Kapitel 13; Michael

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Der gestrige Tag ist komplett für den Möbelaufbau drauf gegangen. Wenigstens steht jetzt alles an seinem Platz und auch die Kartons sind ausgeräumt. Jetzt wirkt die Wohnung schon sehr viel wohnlicher. Man könnte denken, wir wohnen schon länger hier. Zum Glück. Ohne Möbel lebt es sich schwerer, als man vielleicht denkt. Maurice und ich haben diese Nacht wieder getrennt geschlafen. Jeder in seinem Zimmer, jeder in seinem Bett. Es hat mich genervt, irgendwie. Seine Nähe ist ziemlich angenehm und es hätte mich nicht gestört, wenn er wieder neben mir geschlafen hätte. Wir sind Freunde, also sehe ich kein Problem dabei, seine Nähe zu suchen. Zumal es ihn ja sowieso nicht zu stören scheint. Sonst hätte er es nicht einfach so hingenommen, oder? Ich bin es gewohnt, dass er alles einfach so akzeptiert. Wahrscheinlich ist das auch einer der Gründe, warum wir so gut miteinander auskommen. Seine Gleichgültigkeit kommt mir eigentlich immer zugute. Auch wenn er manchmal ganz schön faul sein kann. Sage ich ausgerechnet jetzt. Dabei bin ich selbst noch nicht aufgestanden, obwohl ich schon ziemlich lange wach bin. Wie viel Uhr ist es überhaupt? Ich strecke meine Hand aus und taste auf dem kleinen Tischchen neben mir nach meinem Handy. Ich stoße mit meinen Fingern dagegen und kurz habe ich Angst, dass es runter rutscht, was zum Glück nicht passiert. Umständlich greife ich es und zieh es zu mir. Das aufblinkende Licht ist in der Dunkelheit deutlich zu sehen und symbolisiert mir, dass ich neue Nachrichten habe. Das Licht des Displays blendet mich und ich kneife instinktiv meine Augen zusammen. Schnell stelle ich die Helligkeit meines Handys runter. Viel besser. Bevor ich mich um die Nachrichten kümmere, sehe ich auf die Uhrzeit. Fast 11 Uhr. Shit. Normalerweise hätte Gonzo mich schon längst dazu genötigt, aufzustehen, damit ich mit ihm Gassi gehe. Aber hier ist kein Gonzo, der mich dazu zwingt, früh aufzustehen. Man, ich vermisse ihn wirklich. Der einzige, der hier ist, ist Maurice und dem traue ich zu, dass er noch schläft. Ich überprüfe meine Nachrichten und muss lächeln, als eine davon ein Bild ist, auf dem meine Mutter und Gonzo zu sehen sind, aufgenommen und gesendet von meinem Vater. Die anderen Nachrichten sind von Freunden, die mich darüber aufklären, was zuhause so abgeht und was ich alles verpasse. Knapp beantworte ich die Nachrichten. Langsam sollte ich wirklich mal aufstehen, ich habe schon genug Zeit im Bett verbracht. Ich strecke mich kurz und dann rappel ich mich wirklich auf. Hoffentlich normalisiert sich mein Schlafrythmus wieder etwas, wenn das Semester anfängt. Wahrscheinlich nicht. Aber man darf ja wohl noch hoffen dürfen.

Ich nähere mich vorsichtig der Balkontür, um in der Dunkelheit nicht zu stolpern. Wenn ich jetzt auf die Fresse fliege, lege ich mich echt wieder ins Bett und penn bis morgen. Der Stoffvorhang sorgt dafür, dass kein bisschen Licht ins Zimmer scheint. Ich reiße ihn zur Seite und öffne dann die Schiebetür, um zu Lüften. So, jetzt ist es hier wenigstens nicht mehr so dunkel. Anschließend verschwinde ich im Bad, um duschen zu gehen. Wie erwartet sehe ich Maurice nirgendwo, er schläft also wahrscheinlich wirklich noch.

Als ich wieder in mein Zimmer komme, betrete ich sofort den Balkon. Ich lehne mich an das Eisengeländer und genieße meine Ruhe. Wir haben wirklich Glück, die oberste Wohnung bekommen zu haben. Das einzige nervige, wäre, wenn jemand auf der Dachterrasse rumtrampeln würde, aber der einzige Zugang zu eben dieser befindet sich in unserer Wohnung und wenn Maurice mal da oben ist, ist er leise. Das ist auch der Grund, warum ich mir das einzige Zimmer, abgesehen vom Wohnzimmer, geschnappt habe, dass einen Balkon besitzt. Wir haben eh die Dachterrasse. Außerdem wollte ich das Zimmer und Maurice war's egal, also hab ich es mir genommen. Apropos Dachterrasse. Ich glaube, ich hab gestern einen Schraubenzieher da oben vergessen, nachdem ich da ein paar Möbel zusammengesetzt habe. Jedenfalls hab ich ihn nicht mehr gefunden, also muss er ja da sein. Ich sollte ihn besser holen, sonst vergesse ich das noch. Seufzend verlasse ich den Balkon wieder. Die Tür schließe ich hinter mir.

Auf dem Weg zur unscheinbaren Tür gegenüber des Bads achte ich auf Geräusche. Da ich aber keine höre nehme ich an, dass Maurice immer noch schläft. Ich öffne die Tür und laufe schnell die Treppen hoch. Oben angekommen drücke ich die verglaste Luke auf und laufe die restlichen Stufen hoch, bis ich auf dem Dach stehe. Danach schließe ich die Luke wieder. Nur wo ist der Schraubenzieher jetzt? Theoretisch könnte der ja fast überall hingerollt sein. Oh Man, ich hab keine Lust, jetzt zehn Jahre nach einem scheiß Werkzeug zu suchen. Trotzdem beginne ich damit, die Dachterrasse abzusuchen. Wenigstens kann ich ein paar Bereiche von der Suche ausschließen. Es wäre schon sehr unwahrscheinlich, wenn der Schraubenzieher im Whirlpool oder in den Blumenkästen gelandet wäre. Nein, der ist bestimmt nur unter den Tisch oder einen der Rattansessel gerollt. Und tatsächlich, unter dem letzten Stuhl finde ich den verdammten Schraubenzieher. Ich hebe ihn auf und lege ihn auf den Tisch. Anschließend setze ich mich in einen der Sessel. Allerdings lasse ich das Werkzeug nicht aus den Augen. Am Ende rollt der sonst wieder irgendwo hin und ich muss den nochmal suchen.

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