Kapitel 83; Michael

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Viel zu übermüdet zwinge ich mich dazu aufzustehen. Vermutlich wird mich nur eine hohe Dosis Koffein durch den Tag bringen, aber das ist okay. Wenig Schlaf ist nichts, was ich nicht irgendwie gewohnt bin. An diesem Morgen führt mein Weg mich also zuallererst in die Küche. Mir meinen wohlverdienten Kaffee zu machen dauert zwar nicht sonderlich lange, trotzdem bin ich verdammt froh, als ich die dampfenden Tassee endlich in meinen Händen halte. Die ersten Schlücke Kaffee am Tag sind immer noch die besten. Ich glaube, Manu könnte das vielleicht nachvollziehen. Bei Patrick bin ich mir absolut nicht sicher und von Maurice weiß ich ja, dass er Tee definitiv vorzieht.

Apropos Tee. Den haben wir vollkommen entsorgt, weil ich damit nichts anfangen kann und Maurice eigentlich nicht hier sein sollte. Was soll er trinken, wenn er aufwacht? Sein Tee am Morgen ist ihm fast so wichtig wie mir mein Kaffee. Andererseits weiß ich nicht, ob er überhaupt in der Verfassung ist, um unbesorgt Tee trinken zu können.

Was ist, wenn er nicht einmal mehr hier in der Wohnung ist? Eigentlich kann er gar nicht weg sein. Ich hätte gehört, wenn er die Wohnung hätte verlassen wollen. Aber vielleicht hat er's doch irgendwie geschafft? Es ist so still. Bin ich etwa doch alleine hier? Das kann nicht sein. Ich muss nachsehen!

Vergessen ist der Rest meines verführerisch duftenden Kaffees. Ohne ihm einen letzten Blick zu würdigen springe ich vom Esstisch auf und laufe aus der Küche. Maurice ist jetzt wichtiger. Er hat gesagt, wir reden heute. Er wird doch wirklich einfach so abgehauen sein, oder etwa doch?

Vor seinem Zimmer stoppe ich. Langsam öffne ich die Tür, damit ich ihn, falls er noch schläft, nicht wecke. Es ist dunkel. Die Jalousien, die in der Nacht noch oben waren, sind jetzt unten, somit wird auch das Tageslicht draußen gehalten. Maurice liegt im Bett und im ersten Moment denke ich, er schläft noch. Dann dreht er seinen Kopf in meine Richtung und ich kann sehen, dass seine Augen geöffnet sind.

„Guten Morgen, Maurice“,erleicht lächle ich ihn an. Er ist noch da, er ist nicht abgehauen. Ich drücke auf den Lichtschalter neben der Türe und sofort wird sein Zimmer von Licht geflutet. Maurice brummt leise und zieht sich dann die Decke über den Kopf. „Willst du nicht langsam aufstehen?“

„Nein“, die Decke dämpft seine Stimme etwas. „Wenn du jetzt bitte das Licht ausmachen und verschwinden könntest? Ich möchte meine Ruhe haben.“

„Wir wollten heute reden“, mein Lächeln verschwindet augenblicklich. Ich verstehe, dass er keine Lust auf mich hat und das er Ruhe will. Aber ich weiß auch, dass er sich jetzt nicht wieder zurückziehen darf. Ich will nur wissen, dass es ihm gut geht und er keine Scheiße bauen wird. Danach lasse ich ihn in Frieden, wenn er das will.

„Wir reden, aber nicht jetzt. Später irgendwann.“ Maurice' Stimme unter der Decke klingt ungehalten. Ihm wäre es wahrscheinlich wirklich lieber, wenn ich sein Zimmer sofort verlasse und am besten nicht mehr wiederkomme. Es schmerzt mich, aber mir war von Anfang an klar, dass es so kommen wird. Natürlich hasst er mich jetzt.

„Olivia will auch mit dir reden“, teile ich ihm mit. Wenn er schon nicht mit mir redet, dann doch hoffentlich mit ihr. Immerhin haben die beiden eine ähnliche Situation erlebt, auch, wenn ich nicht weiß, wie oder warum Olivias Freundin gestorben ist.

„Ich will aber nicht mit ihr reden“, immernoch bewegt sich die Decke keinen Millimeter. Und jetzt reicht es mir. Ich reiße Maurice seine Decke weg und lasse sie achtlos auf den Boden fallen. Er setzt sich auf, aber bevor er dazu kommt, mich zu verfluchen, falle ich ihm ins Wort.

„Maurice, wir müssen reden und das weißt du ganz genau. Wir alle machen uns Sorgen um dich und eine Erklärung haben wir uns auch verdient oder findest du nicht?“, ich verschränke meine Arme. Er kann soviel meckern, wie er will. Er hat gesagt wir reden, also reden wir.

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