Hast du eigentlich auch genug von mir?

Kapitel 26; Manuel

„Wieso gibt er mir nicht einfach das scheiß Amulett und gut ist?“, fängt Palle wieder an. Seit geraumer Zeit regt er sich schon darüber auf und ich verstehe ihn einfach nicht. Bis eben ist er noch geladen im Wohnzimmer auf und ab marschiert, aber jetzt setzt er sich auf den kleinen Sessel gegenüber von mir.

„Ist doch unfair, wenn einer von uns zwei Gegenstände hat“, sage ich von der Unterhaltung gelangweilt. Eine richtige Unterhaltung ist es eigentlich nicht, denn seit die beiden weg sind, beschwert Palle sich über Michaels Verhalten. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass Palle sich jetzt schon seit einer Stunde aufregt. Was ist denn los mit ihm?

„Aber Michael darf zwei haben, oder was?!“, fährt er mich plötzlich an und seine momentane Laune gefällt mir überhaupt nicht. Seine Tonlage ist so patzig. Mittlerweile glaube ich wirklich, dass das Amulett bei Michael besser aufgehoben ist.

„Er wird es wohl kaum benutzen so genervt wie er gestern davon war“, und so fixiert wie er auf Maurice ist, ist ihm das Teil eh egal. Vielleicht hat er es auch Maurice gegeben, weil dieser ihn danach gefragt hat und schon hat Michael es ihm gegeben.

„Bist du etwa auf seiner Seite?!“, Palle sieht wütend zu mir. Langsam reicht es mir echt. „Ich dachte, du hasst ihn und jetzt ziehst du ihn mir vor?“

„Weißt du was? Vielleicht tue ich das gerade. Michael ist ein Arschloch, aber du benimmst dich gerade noch viel schlimmer. Was ist los mit dir?“, frage ich und mustere ihn besorgt. Was ist bitte in ihn gefahren? So verhält er sich doch sonst nicht. Wo ist der nette, zuvorkommende Junge mit dem Gerechtigkeitssinn und der Gutmütigkeit hin? Ich will ihn wieder haben. Palle sieht zu mir und dann erschlafft seine angespannt wütende Haltung und er lässt seinen Kopf in seine Hände sinken.

„Scheiße“, murrt er, dann hebt er seinen Kopf wieder an und blickt in meine Richtung. „Es tut mir leid, Manu. Ich weiß auch nicht was mit mir los ist.“ Ich sehe zu ihm und er scheint ziemlich verzweifelt zu sein. „Das hat sich einfach so gut angefühlt, als sie so an mir hing“, flüstert er und sieht auf den Boden. „Ich wollte nicht mal- also-“, er bricht ab.

„Mit ihr schlafen?“, frage ich und sehe wie er kaum merklich nickt. „Was wolltest du dann? Du hättest sie doch geküsst, oder?“ Wieder dieses leichte Nicken und irgendwie tut es weh. Es tut weh ihn so geknickt zu sehen. Ist geknickt der richtige Ausdruck? Ich weiß es nicht, aber egal wie man es nennt er soll nicht so sein. Ich will nicht, dass er sich schlecht fühlt.

„Es hat sich so gut angefühlt, dass sie so an mir gehangen hat, aber nicht auf so 'ner sexuellen Ebene, sondern irgendwie- ach, ich weiß auch nicht. Es hat sich einfach verdammt gut angefühlt, als sie sich so an mich geworfen hat“, er schaut wieder zu mir und ich sehe eine Tränenschicht über seinen Augen. Er soll aufhören mich so traurig anzusehen, sonst fang ich auch noch an. Ich spüre schon wie meine Nase anfängt zu brennen. „Manu, was stimmt nicht mit mir? Was ist das? Das hatte ich noch nie.“ Wieso fragt er mich das? Ich weiß doch auch nicht, was los ist. Seine Körperhaltung ist so klein gerade, das bin ich nicht von ihm gewöhnt. Er soll damit aufhören. Er soll wieder Stolz sein und- Stolz. Mein Blick gleitet zum Ring an dem er geistesabwesend rumspielt. Was stand im Drama nochmal? Da stand nicht Stolz. Der Ring symbolisiert nicht Stolz, ich denke das nur immer weil seine Gedanken so stolz sind. Aber es ist was anderes. Fuck, wie heißt die kacke noch mal! Pride. Wieso fällt mir nur das scheiß englische Wort ein? „Manu?“, Palle sieht mich abwartend an.

„Wie heißt noch mal die Todsünde zu deinem Ring?“, frage ich anstatt ihm zu antworten und kurz ist er verwirrt. Er blickt auf seinen Ring, blinzelt sieht wieder zu mir.

„Glaubst du, dass es am Ring liegt? Der symbolisiert doch nur Pride, oder nicht?“, wieso fällt ihm auch nur das englische ein?

„Nein, eben nicht“, ich ziehe mein Handy vor und google die sieben Todsünden. „Hast du dich eigentlich mal über deine Todsünde informiert?“, frage ich ihn und er schüttelt seinen Kopf. Ich öffne die Wikipediaseite, scrolle nach unten und da steht sie gleich als erste Sünde: Superbia. Hochmut. „Hochmut“, sage ich, „dass ist die Sünde des Rings. Stolz ist darin beinhaltet, aber das ist nicht der einzige Bestandteil.“ Palle sieht zu mir und dann steht er auf und setzt sich neben mich. Ich tippe auf den blaugefärbten Hyperlink von Hochmut und dieser führt mich zu einem neuen Wikipediaeintrag. Schweigend lesen Palle und ich die Informationen durch. Ich werfe ihm hin und wieder Blicke zu, aber er ist zu sehr auf den Text fixiert, als dass er es merken würde. Plötzlich lacht er bitter.