Kapitel 7; Michael

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„Hey Maurice, wir sind gleich da“, vorsichtig rüttel ich an dem Jungen, der neben mir sitzt. Seine Augen öffnen sich und er streckt sich kurz. Jedes Mal. Wirklich fast jedes Mal, wenn wir eine etwas längere Strecke mit dem Zug fahren, pennt er ein. Sobald die Bahn anhält, stehen wir auf und quetschen uns aus der Bahn. Wie beim letzten Mal auch, drängen sich die Leute in den Zug und wir müssen uns bemühen, um schnell aus der Bahn zu kommen. Ich bin froh, wenn wir endlich das verdammte Auto haben. Heute sind wir aber nicht wegen einem Auto hier, sondern um uns die Wohnungen anzusehen. Wir haben wirklich Glück gehabt, dass wir die Termine alle auf denselben Tag legen konnten. Vor dem Bahnhof angekommen ziehe ich mein Handy aus der Tasche.

„Lass mich raten, Google Maps?“ Maurice schmunzelt etwas und ich nicke. Ohne das wären wir wirklich aufgeschmissen. Ich folge der vorgeschlagenen Route zur ersten Wohnung und Maurice folgt mir. Das Gebäude sieht von außen nicht ganz so aus, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber vielleicht ist die Wohnung von innen besser. Vor der Tür wartet schon ein Mann auf uns.

„Rankl und Dormer?“, fragt er nach und wir nicken bestätigend, woraufhin er uns ein breites Lächeln schenkt. Gebleachte Zähne. Ganz eindeutig. Die sind nicht natural so weiß. Er reicht uns die Hand und wir erwidern kurz den Händedruch, danach schließt er die Haustüre auf und führt uns in den zweiten Stock des Hauses. Dort schließt er erneut eine Tür auf und lässt uns als erstes die Wohnung betreten. Das erste was ich sehe, ist ein ziemlich offener und heller Flur. Die Tür fällt hinter dem Wohnungseigentümer ins Schloss und wir drehen uns zu ihm um.

„So, da wären wir. Lasst mich euch rumführen“, freudig nickt er und dann beginnt die Tour. Die Wohnung ist nicht sonderlich schlecht, aber ich muss sagen, dass die Bilder im Internet viel besser aussahen. Entweder waren sie überarbeitet oder nicht mehr aktuell. Ich komme mir etwas verarscht vor. Allein aus Prinzip werden wir diese Wohnung nicht nehmen. Es dauert nicht lange und Maurice und ich verlassen die Wohnung wieder.

„Die Wohnung war doch in Ordnung, oder nicht?“, fragt er, während wir zum zweiten Besichtigungstermin gehen.

„Sie war in Ordnung, ja. Aber es war nicht die richtige“, teile ich ihm meinen Entschluss mit. Er mustert mich skeptisch, lässt es aber auf sich beruhen.

Bei der zweiten Wohnung wartet niemand auf uns. Wir klingeln bei dem Vermieter der Wohnung, der ebenfalls in dem Haus lebt. Innerhalb von Sekunden öffnet sich die Tür und wir werden herein gebeten. Als wir den Hausflur betreten, öffnet sich eine der Türen und ein etwas älterer Herr tritt uns entgegen. Er begrüßt uns. Seine Stimme ist ziemlich rau. Am Telefon hatte sie etwas anders geklungen, aber es gab keinen Zweifel. Es war derselbe Herr, mit dem ich den Besichtigungstermin ausgemacht habe. Er führt uns in die Wohnung. Ich fühle mich hier wohler, als in der ersten. Sie ist einladend und geräumig. Dennoch entscheide ich mich dazu, zwar nicht direkt abzusagen, aber wir würden uns trotzdem noch die letzte Wohnung ansehen.

„Und was sagst du zu der Wohnung? Die war doch gut, oder nicht? Wir hätten sie nehmen sollen“, nachdenklich runzelt Maurice die Stirn.

„Lass uns erst noch die dritte Wohnung ansehen, dann entscheiden wir uns“, winke ich ab.

„Ist die dritte Wohnung nicht die größte von allen? Wir hätten wirklich die zweite nehmen sollen, die nächste wird doch viel zu teuer werden!“, er wirkt unruhig.

„Ach was. Keine Sorge.“ Warum beschwert er sich? Er wird die Wohnung ja nicht bezahlen. Also kann es ihm doch eigentlich egal sein, wie viel sie kostet. Kurz schüttel ich den Kopf. Typisch Maurice.

Die dritte Wohnung entspricht von außen schon eher meinen Ansprüchen. Vor der Tür werden wir von einer jungen Frau begrüßt. In ihrer linken Hand hält sie ein Klemmbrett, mit der freien Hand begrüßt sie uns. Auch hier werden wir beinah sofort in die Wohnung geführt. Der weite Flur geht in das große Wohnzimmer über. Schon von weitem kann ich sehen, dass sich dort ein Balkon befindet.

