn gesehen, er ist an einen Pfahl gekettet mitten in dem Dorf und die Menschen warten mit Gewehren auf seine Befreier. Nur ihr könnt euch gegen die Menschen wehren!" Hasso hofft dass er den alten Vampir umstimmen kann. Doch der schüttelt nur seinen Kopf. "Wir würden unsere wahre Natur offenbaren. Und dann sind wir hier nicht mehr sicher. Dann müssen wir fliehen. Denn eins ist sicher: die Menschen sind wie eine Plage. Wenn du ein paar von ihnen tötest dann kommen etliche nach um sie zu rächen. Bald schon würde es hier vor Vampirjägern nur so wimmeln. Und dann? Wo sollten wir hin fliehen?" Hasso zuckt mit seinen Schultern. Dariush mischt sich ein und sagt zaghaft: "Zu Onkel Viktor?" Andrashek lacht bitter. "Nein, mein Junge. Das würde ich bestimmt nicht machen. Zu Viktor!" Andrashek spuckt den Namen fast aus. "Der alte Blutsauger würde sich freuen wenn er uns wie Bettler aufnehmen könnte. Er fände es bestimmt lustig wenn ich in seiner Schuld stünde. Nein, für eine Katze ruiniere ich mir nicht meine Heimat. Tut mir leid." Er schaut die Jungs ernst an. "Geht ins Haus!" befiehlt er ihnen und Dariush nickt enttäuscht. Hasso schaut noch einmal flehend zu dem Alten aber dessen Herz bleibt hart verschlossen.

"Lass uns zu Hamish gehen." schlägt Hasso vor. Noch hat er die Hoffnung dass die Wölfe seinem Mikesch helfen. Immerhin hat er wie ein Bruder bei ihnen gelebt und Hamish hat ihm Unterkunft und Verpflegung gewährt. Er hat Mikesch immer gleichberechtigt behandelt und Hasso ist sich Sicher dass Hamish jeden seiner Jungs befreien würde. "Bitte, wie können wir Mikesch befreien?" fragt Hasso atemlos als er bei Hamish und den Jungs beim Frühstückstisch auftaucht. Die Jungs schauen Hasso mit grossen Augen an. Das Essen bleibt den Buben wortwörtlich im Hals oder auf dem Weg dort hin stecken. Alle warten gespannt auf Hamishs Antwort. Der Alte brummt und windet sich. "Wir können deinem Mikesch nicht helfen. Die Kugeln würden uns treffen und zerfetzen. Wir sind nicht unsterblich, weisst du?" sagt Hanish und schaut Hasso und den kleinen Vampir mitleidig an. Hamish weiss wie sehr Hasso an Mikesch hängt. Er selber mag das kleine, liebe Katerchen ja auch. Aber seine Haut mag er lieber heile haben. "Grossvater könnte euch beissen, so dass ihr unsterblich wärt." schlägt Dariush vor und die Jungs ziehen gespannt die Luft ein. Man kann die Spannung in der Luft knistern hören. Wird der Alte sich an einen Werwolf binden? Wird er den Kater retten? "Ich wäre dann ein Monster. Die Menschen würden mich jagen und mein Leben wäre nicht mehr im Untergrund sondern auf der Flucht. Bei Vollmond würde ich Menschen reissen und anschliessend müsste ich fliehen damit sie mich nicht erwischen. So ein Leben ist nichts für mich. Bitte entschuldige dass ich das nicht für Mikesch tun kann." Hasso schaut Hamish ungläubig an. Seine letzte Hoffnung schwindet. Wer wird ihm helfen sein Kätzchen zu befreien? Wer wird Mikesch retten? Tränen der Enttäuschung springen aus seinen Augen und Hasso eilt die Stufen zu seinem Turmzimmer empor. Dort schmeisst er sich auf sein Bett und weint bitterlich.

Doch heulen hilft nicht! Hasso weiss das und er überlegt fieberhaft wie er selber seinem Bruder helfen kann. Was wenn er sich beissen lassen würde? Wenn er zu der schrecklichen Kreatur würde um seinen Mikesch zu befreien? Wenn er übernatürliche Kräfte empfangen würde um einmal im Monat zur unkontrollierbaren Bestie zu werden? Hasso springt aus seinem Bett und hastet die Wendeltreppe hinunter. Er stürmt in Dariush Zimmer und reisst die Tür auf ohne anzuklopfen. Was er dort sieht lässt ihn erstarren. Dariush saugt an einem Jungen der aussieht wie Mikesch. Der Junge faucht und bleckt seine raubtierhaften Zähne. Da Dariush durch die Tür abgelenkt ist kann der Junge den Klauen des Vampirs entkommen und er zieht Dariush seine Krallen durchs Gesicht. Fauchend und spuckend versucht der Junge zu fliehen. Da er den aufrechten Gang nicht gewohnt ist fällt er Hasso regelrecht vor die Füsse. Der Junge sieht Mikesch zum Verwechseln ähnlich. Die selbe zierliche Gestalt, die schwarzen Haare, die kleinen Katzenohren. Doch ein Katzenohr ist verwundet. Es scheint kürzlich verletzt worden zu sein. Der Junge hat eine annähernd menschliche Gestalt. Nur seine Nägel und Zähne sind noch raubtierhaft. Er kann seine Krallen ausfahren und die werden dann zur gefährlichen Waffe. "Lucky! Bleib da!" ruft Dariush fast flehend. Doch der kleine Kater dreht sich zu ihm um und faucht ihn an. Er hebt drohend eine Hand und durch die langen Klauen sieht es wirklich beeindruckend gefährlich aus. Hasso schaut entsetzt zu dem Hybriden. "Was hast du getan?" fragt er den kleinen Vampir. "Ich habe mir einen neuen Freund gemacht." sagt Dariush schulterzuckend. Lucky faucht und zischt in Richtung des Vampirs. "Das sieht mir aber nicht gerade nach dem Beginn einer wunderbaren Freundschaft aus." meint Hasso leicht entsetzt. Lucky versucht aufzustehen um zu entkommen. Doch er kommt mit seinen Armen und Beinen einfach noch nicht zurecht und darum fällt er eher als dass er aufstehen kann. Hasso beugt sich zu dem kleinen Katerchen und er nimmt ihn sachte an den Händen. Er streichelt dem armen Geschöpf beruhigend über den Kopf. Dann zieht er ihn in seine Arme und Lucky versucht sich einzurollen. Wimmernd schaut er Hasso an. Der fühlt sich arg hilflos. Wie kann er dem entsetzten Tier bloss helfen? Wie kann man diese Wandlung rückgängig machen? "Mach das wieder weg!" sagt er zu Dariush und der schaut Hasso fragend an. "Was?" fragt er und Hasso erklärt: "Mach Lucky wieder normal!" Dariush lacht und er sagt leichthin: "Das geht nicht. Ich habe ihn zu einem Hybriden gemacht. Er wird mein Freund sein. Mikesch ist ja so gut wie tot." Nun wird Hasso wütend. "Wie kannst du annehmen dass Mikesch tot ist? Ich habe ihn heute Nacht gesehen. Er lebt. Er ist an diesen Pfahl gebunden und wartet auf seine Rettung! Wie kannst du ihn nur aufgeben?"