Kapitel 2; Manuel

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Tag der offenen Tür. Ob es mir etwas bringen würde, dahinzugehen? Letztendlich war Universität doch Universität und ich habe mir schon eine angesehen, zugegeben die hatte mir nicht gefallen, aber das lag eher an den Studiengängen und nicht an der Universität als solche. Aber extra dorthin fahren nur um sich den Gebäudekomplex anzusehen, der eh potthässlich sein würde? Andererseits wäre ich dann nicht zuhause. Nachdenklich starre ich auf den Cursor des Eingabefeldes von dem Internetbrowser. Soll ich hinfahren? Schnell tippe ich eine Webadresse in das Feld ein und wurde gleich zur Seite des Fernverkehrs geleitet. Meine Finger bewegen sich über die Tastatur und tippen die Städte ein. Verbindungen anzeigen und 34€ kostet die günstigste. Das ist zu viel, das kann ich nicht bezahlen nur um mir eine dumme Uni anzusehen, auch wenn es verlockend ist einfach mal einen Tag weg zu sein.

Seufzend klappe ich den Laptop zu und lasse mich nach hinten in mein Bett fallen. Das war einfach nur deprimierend, aber bevor ich weiter in Selbstmitleid versinken kann, vibriert mein Handy. Ich ziehe es aus der Hoddietasche und auf dem Display wird mir schon die Nachricht angezeigt und ich muss grinsen. Ich gebe den Pin ein, öffne die Chatapp und drückte auf den Kontakt. Palle fragt, ob ich nicht zum Tag der offenen Tür von genau der Uni möchte, die ich mir gerade noch angesehen habe. Palle schreibt wieder und ein paar Augenblicke später hab ich eine neue Nachricht, die sagt, dass er sich die Uni auf jeden Fall ansehen möchte und wenn wir zusammen fahren würde es günstiger wäre. Manchmal ist es echt unheimlich was für ein Timing Palle hat. Ich bewege meine Daumen über die kleine Handytastatur Kannst du Gedankenlesen? :O xD und grinse schon bevor ich auf senden drücke. Unwillkürlich fasse ich mir an meine Brille. Mein Opa hat sie für mich hinterlassen, nicht in seinem Testament, aber ich habe die Brille in seinem Lesezimmer gefunden. Neben dem großen alten Sessel in dem verstaubten Bücherregal mit den richtig dicken Wälzern lag ein unscheinbares Etui und als ich es aufklappt habe, kam die Brille zum Vorschein. Nicht sehr verwunderlich, schließlich war es ein Brillenetui, was hätte sich sonst darin befinden sollen? Aber neben der Brille war noch ein kleiner Zettel auf dem stand, dass die Brille für mich ist, er sie keinem anderen außer mir anvertrauen kann und ich sehr gut darauf aufpassen muss. Das die Brille keine normale Brille ist, ist mir erst während dem Tragen aufgefallen. Fasziniert, war ich zu diesem Zeitpunkt lediglich von der Tatsache, dass die Brille in meiner Stärke war. Zunächst habe ich es für bloße Einbildung gehalten als ich Wortfetzten mitbekam, die ich nicht mitbekommen sollte. Es hat mich so irritiert und ich dachte zu dem Zeitpunkt, dass ich verrückt werde, aber das war nicht der Fall. Mit der Zeit wurden die Wortfetzten immer klarer und meine Augen nahmen eine immer grünere Farbe an. Ich muss Menschen nur in die Augen sehen und sie etwas mustern und schon fliegen mir ihre Gedanken zu. Besonders starke Gedanken kann ich auch ohne Augenkontakt lesen, aber das passiert nur gelegentlich.

Mein Handy vibriert und wieder sehe ich auf dem Display, das mittlerweile dunkel ist, Palles Namen aufleuchten. Palle war was das Gedankenlesen angeht irgendwie seltsam. Ich konnte ihn ohne Probleme lesen, habe mich auch deswegen dafür entschieden ihm damals zu helfen, weil seine Gedanken egal wie ich mich verhielt nie gemein oder gehässig wurden und wenn es ihm doch passierte, bereute er es im nächsten Gedanken sofort. Es war einfach erstaunlich angenehm neben ihm zu sitzen, da seine Gedanken so ruhig waren im Vergleich zu den emotionalen Ausbrüchen, die ich von anderen mitbekomme. Vermutlich ist das auch einer der Gründe dafür gewesen warum ich mich immer neben ihn gesetzt habe. Ein anderer Grund dafür war, dass er mit seinen Gedanken mir gegenüber richtig lag: Ich war erst zufrieden mit meiner Note, wenn andere schlechter waren als ich. Es gab mir einfach so ein Gefühl von Genugtuung zu wissen, dass ich besser war und da Palles Noten relativ bescheiden waren, fühlte ich mich in seiner Nähe wohl. Bis ich mich dazu entschieden habe ihm zu helfen, weil er einfach einer der wenigen Menschen ist, der mich nicht als Streber abstemmelt, sondern positiv Notiz von mir nimmt. Ich wollte damals nicht, dass er schlecht über mich denkt und dann hab ich ihm meine Hilfe angeboten. Plötzlich war er ein guter Schüler. 15 Punkte. Es war echt schwer gewesen ihn nicht zu hassen. Sogar verdammt schwer, aber ich wollte ihn als Freund haben, weil ich weiß, dass er ein guter Freund ist und wir uns in der kurzen Zeit so gut verstanden haben. Also hab ich versucht mich für ihn zu freuen. Am Anfang war es schwer, aber irgendwann hat es geklappt und damit ist Palle die einzige Person, für die ich mich aufrichtig freuen kann. Einen bitteren Nachgeschmack hat es noch, aber solange Patrick schlechter ist als ich selbst, kann ich mich ehrlich für ihn freuen, anstatt mich nur daran zu erfreuen, besser zu sein als er. Mit den guten Noten wurden Palles Gedanken auch irgendwie seltsam. Alle Gedanken, die zu mir drangen, waren mit Stolz gefüllt. Sei es nun über die guten Noten oder auch darüber, dass er mich zu einem Film überreden konnte oder noch etwas völlig triviales. Stolz war das einzige was von seinen Gedanken übrig blieb. Sie waren weiterhin ruhig und stören mich nicht wirklich, aber seine vorherigen Gedanken hatten mir besser gefallen und jetzt fühlt es sich so an, als ob er einen Filter hätte.

Wieder vibriert das Handy in meiner Hand und sofort entsperre ich den Bildschirm, um seine Nachrichten zu lesen. Die erste Nachricht: Klar und deine Gedanken gefallen mir ;D xD, dann die zweite: Aber jetzt ernsthaft, wollen wir da zusammen hin? Das Klein-Gruppen-Ticket kostet nur 15€, das können wir uns ja aufteilen. Und das war ein weiterer Grund warum ich es nicht zulassen konnte den Jungen als Freund zu verlieren. Seit ich das erste Mal bei Palle zu Besuch war und etwas zu lange vor dem vollen Kühlschrank gestanden habe, hat dieser leider sofort die richtigen Schlüsse gezogen. Meine Familie war recht groß und wir hatten nicht viel Geld. Zuerst hatte Palle mir sehr offen angeboten, dass ich doch immer zu ihm komme könnte und das ich ihm das ruhig hätte sagen können, dann hätte er doch sein Essen mit mir geteilt und das war der Moment in dem ich sein kleines Helfersyndrom abwürgte. Ich wollte nicht, dass er sich Umstände machte und Mitleid brauchte ich auch nicht. Aber seitdem war er irgendwie rücksichtsvoller und er bemerkte sofort, wenn ich an irgendetwas nicht teilnehmen konnte, weil mir das Geld fehlte und er fand Wege es mir auch ohne das Geld zu ermöglichen. Oft kauft Palle auch zwei Brötchen weil er so "viel" Hunger hat und es endet immer damit, dass er mir das übrig gebliebene Brötchen aufschwazt, was zufälligerweise immer mein Lieblingsbrötchen ist. Auch den Laptop habe ich nur durch Palle bekommen. Ich weiß nicht mehr genau wie wir darauf kamen, aber ich habe ihm erzählt, dass meine gesamte Familie einen gemeinsamen Rechner hat und meine Brüder mich eigentlich nie an diesen ran lassen. Palle hat vorgehabt mir den Laptop zu schenken, weil er eh einen neuen haben will, aber das konnte ich nicht annehmen. Letztendlich hat er ihn mir für 50€ verkauft, obwohl es ihn gequält haben muss mir das Geld abzunehmen, denn seine Gedanken waren leer gewesen. Kein Stolz hat seinen Kopf gefüllt und alle anderen Gefühle kamen nicht durch diesen komischen Filter durch. Am liebsten würde ich ihn einfach fragen was es damit auf sich hat, aber das kann ich ja schlecht tun. Er würde mich für verrückt erklären. Stattdessen öffne ich die Handytastatur Okay, dann lass das zusammen machen. Ich muss nur ein paar Sekunden warten und schon bekomme ich eine Antwort. Nice, dann bestell ich gleich das Ticket. Bin so gespannt wie die Uni sein wird ^^.

Ach, es ist so ungewohnt aus Manus Sicht zu schreiben, aber es gefällt mir ganz gut. Vor allem das mit den Gedankenlesen macht mir Spaß xD (Silberschwingen)

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