Kapitel 69; Michael

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Ich sitze auf der Rückbank von Zorns schwarzem Citroën C3 und starre aus dem Fenster. Die Konturen der vorbeiziehenden Häuser verschwimmen vor meinem Auge und die Regentropfen auf der Fensterscheibe verzerren das Bild nur noch mehr. Maurice sitzt am Steuer und lenkt das Auto durch die Straßen, während Zorns Blick ebenfalls aus dem Fenster gerichtet ist. Abgesehen vom Motorenlärm und dem Regen, der auf der Metall des Autos tropft, ist es still.

„Wo fahren wir überhaupt hin?“, frage ich und reiße meinen Blick von einem Regentropfen los, der gerade an der Scheibe des Autos runterläuft.

„Zu Gluttonys Wohnung. Da werden wir dann auch erstmal bleiben“, erklärt Zorn mir, ohne sich vom Fenster abzuwenden. Ich sehe in den Rückspiegel und habe für einen kurzen Moment Blickkontakt mit Maurice, zumindest solange, bis er sich wieder auf die Straße konzentriert und sturr gerade aus schaut. Der freut sich ja richtig, mich wieder in seiner Nähe zu haben, wow.

„Hast du da die ganze Zeit über gewohnt?“, will ich wissen und dieses Mal schaut sie kurz über ihre Schulter zu mir nach hinten.

„Irgendwo muss ich doch gewesen sein, oder?“, beantwortet sie mir meine Frage mit einer Gegenfrage. Wahrscheinlich war das ein ja. Ich könnte noch mehr nachhaken, aber ich lasse es lieber. Maurice ist sowieso schon von meiner Anwesenheit genervt und Zorn soll nicht denken, ich würde sie aushorchen. Also schweige ich lieber den Rest der Fahrt über und schaue den Regentropfen weiter dabei zu, wie sie die Fensterscheibe runterfließen.

Maurice parkt in einer ziemlich unscheinbaren Straße, vor einem ziemlich unscheinbaren Haus und generell ist diese ganze Gegend ziemlich unscheinbar. Zusammen mit ihm und Zorn steige ich aus dem Auto aus, dann folge ich ihr durch den langsam nachlassenden Regen. Maurice trottet neben mir her und würdigt mich keines Blickes. Autsch. Das lief auch schon mal besser.

„Also, hier lebt ihr?“, ungläubig mustere ich das Haus, vor dem Zorn zum stehen kommt. Irgendwie hab ich mir das Versteck des Villains irgendwie weniger normal vorgestellt. Hier könnte ja quasi jeder Leben. Ziemlich langweilig.

„Warum so enttäuscht, Greed? Was hast du bitte erwartet? Eine Höhle? Ein Penthouse?“, Zorn mustert mich und ertappt zucke ich mit den Schultern. Ich hab zwar an etwas weniger drastisches gedacht, aber das kommt trotzdem hin. Sie lacht und zieht dann einen Schlüssel aus ihrer Tasche, um die Haustür aufzuschließen.

Jetzt, wo ich darauf warte, dass Zorn die Tür aufstößt und uns in die Wohnung führt, werde ich doch etwas nervös. Immerhin weiß ich nicht, was mich dort oben erwartet. Und dann wird es ernst, Zorn öffnet die Tür, wir betreten das Haus und anschließen die Wohnung.

Das erste was ich sehe, bestätigt meinen Eindruck vom unscheinbaren Versteck nur. Die Wohnung ist ziemlich freundlich eingerichtet und wüsste ich nicht, dass sich hier eine mehrfache Mörderin einquartiert hat, würde ich es auch nicht vermuten. Wir stehen noch nicht lange im Eingang des Flurs, als Lust aus einem Raum stürmt und sich uns beinah entgegen wirft. Sie stoppt in ihrer Bewegung und bleibt mitten im Gang stehen, wirft mir einen misstrauischen Blick zu.

„Was macht der hier?“, sie deutet auf mich und versucht gar nicht erst, ihre Abneigung gegen mich zu verstecken. Verständlich, immerhin war ich zweimal mehr oder weniger dabei, als ihr das Amulett abgenommen wurde.

„Ihr seid zu- Oh“, ein weiteres Mädchen kommt aus demselben Raum wie Lust zuvor und bleibt neben ihr stehen. Wenigstens sieht sie mich nicht schon so angepisst an. Eher neugierig, aber damit kann ich leben. „Sieht so aus, als hätten wir wohl was zu besprechen.“

Ich folge den anderen in den Raum, aus dem eben Lust und das andere Mädchen rauskamen. Es ist das Wohnzimmer, wie ich ziemlich schnell feststelle. Die anderen setzen sich auf die Couch und etwas verloren setze ich mich auf den freien Platz neben Maurice. Demonstrativ rutscht er ein wenig von mir weg. Mein Gott, ich hab's ja kapiert, du willst mich nicht hier haben.

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