Leise schließe ich die Tür des Badezimmers, um Patrick und Manuel nicht eventuell durch das laute Zuschlagen der Tür zu wecken. Aus dem Wohnzimmer höre ich immer noch keine Geräusche. So müde wie die beiden, vor allem Manuel, gestern waren, kann ich mir ziemlich gut vorstellen, dass die beiden noch schlafen. Es wundert mich, dass Manu ohne zu murren eingewilligt hat, die Nacht hier zu verbringen. Andererseits, was blieb ihm anderes übrig? Maurice ist am Steuer fast eingeschlafen, er konnte nicht weiterfahren und ich bezweifle stark, dass Manu eine Busfahrt von hier bis zu ihm nach Hause überlebt hätte.
Ins Wohnzimmer kann ich also nicht. Wenn die beiden wach wären, hätten sie sich doch irgendwie bemerkbar gemacht, oder? Von Maurice hab ich auch noch nichts gehört, also werde ich wohl etwas im meinem Zimmer chillen. Scheint ja so, als wäre ich als einziger wach.
Meine Hand schließt sich um die Türklinke und ich drücke die Tür auf. Bevor ich in meinem Zimmer verschwinden kann, öffnet sich die Tür zu Maurice' Zimmer. Ah, er ist also doch wach.
„Guten Morgen Micha“, murmelt er und trotet in Richtung Bad. Irgendetwas an der Art und Weise, wie er mit mir geredet hat, gefällt mir überhaupt nicht. Er wirkte so abwesend. Etwas scheint ihn zu beschäftigen.
Ich ziehe meine Tür wieder zu und verschwinde stattdessen in Maurice' Zimmer. Tja und jetzt heißt es warten bis er im Bad fertig ist, aber ich mache in letzter Zeit ja gefühlt sowieso nichts anderes mehr. Ich lasse mich auf Maurice' Schreibtischstuhl sinken. Mir ist langweilig und irgendwann fang ich an, mich mit dem Stuhl zu drehen. Warten ist ätzend.
Obwohl Maurice gar nicht so lange im Bad braucht, bin ich froh, als sich die Tür zu seinem Zimmer öffnet, bevor mir durch das Drehen hätte schlecht werden können. Sofort verschwindet meine Langeweile und ich mustere Maurice. Trotzdessen das er offenbar duschen war, wie ich an einigen noch leicht nassen Haarspitzen erkenne, sieht man ihm an, dass er sich Gedanken über etwas macht. Leichte Sorgenfalten zieren seine Stirn und ersetzen seinen sonst so gelassenen Gesichtsausdruck.
„Willst du mir sagen, was dich beschäftigt?“, frage ich, bevor Maurice fragen kann, was genau ich hier eigentlich mache. Naja, so kompliziert wäre die Antwort darauf aber auch nicht gewesen. Warten, mich langweilen, mit 'nem Stuhl durch die Gegend rollen. Das übliche halt.
„Eigentlich ist es nichts“, winkt er ab und setzt sich auf die Kante seines Bettes. Eigentlich, ah ja.
„Dafür, dass es nichts ist, beschäftigt es dich aber ganz schön“, wende ich ein. Maurice seufzt und fängt wohl eher unbewusst damit an, an seiner Uhr zu spielen.
„Ich denke nur darüber nach, wie's jetzt weitergehen soll“, gibt er zu und starrt auf den Boden. Diese eine Frage, die uns alle beschäftigt. Die letzten vier Tage waren wahrscheinlich die besten, die wir in den letzten Monaten hatten. Jedenfalls empfinde ich so. Und das liegt nicht daran, dass wir frei hatten, sondern daran, dass wir uns einfach mal nicht mit den Gegenständen und dem ganzen anderen Mist beschäftigen mussten.
„Machst du dir Sorgen?“, will ich von ihm wissen. Ich muss das ganze nicht mal wirklich ausführen. Er kann sich ja sicher denken, worauf ich hinaus will. Schließlich sollten wir uns momentan um nichts anderes sorgen, als das uns eine Psychopathin jederzeit abknallen könnte.
„Schon irgendwie. Wenn dir oder den anderen was passiert, dann-“, er stockt, presste seine Lippen zusammen. Eigentlich will man über so etwas gar nicht erst nachdenken. Aber was bleibt uns anders übrig? Wir müssen uns damit beschäftigen. Verdammt, ich hab doch selbst in den letzten Wochen immer nur darüber oder über Maurice nachgedacht. Und im Endeffekt ist es immer besser, der Realität ins Auge zu blicken.
„Dann ist das halt so, immerhin haben wir uns selbst in die Scheiße geritten, als wir die Gegenstände an uns genommen haben.“ Wirklich sehr beruhigend. Echt. Aber soll ich Maurice anlügen? Das bringt doch eh nichts. Wir wissen alle, dass es so ist. Jeder von uns weiß, dass es plötzlich vorbei sein kann.
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Hast du eigentlich auch genug von mir?
FanficEin neuer Lebensabschnitt beginnt, wenn man das Abitur hinter sich hat und jetzt nach einer geeigneten Universität sucht. Am liebsten möchte man ja ganz weit weg von zu Hause und endlich eine eigene Wohnung und Freiheit haben. Aber so einfach ist da...