Kapitel 106; Manuel

163 26 24
                                    

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ich freiwillig mit Michael und Maurice Silvester verbringen würde, aber das tue ich und es macht so verdammt viel Spaß. So viel Spaß, dass keiner von uns auf die Uhrzeit geachtet hat und wir durch die ersten Rakten, die im dunklen Himmel explodieren feststellen, dass es Mitternacht ist. Sofort richte ich mich auf und bewege mich zum Geländer der Dachterrasse, um das bunte Lichtspiel der Feuerwerkskörper zu betrachten. Maurice hat scheinbar den gleichen Gedanken wie ich, denn er steht kurz darauf neben mir und widmet seine Aufmerksamkeit dem sich ständig erhellendem Nachthimmel. Eine weitere Person gesellt sich zu uns und ich weiß auch ohne hinsehen zu müssen, dass es Palle ist. Er steht nämlich näher an mir, als er müsste. In meinem Augenwinkel nehme ich war, wie Maurice sich vom Geländer abstößt, scheinbar hat er sich schon am bunten Himmel satt gesehen.

„Frohes Neues“, raunt  Palle und kurz darauf später spüre ich einen Kuss auf meiner Wange. Ich reiße meine Augen auf.

„Bist du verrückt geworden?!“, zische ich und werfe panisch einen Blick über meine Schulter, aber zu meiner Erleichterung steht Maurice so vor Micha, dass sie nichts gesehen haben können. Ich wende mich wieder Palle zu. „Was hätten wir bitte gemacht, wenn sie das gesehen hätten?“

„So schlimm wäre das auch nicht, oder? Ich meine, die beiden verhalten sich doch wieder normal, findest du nicht? Da können wir es doch sagen“, Palle zuckt mit den Schultern und dreht seinen Kopf, um die Lichtexplosionen am Himmel besser zu beobachten. Mein Blick gleitet auch wieder in den Himmel. Eigentlich hat Palle recht. Maurice scheint es wieder besser zu gehen und Micha und er haben zwangsläufig über alles geredet. Die beiden scheinen sich wieder aneinander gewöhnt zu haben und das heißt doch eigentlich, dass wir es ihnen sagen können.

„Eigentlich hast du recht.“

„Aber?“, fragt Palle leise nach und ich muss schmunzeln. War ja klar, dass er nachhakt.

„Aber wir sagen es ihnen nach Silvester, okay?“ Ich blicke wieder zu ihm und er stützt seine Unterarme auf dem Geländer ab. Seufzend lässt er seinen Kopf etwas sinken, lächelt mich aber dann an.

„Na gut“, stimmt er mir dann zu. „Allerdings nur, weil dir das sonst unangenehm wäre“, er grinst frech und deutet auf meinen Schal. Ich verdrehe meine Augen während meine Hand automatisch den Schal umklammert. Ich will etwas erwidern, allerdings nehme ich dann wahr, dass Maurice und Micha sich zu uns gesellt haben. „Frohes Neues“, sage ich und blicke wieder in den Himmel.

„Frohes Neues“, sagt Micha und ich höre, dass er grinst. „Wir haben übrigens vergessen Sekt zu kaufen“, gesteht er dann und Palle lacht.

„Nicht schlimm, dann stoßen wir halt mit was anderem an“, sagt er dann und ich stimme ihm zu.

„Siehst du? Hab doch gesagt, dass das kein Problem ist“, höre ich Maurice flüstern und muss grinsen. Ich kann nicht in Worte fassen wie froh ich bin, dass es Maurice wieder gut geht. Er scheint mit seiner Vergangenheit abgeschlossen zu haben. Der Tod seiner Schwester wird ihn zwar noch weiterhin belasten, aber er frisste es jetzt nicht mehr in sich herein, sondern hat jemanden, dem er sich anvertrauen kann. Micha wird Maurice niemals alleine lassen und ich habe das Gefühl, dass Maurice Distanz gar nicht mehr zu lassen würde.

„Wollen wir nicht reingehen?“, fragt Palle nachdem wir eine Weile schweigend den Himmel beobachtet haben.

„Können wir, ja“, stimmt Maurice ihm zu. „Aber wir sollten erst hier oben aufräumen.“ Wir beginnen damit die Terrasse aufzuräumen und alles was in die Wohnung gehört wieder in diese zu bringen. Palle und ich tragen die Sachen rein und Maurice und Micha stellen sie drinnen an den ursprünglichen Platz zurück. Nach gut zehn Minuten sind wir fertig und stehen mit Sektgläsern, die mit Saft gefüllt sind, in der Küche.

Hast du eigentlich auch genug von mir? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt