Kapitel 37; Michael

198 27 19
                                    

„Maurice, jetzt warte doch mal, verdammt!“, rufe ich, während ich hinter ihm her aus dem Haus stürze. Maurice ignoriert mich und rennt einfach weiter. Dafür, dass er unnötige Bewegung normalerweise vermeidet, hat er es jetzt ziemlich eilig. Schnurstracks läuft er auf unser Auto zu. Shit, ich traue ihm gerade echt zu, dass er mich hier stehen lässt. Ich ziehe das Tempo an und kann Maurice zum Glück einholen, gerade, als er am Auto ankommt. Ich stütze mich gegen die schon leicht geöffnete Fahrertür, um sie zuzuhalten und drehe Maurice mit meiner freien Hand zu mir.

„Nein, lass mich los! Vergiss es! Ich bring mich doch nicht freiwillig um, damit ihr an diesen scheiß Flachmann kommt!“, aufgewühlt versucht er, sich loszureisen. Fast schon panisch schlägt er um sich und ich muss ihn an den Armen festhalten, um nicht getroffen zu werden. Er ist von der Idee wirklich alles andere als begeistert.

„Hey, beruhig dich. Alles gut, okay?“, versuche ich ihn zu beruhigen. Maurice versucht zwar noch einmal vergeblich, sich loszureißen, schließlich lässt er aber locker und seine Arme hängen kraftlos runter. Er lehnt sich mit dem Rücken gegen das Auto und ich spüre, dass er zittert. Vor Wut oder Angst weiß ich nicht. Vielleicht ist es auch eine Mischung aus beidem.

„Nichts ist okay. Ihr seid doch wahnsinnig!“, schreit er mir entgegen, obwohl ich nur wenige Zentimeter vor ihm stehe.

„Wenn du nicht willst, dann machen wir's nicht. Aber lass uns bitte erstmal vernünftig darüber nachdenken“, bitte ich ihn ruhig. Ich verstehe, dass er aufgewühlt ist und die Idee ablehnt, aber es ist immerhin eine Chance, über die wir diskutieren sollten.

„Darüber muss ich nicht nachdenken! Das ist reiner Suizid verdammt!“, zischt er angespannt.

„Lass uns das bitte nicht auf offener Straße klären.“ Unruhig sehe ich mich um. Ich hab kein gutes Gefühl dabei, einfach so in der Öffentlichkeit auch nur im entferntesten über die Gegenstände zu reden.

„Schön. Dann fahren wir jetzt nach Hause und ich sage dir da, wie dumm euer Plan ist!“

„Sicher, dass du überhaupt fahren kannst? Du zitterst“, merke ich an. Nicht, dass unterwegs noch irgendwas passiert.

„Ich zitter gar nicht“, bestreitet er und sofort bemüht er sich, seinen Körper wieder unter Kontrolle zu bringen.

„Wenn du meinst“, seufze ich leise und lasse seinen Arm los. Ich trete etwas vom Auto zurück, damit Maurice einsteigen kann und springe dann selbst auf den Beifahrersitz. Wir können echt froh sein, dass die Straße so leer war. Ich will nicht wissen, wie das eben gewirkt haben muss, zumal unser Gesprächsthema niemanden etwas angeht. Maurice wartet noch ein paar Sekunden und besorgt sehe ich zu ihm, doch bevor ich irgendetwas sagen kann, startet er den Motor und fährt aus der Parklücke. Trotz meiner anfänglichen Sorge wegen Maurice' Zustand kommen wir unbeschadet zuhause an.

Auf dem Weg vom Parkhaus zu unserer Wohnung lässt Maurice sich noch mehr Zeit als sonst. Er schleicht fast die Treppen des Gebäudes hoch. Während ich schon dabei bin, die Wohnungstür aufzuschließen, ist er immer noch nicht im obersten Stock angekommen. Ich hänge meine Jacke über den Haken im Flur und warte, bis Maurice endlich in der Wohnung ist. Er schließt die Tür hinter sich, hängt seine Jacke auf und läuft an mir vorbei. Anstatt ins Wohnzimmer zu gehen, biegt er nach rechts ab und läuft in Richtung seines Zimmer. So viel zum Thema Ich sag dir zuhause, wie dumm euer Plan ist. Ich laufe ihm nach und bevor er seine Zimmertür vor meiner Nase zuschlägt, schiebe ich schnell einen Fuß dazwischen. Ich verziehe leicht mein Gesicht, als das Holz gegen meinen Schuh stößt, den ich Gott sei Dank noch trage. Das hätte auch schmerzvoller ausgehen können.

„Du lässt wirklich nicht locker, kann das sein?“, schnaubt er leise und zieht die Tür wieder auf. Er wirkt genervt, als er sich auf sein Bett setzt und die Arme verschränkt.

Hast du eigentlich auch genug von mir? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt