„Miaaaaooooo" ertönt es sacht und eine raue wiederborstige Zunge leckt sanft an der Wange des kleinen Jungen der sich wie eine Sushirolle in seine Decke eingewickelt hat. „Mmmmhhh, noch fünf Minuten!" nuschelt er und versucht sein Gesicht vor der rauen Katzenzunge in Sicherheit zu bringen, was ihm aber angesichts der Tatsache dass er sich hoffnungslos in seine Decke geknotet hat gar nicht mal so einfach ist. Mit einem lautenPlumps und einem leisenFauchen landen Sushirolle und die Katze auf dem Boden. „Aua" jammert der Bub und schält sich aus seiner Decke. Die Katze faucht ihn an und schlägt mit der linken Vorderpfote nach ihm. Da sie die Krallen nicht ausgefahren hat schmerzt ihn der Schlag nicht. Er schaut dennoch die Katze erschrocken an.
Dann schält sich der Bub vorsichtig aus seinen kuschligen Decken. Auf dem Kopf mit den rabenschwarzen, wuscheligen Haaren trägt er zwei spitze Ohren und als er endlich seinen Hintern befreit hat kommt ein langer, schwarzbepelzter Katzenschwanz zum Vorschein. Der Junge wird nun von aufgeregt miauenden Katzenkindern umringt. Einige spielen mit seinem langen Schweif fangen und einige reiben ihre kleinen, flauschigen Köpfchen gegen seinen Kopf, sein Bein oder seinen Arm. Die grosse Katze faucht und alle Katzenkinder hören auf sie. Die Katze maunzt ärgerlich und der Bub versteht sie. Er nickt und antwortet ihr. Die kleine Familie wohnt in einem regelrechten Loch. Der Kellerraum dient eigentlich einem Geschäft als Lager und die Katzenfamilie hat dort Unterschlupf gefunden. Genau wir Mikesch der Junge. Er schläft auf einem frei geräumten Regalbrett und die Katzen irgendwo zwischen all den gut verpackten Waren. Die Katzenkinder werden gerade von der Milch entwöhnt so dass die Katzenmutter alle Pfoten voll zu tun hat um ihre Bande satt zu krigen. Von ihren vorherigen Würfen leben noch zwei Kinder. Aus ihrem ersten Wurf ein strammer Kater, der hier im Viertel für viele Enkelkinder sorgt und aus ihrem dritten Wurf eine Kätzin die sich weigert Mutter zu werden. Sie liebt die Einsamkeit und lässt sich nicht oft blicken. Mikesch sorgt derzeit für Amy und ihre Welpen. Das ist auch der Grund weswegen noch keins ihrer acht Babys verstorben ist. Der kleine Lucky wäre ohne Mikesch bestimmt nicht mehr am Leben. Er war so winzig und konnte sich gegen seine Geschwister nicht durchsetzen. Doch Mikesch kam mit einer Flasche und Katzenmilch und hat den kleinen Kater gefüttert bis er stark genug war um zu überleben. Mikesch hat nicht nur für den kleinen Lucky gesorgt. Auch Amy selber hat von ihm Futter bekommen und brauchte nicht zu jagen. Mäuse gibt es hier in der Lagerhalle mehr als genug, aber die wissen um die Katzenfamilie und bleiben in dem Labyrinth zwischen den Kartons. Mikesch ist ein Hybrid. Er ist halb Katze halb Mensch. Wenn er seinen Schwanz um den Bauch gewickelt trägt passt er in eine Hose. Er hat richtige Hände und auch in seinem Gesicht ist ihm sein Katzenerbe nur an seinen smaragtgrünen Augen anzusehen. Seine Ohren sind zwischen seinen schwarzen Locken kaum sichtbar. Diese Wuschelhaare passen eigentlich nicht zu Katzen oder Hybriden und Mikesch ist sehr stolz auf seine Locken. Er braucht nicht einmal eine Kapuze oder Mütze um sich zu tarnen. "Ich geh dir Essen beschaffen." sagt Mikesch müde und schlüpft in seine löchrigen Jeans. Seine Socken haben auch Löcher und sie stinken entsetzlich. Die Schuhe haben auch schon bessere Zeiten hinter sich. Der Hoodie steht vor Dreck und auch er riecht streng. Vor allem weil Lucky in der Tasche, bzw. Kapuze lebt. Der kleine Kater ist noch nicht stubenrein und verrichtet sein Geschäft in dem Kleidungsstück seines Freundes. Doch Mikesch stört das nicht. Er hat zwar ein