„Nun, wie Sie sehen können, ist die Wohnung derzeit noch bewohnt. Mein Klient zieht jedoch bald aus“, teilt uns die Maklerin mit. Danach führt sie uns weiter durch die geräumige Wohnung. Sie ist sehr gepflegt und bis jetzt sehe ich keinerlei Makel. Bad, Küche und Wohnzimmer entsprechen genau meinen Vorstellungen. Ich kann Maurice ansehen, dass diese Wohnung ihn auch nicht ganz kalt lässt. Wenn die beiden Schlafzimmer jetzt auch noch passen, dann werden wir diese Wohnung wohl nehmen.

Und tatsächlich sind die beiden Schlafzimmer genauso toll wie der Rest der Wohnung. Eins davon hat sogar einen Balkon. Die Wohnung verfügt also über zwei Balkone, das war mir vorher gar nicht bewusst. Dazu noch die Dachterrasse, zu der man nur von unserer Wohnung aus Zugang hat. Perfekter könnte es nicht sein.

„Also dann, wie finden Sie die Wohnung?“, freundlich lächelt uns die Maklerin an, als wir wieder im Eingangsbereich der Wohnung stehen.

„Mhm, ja doch. Wir nehmen die Wohnung.“ Ihr Lächeln wird breiter, während Maurice neben mir unmerklich nach Luft schnappt. Er ist wohl immer noch der Meinung, dass wir uns einfach was kleineres, billigeres suchen sollten.

„Fantastisch. Dann bleibt nur noch zu klären, ob Sie die Möbel behalten wollen oder nicht?“ Ich muss gar nicht lange überlegen. Der Gedanke, von Fremden benutzte Möbel zu benutzen gefällt mir nicht. Alles, was wir ersetzen können, soll auch ersetzt werden.

„Nein danke, damit kann der alte Besitzer der Wohnung machen, was er will. Wir besorgen alles selbst.“ Die Maklerin nickt und macht sich nebenbei Notizen, während Maurice erneut nach Luft schnappt. Ich kann den missbilligenden Blick spüren, ohne ihn ansehen zu müssen.

„Gut, dann hätten wir das geregelt. Ich werde meinem Klienten Bescheid geben und dann handeln wir einen neuen Termin zum Unterschreiben des Mietvertrages und der Schlüsselübergabe aus.“ Ich signalisiere ihr, dass wir verstanden haben und danach verabschieden wir uns. Draußen angekommen seufze ich erleichtert.

„Wir nehmen die Wohnung? Und dann kaufen wir auch noch alle Möbel selbst? Bist du wahnsinnig?“, Maurice schüttelt den Kopf. „Meine Güte Micha. Wie teuer das alles werden wird.“

„Was kümmert's dich denn? Du hast doch mit der Miete nichts zu tun. Das übernehmen meine Eltern und ich. Und mit den Möbeln hast du auch nicht so viel zu schaffen, außer, dass du da natürlich Mitspracherecht hast.“ Man, kann er sich denn nicht einfach darüber freuen? Warum ist er denn so negativ drauf? Hab ich mich vertan und er findet die Wohnung scheiße?

„Oder gefällt dir die Wohnung etwa nicht? Wir können uns auch was anderes suchen, ich dachte nur-“

„Nein, mir gefällt die Wohnung! Aber sie ist so teuer!“ Er unterbricht mich schnell. Die Wohnung gefällt ihm also doch. Na dann.

„Wir nehmen die Wohnung jetzt und gut ist. Beschwer dich nicht darüber.“ Es würde sowieso nichts bringen. Ich will diese Wohnung, Maurice gefällt sie auch, also gehört sie uns. Thema erledigt. Maurice murmelt noch etwas, aber letztlich gibt er sich zu meinem Glück doch damit zufrieden.

Wir laufen zurück zum Bahnhof und springen in den nächsten Zug nach Hause. Jetzt wartet schon wieder eine stundenlange Fahrt auf uns. Wir brauchen wirklich unbedingt ein Auto. Ich glaube, das ist das nächste, worauf ich mich konzentrieren sollte. Mit meinen Eltern ist soweit alles geregelt. Ich muss nur noch das passende Auto finden, aber mein Vater wird mir dabei helfen. Immerhin finanziert er uns das Auto auch. Um die Möbel werde ich mich aber glaube ich selbst kümmern. Ich habe noch genügend Geld auf dem Konto und mein sich jeden Tag von selbst füllendes Portemonnaie habe ich auch noch. Sie sollen nicht alles übernehmen. Um die Tankfüllungen für das Auto werden Maurice und ich uns ja auch selbst kümmern. Ich bin nur froh, dass wir nicht in der Situation sind, nebenbei noch jobben zu müssen. Auch wenn Maurice das nicht gerade begeistert vorgeschlagen hat. Er hat genauso wenig Lust darauf, wie ich. Also werden wir das auch nicht tun, sondern uns voll und ganz auf das Studium konzentrieren.

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