Kapitel 34; Manuel

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Ich wache auf und das erste was mir auffällt ist, dass ich nicht alleine bin. Ein Arm liegt locker über meiner Taille und sorgt dafür, dass ich ziemlich nah an Palle liege. Er scheint noch zu schlafen. Jedenfalls hat er sich noch nicht bewegt und einen Wecker habe ich auch nicht gehört, obwohl es draußen schon hell ist. Ich glaube heute ist Palles freier Tag und meine Schicht im Café
fängt erst gegen 13 Uhr an und ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es kurz vor 11 ist. Am liebsten würde ich weiterschlafen, aber wenn ich jetzt ohne Wecker einschlafe, penne ich viel zu lange. Möglichst leise und vorsichtig versuche ich mich von Palle zu entfernen, aber als ich fast Palles Arm von mir gelöst habe, schlingt dieser sich plötzlich um mich und drückt mich wieder an Palle.

„Bleib noch“, höre ich Palle sagen und drehe meinen Kopf in seine Richtung. Unsere Gesichter sind sich ziemlich nah und sofort sehe ich weg, um es nicht awkward werden zu lassen.

„Wenn ich jetzt bleibe schlafe ich viel zu lange. Ich muss noch ins Café“, teile ich ihm mit und versuche mich aufzurichten, aber Palle reagiert nicht auf meinen Versuch, sondern hält mich weiter an ihn gedrückt. „Palle, lass mich aufstehen.“

„Zehn Minuten?“, fragt er leise und eigentlich will ich das nicht. Ich will jetzt aufstehen. Aber Palle war gestern so aufgelöst und deswegen halte ich inne. Er braucht das hier gerade, oder? Diese seltsame Kuschelaktion hilft ihm also wirklich. Er braucht mich gerade. Irgendwie macht mich das glücklich. Ich lasse mich gegen ihn sinken. Diese Kuschelaktion löst zwar immer noch ein mulmiges Gefühl in mir aus, aber für Palle ertrage ich das schon.

„Na gut“, gebe ich nach, „aber nur, wenn du einen Wecker stellst.“ Sonst werden aus 10 Minuten 60 ich kenne mich doch.

„Wird erledigt“, jetzt löst sich Palles Arm von mir, um sich zum Nachttisch zu strecken und nach dem Handy zu greifen. Er tippt etwas auf dem Display rum und hält das grell helle Gerät dann vor meine Augen. Wecker klingelt in 10 Minuten wird mir kurz angezeigt. Gut. Ich schließe meine Augen, um etwas vor mich hinzudösen, während Palle sein Handy wieder weglegt und dann sofort seinen Arm um mich legt. Tatsächlich schlafe ich nochmal ein und werde durch die lauter werdene Melodie des Weckers aus dem kurzen Schlaf gerissen. Wieder richtete ich mich auf und wieder hält Palle dagegen. „Noch fünf Minuten?“

„Nein, sorry. Ich will jetzt aufstehen, lass mich los“, sage ich bestimmt und Palles Arm löst sich daraufhin sofort von mir. Ich steige aus dem Bett und gehe in mein Zimmer um mir Sachen rauszusuchen, danach verschwinde ich damit im Bad. Als ich fertig angezogen das Badezimmer verlasse, sitzt Palle am Küchentisch und ich sehe zwei Tassen auf dem Tisch stehen, beide dampfen. Ich setzte mich auf meinen Platz und nehme sofort einen Schluck von dem Kaffee, den Palle mir zubereitet hat.

„Danke“, murmle ich in die Tasse hinein und Palle betrachtet mich leicht lächelnd. Ich stelle meine Tasse wieder ab und mustere jetzt die Tasse, die vor Palle steht. Es dauert nicht lange, bis ich das Muster auf der Tasse wiedererkenne. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich realisiere, dass Palle sich den Kakao, den ich ihm gestern gemacht habe, erwärmt hat.

„Ich hab dir zu danken“, er nimmt die Tasse in die Hand und trinkt einen Schluck. „Ich hätte den Kakao gestern schon trinken sollen, anstatt mich einfach zu verkriechen. Sorry Manu“, entschuldigt er sich und irritiert mustere ich ihn. Wo kommt das jetzt plötzlich her?

„Warum entschuldigst du dich dafür? Ich war doch zu unfähig dich richtig aufzumuntern“, gestehe ich und es ist irgendwie noch mal was anderes diese Worte selbst auszusprechen, als sie nur zu denken. Jetzt sind sie so real.

„Das warst du nicht. Ich weiß, dass du's nicht so mit Worten hast und die Geste war so zuvorkommend von dir und ich habe dich einfach auflaufen lassen. Ich war einfach so in Gedanken, dass ich da nicht länger drüber nachgedacht habe, wie das auf dich wirkt. Das hat dich so verunsichert, dass du die Nacht zu mir gekommen bist“, führt Palle es weiter aus und was soll ich großartig dazu sagen? Er hat recht. Wieso bin ich so leicht zu durchschauen?

„Mhm“, mache ich und nehme noch einen Schluck Kaffee. Hauptsächlich um zu verdecken, dass mir das irgendwie peinlich ist. Palle fängt an zu grinsen und irgendwie glaube ich, dass meine Attitüde gerade viel zu einfach zu deuten war. Toll. Wieso kann ich kein Pokerface haben? Palle steht auf und bringt ein kleines Tablett mit Brot und allem was dazu gehört auf den Tisch. Schweigend essen wir und als wir fertig sind und alles weggeräumt haben, beginne ich zu spülen und Palle neben mir wartet mit einem Handtuch bewaffnet darauf, dass ich ihm die gespülten Teller reiche.

„Ich hab nachgedacht“, fängt er plötzlich an, als er einen Teller entgegen holt und ihn mit dem Handtuch trocknet.

„Worüber denn?“, sage ich unnötigerweise, schließlich weiß ich worum es geht, aber wie soll ich ihm sonst verdeutlichten, dass ich ihn zuhöre?

„Wir sind mit unseren vier Gegenständen und dem Amulett eine verdammt große Zielscheibe.“

„Ja, das sind wir.“

„Also hat Zorn uns sowieso schon im Visier“, macht Palle weiter und irgendwie gefällt mir diese Richtung in die das ganze hier führt nicht. „Wieso machen wir nicht absichtlich auf uns aufmerksam?“ Ich stoppe in meiner Bewegung und sehe ungläubig zu Palle.

„Schlägst du gerade vor, dass wir die Irre mit der Knarre auf uns aufmerksam machen sollen?“, frage ich und Palle nickt. „Hast du sie nicht mehr alle?! Wie kannst du sowas vorschlagen nachdem du gestern vor Angst so neben dir warst? Das ist mehr als lebensmüde!“

„Zorn wird uns früher oder später sowieso finden und ich will nicht ständig in der Ungewissheit leben, ob sie mich gleich abknallt oder erst später“, erklärt Palle. Was ein Bullshit.

„Also willst du, dass sie dich einfach sofort abknallt? Ist dir das lieber als abwarten?“

„Vielleicht wird Gluttony so auf uns aufmerksam“, argumentiert er weiter und ich kann es einfach nicht fassen.

„Oh ja gute Idee, weil eine Person die wegen den Gegenständen hinter uns her ist dir nicht reicht, holen wir gleich noch jemanden dazu, der auf die Gegenstände geiert. Geniale Idee“, versuche ich Palle zur Vernunft zu bekommen.

„Wir können uns vorbereiten, wenn wir wissen, dass sie von uns weiß.“

„Vorbereiten? Hast du vergessen mit wem wir es hier zu tun haben? Mit einer Irren, die erst schießt und dann fragen stellt und 'ne Knarre hat, die nie ihr Ziel verfehlt“, hört er denn nicht wie hirnrissig das ist?

„Ich hab Maurice gesagt, dass wir uns mit ihm und Michael treffen wollen“, teilt er mir mit. „Die beiden werden meinen Plan schon zustimmen.“

„Die beiden werden dich zur Vernunft bringen!“, ich schmeiße den Lampen in die Spüle, sodass das Wasser spritzt. Ich schnappe mir das Handtuch und trockne grob meine Hände ehe ich Palle damit abwerfe. „Das ist die dümmste Idee, die du je hattest. Willst du so dringend sterben?!“, frage ich ihn und kann nicht verhindern, dass mir Tränen in die Augen steigen. Was wenn er stirbt? Was wenn wir alle draufgehen? Das Risiko ist viel zu hoch. Ich fasse es nicht, dass er überhaupt auf die Idee gekommen ist. Ich stürme zur Tür. Mit dieser unfassbar miesen Laune, muss ich jetzt noch ins Café gehen. Ich ziehe mir schnell Schuhe an und schlüpfe in meine Jacke.

„Ich bin lieber der Jäger, als der Gejagte“, höre ich Palle noch sagen, als die Tür hinter mir ins Schloss fällt. Und ich bin lieber lebendig als tot!

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