Kapitel 41; Michael

212 28 41
                                    

Erleichtert steige ich aus dem Bus und laufe das kleine Stück nach Hause. Ich hasse öffentliche Verkehrsmittel. Egal wann und mit welchem Bus ich fahre, irgendwas ist immer. Ich kann die quängelnden Kinder jetzt noch hören.

Ich komme zuhause an und gehe sofort in mein Zimmer. Die Wohnung ist wie erwartet leer. Maurice ist ja auf Wunsch seiner Freundin zur Uni gefahren. Olivia. Ich hab noch nie von ihr gehört. Wie sie wohl ist? Und warum kennt Maurice sie überhaupt? Und, noch wichtiger, warum hat er sie noch nie vorher erwähnt? Verheimlicht er mir jetzt schon Dinge? Vielleicht ist sie wirklich seine Freundin. Aber das würde ich doch wissen, oder? Maurice hat gesagt, sie ist nicht seine Freundin. Und er lügt nie. Also muss es ja stimmen. Sie ist nicht seine Freundin. Sie kann nicht seine Freundin sein. Richtig. Sonst hätte Maurice ja gelogen. Er ist immer ehrlich und einen Grund, sie zu verheimlichen, hätte er auch nicht. Warum mach ich mir überhaupt Gedanken? Als ob Maurice 'ne Freundin hätte und es mir nicht sagen würde. Klar ist es komisch, dass er sie bisher noch nicht erwähnt hat, aber vielleicht gab's bis jetzt einfach noch keinen Grund dazu. Nein, sie sind nicht zusammen. Sicher nicht.

Die Vibration meines Handys reißt mich aus meinen Gedanken. Irgendwie hoffe ich, es ist Maurice, aber das wäre unwahrscheinlich. Warum sollte er sich auch jetzt melden? Um mir zu sagen, dass ihn die Vorlesung langweilt? Ich schalte das Display an und überprüfe meine Nachrichten. Natürlich ist es nicht Maurice. Er hat ja Olivia, die er mit seiner Langeweile nerven kann.

Schick mir deine Adresse. Nur ein einziger Satz, den Nico mir geschrieben hat.

Creepy lautet meine Antwort und dann lege ich mein Handy kurz auf den Nachttisch, damit ich mich umziehen kann. Ich setze mich aufs Bett und greife wieder nach meinem Handy.

Hallo? Geht's noch? Ich will nur unsere Abmachung erfüllen ;-; wird mir angezeigt. Abmachung? Wann hab ich denn mit ihm 'ne Abmachung getroffen? Oder meint er seinen komischen Vorschlag?

Warte mal, wenn wir über dasselbe reden, musst du überhaupt nichts erfüllen. Ich hab nicht zugestimmt. Das war dein eigenes Wunschdenken.

Blabla, du schickst mir deine Notizen, ich schlepp dich zu 'ner Party. Das war der Deal. Adresse, jetzt (◐‿◑). Also meint er das wirklich. Wenn er mich das nächste Mal nach meinen Mitschriften fragt, überlege ich mir, ob ich so nett bin und sie ihm gebe.

Du hörst auch nur das, was du hören willst, oder?

Komm schon, sei nicht so langweilig. Ich seufze. Wir kennen uns nicht lange und haben meistens nur in einigen Vorlesungen miteinander geredet, aber so wie ich Nico einschätze, wird er mich ewig damit nerven, wenn ich jetzt nicht nachgebe. Außerdem, die Ablenkung würde mir gut tun, oder?

Na schön Ich gebe nach und sende ihm meine Adresse. Zwei Sekunden später bekomme ich schon seine Antwort.

Wir sind in zehn Minuten da.

Wir? Darauf bekomme ich keine Antwort mehr. Ich lege mein Handy weg und stehe auf. Ich hab mich zwar gerade schon mal umgezogen, aber hey: Dann eben jetzt nochmal. Er hätte mir auch sofort sagen können, was er will. Dann hätte ich mich jetzt nicht zweimal umziehen müssen.

Bevor ich ins Bad gehe, checke ich nochmal mein Handy. Keine Nachrichten, keine Erklärung, wer mit Wir gemeint war. Was soll's. Ich werd's ja eh gleich sehen.

Ich bin noch nicht ganz mit meinen Haaren fertig, da klingelt es schon an der Tür. Maurice wird's ja nicht sein. Er hat ja einen Schlüssel, außerdem ist er mit Olivia bei seiner verdammten Vorlesung. Wer weiß, wann er wiederkommt. Ich betätige die Fernsprechanlage neben der Wohnungstür. Das mittlerweile gewohnte Surren ertönt. Bevor ich irgendwas sagen kann, meldet sich schon Nico.

Hast du eigentlich auch genug von mir? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt