Erschöpft nehme ich die letzte Dose entgegen, die Maurice mir hinhält und räume sie in den Schrank ein. Ich bin froh, dass hinter mir zu haben und endlich wieder Zuhause zu sein.
„Dafür bin ich so früh aufgestanden“, Maurice schüttelt seinen Kopf und stützt sich an der Küchenzeile ab.
„Ich bin verstört. Entsetzt und verstört“, ich schließe meine Augen und versuche, diesen Horrortrip, den andere Einkauf nennen würden, zu vergessen. Die Menschen sind wie wildgewordene Tiere. Als würde gleich der dritte Weltkrieg oder eine Zombie-Apokalypse bevorstehen, prügeln sie sich um die letzten verbleibenden Ressourcen. Und dazwischen wir, die hilflosen verplanten Studenten, die überhaupt nicht wissen, was abgeht. „Gott, das wird mich in meinen Träumen verfolgen, Maurice.“
„Mich nicht. Und wo wir gerade davon sprechen, ich geh mich wieder hinlegen. Sonst dürft ihr Silvester heute Abend alleine feiern“, er zuckt mit den Schultern und wirkt im Gegensatz zu mir ziemlich gelassen. Müde und vielleicht auch etwas gestresst, aber definitiv nicht verstört.
„Willst du mich jetzt etwa bei meiner Traumabewältigung alleine lassen?“, frage ich und mustere ihn verwirrt. Wie kann er das so einfach wegstecken? Als ob ihn diese Flut an Wahnsinnigen so kalt lässt.
„Ach, ich bin sicher, du schaffst das schon“, versichert er mir und verlässt die Küche, nicht ohne mir im vorbeigehen noch einen schnellen Kuss auf die Wange zu geben. Verdutzt starre ich ihm hinterher, bis er aus meinem Sichtfeld verschwunden ist und ich das leise Ächzen seiner Zimmertür höre. Kopfschüttelnd trete ich an die Kaffeemaschine und verlasse anschließend mit dem darin aufgekochten dampfenden Lebenselixier ebenfalls die Küche. Anders als Maurice steuere ich nicht sein oder mein Zimmer an, sondern gehe ins Wohnzimmer. Ich stelle die Tasse auf dem Tisch ab und lege mich mehr auf die Couch, als das ich sitze. Ich ziehe mein Handy aus meiner Hosentasche und möchte es erst neben den Kaffee legen, entscheide mich dann aber doch anders und schalte es ein, öffne den Gruppenchat von Nico, Mika und mir.
Verlasst bloß nicht das Haus! schreibe ich und es dauert nicht lange, bis mir angezeigt wird, dass Nico schreibt. Man könnte denken, der Junge hängt nur an seinem Handy.
Ich weiß! Die Menschen sind KRANK! antwortet er und ich grinse erleichtert. Ich bin also nicht mit meiner Meinung alleine, gut. Wenigstens einer versteht, dass das, was da draußen abgeht, definitiv nicht gesund ist.
Was schiebt ihr denn plötzlich für Filme? Mika ist also auch online, perfekt. Mir wird angezeigt, dass Nico schreibt, weswegen ich seine Nachricht erst einmal abwarte.
Menschen, Mika! Menschen! Ob er damit wohl die Menschheit allgemein meint oder nur von heute redet? Vermutlich letzteres. Nico ist ja meistens ziemlich extrovertiert.
Ich bin gerade mit den Hunden draußen und bisher wirken die Menschen ganz normal...ಠ_ಠ wirft Mika ein. Aber mit den Hunden Gassi zu gehen ist was anderes, als sich direkt unter die wandelnde Masse an Verrückten zu mischen.
Dann betritt mal den nächstbesten Laden schlage ich ihr deshalb vor.
Welcher Idiot geht denn an einem Feiertag einkaufen? möchte sie wissen. Normalerweise würde ich mich jetzt vermutlich angegriffen fühlen, allerdings weiß ich, dass sie recht hat. Deswegen antworte ich ihr mit einem einfachen Danke.
Wow. Glanzleistung Micha. Und warum beschwerst du dich überhaupt, Nico? Du hast heute noch nicht einen Fuß vor die Tür gesetzt.
Aus Selbstschutz! Du liest doch, was Micha sagt! Nicos Verteidigung ist gar nicht so dumm, finde ich. Zumindest heute würde ich das mit dem Selbstschutz gelten lassen.
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Hast du eigentlich auch genug von mir?
FanfictionEin neuer Lebensabschnitt beginnt, wenn man das Abitur hinter sich hat und jetzt nach einer geeigneten Universität sucht. Am liebsten möchte man ja ganz weit weg von zu Hause und endlich eine eigene Wohnung und Freiheit haben. Aber so einfach ist da...