feines Näschen aber sein Lucky darf ihn ruhig vollpullern. Als der Bub angezogen ist sieht er aus wie ein Bettler. Seine ganze Gestalt ist richtig zerlumpt. Das macht es ihm auch so schwer unauffällig zu sein. Als Dieb ist das ganz schön anstrengend. Darum versucht Mikesch auch gar nicht wirklich zu stehlen. Er sammelt meist im Müll die Pfandflaschen und bettelt. Mikesch hangelt sich das Regal hinauf und klettert durch das schmale Kellerfenster. Heute ist es bitterkalt und das Weihnachtsfest ist gerade zu ende. Gott sei Dank! denkt Mikesch, denn in den drei Tagen hat er so gut wie nichts in den Mülleimern der Stadt gefunden. Doch nun regt sich wieder das Leben. Und wie es sich regt! Massen von Menschen streifen durch die Strassen und quetschen sich in den Geschäften denn auch das Sylvesterfest will vorbereitet sein. Mikesch feiert nicht. Wozu auch. Ausser Amy und ihren Welpen hat er niemanden. Lucky schnurrt ein wenig in Mikeschs Tasche. Mikesch versteckt seine Hände tief in den Taschen seiner Hose. Es ist eisig kalt und der Boden leicht rutschig. Mikesch muss aufpassen dass er nicht ausrutscht. Seine Schuhe hatten auch schon mal besseres Profil. Doch Mikesch stört das nicht wirklich. Er hat ein wachsames Auge auf die Müllcontainer der Stadt. Die Supermärkte sortieren gerade die alten Backwaren aus und Mikesch stibitzt sich ein trockenes Brot und einen harten Lebkuchen. Sein Frühstück ist gesichert. Nun benötigt er eigentlich nur noch etwas zu trinken. Wie gerne hätte er ein Heissgetränk. Aber das ist eine Leckerei die er sich niemals gönnen wird. Während Mikesch weiter an seinem harten Frühstück knabbert schaut er sich um um für seine Katzenfamilie etwas fressbares abzugreifen. Und wirklich, eine Metzgerei hat ebenfalls die verdorbenen Fleischwaren entsorgt. Mikesch greift schnell zu und läuft noch schneller weg. Denn er hat Hasso und seine Bande bemerkt. Mikesch hangelt sich in windeseile eine Dachrinne empor und damit ist er der Bande Jugendlicher entronnen. Die sind alle nicht wirklich flink und klettern können sie schon gar nicht. Hassos Bande klaut für gewöhnlich und ausserdem sind sie für einige Raubüberfälle verantwortlich. Die Jungs sind alle sehr stark und können sich wehren wenn sie erwischt werden sollten. Ausserdem sind sie viele. Natürlich sagen diese Jungs nicht nein wenn es einen Container voller Leckereien auszunehmen gibt. Mikesch wartet bis die Jungs fertig sind und dann springt er elegant von dem Vordach der Metzgerei und schleicht gut gelaunt heim. Amy freut sich über die leckeren Fleischstücke. Mikesch selber isst nichts davon. Er will noch etwas zu Trinken organisieren und darum nimmt er die alte Flasche und er läuft damit zum Bahnhof der Stadt. Dort wird er auf den öffentlichen Toiletten seine Trinkflasche befüllen. Das Wasser ist gut und sauber und es schmeckt nicht schlecht. Da alle Welt die Abfallberge des Weihnachtsfestes entsorgt findet Mikesch massenweise Pfandflaschen. Das ist wie ein eigenes kleines Fest. Drei Rucksäcke voll Pfandflaschen klaubt Mikesch zusammen und am Ende des Tages hat er fast zehn Euros zusammen! Das ist wirklich wunderbar. Davon kann er die Welpennahrung für seinen Lucky kaufen. Der kleine Kater hat entsetzlichen Hunger und er freut sich dass er seine Milch bekommt. Als Mikesch am Abend heim kommt ist er glücklich. So einen wunderbaren, erfolgreichen Tag wie heute hat er selten. Eigentlich mag er die Festtage doch. Vor allem wenn die anderen dann so grosszügig weg werfen.
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Nur eine Katze
FantasyMikesch ist ein kleiner Neko. Mit Katzenohren und langem samtigem Schwanz. Warum zur Hölle macht ihn das zu einem Wesen zweiter Klasse?