Schweigend sitzen wir im Bus auf dem Weg in unsere Wohnung. Da es schon recht spät ist sitzen nur zwei weitere Personen mit im Bus, die aber gerade am Marktplatz aussteigen. Palle neben mir ist ungewöhnlich ruhig und er spielt die ganze Zeit an seinem Ring rum. Ich will was sagen. Ich will ihm sagen, dass alles gut wird und Zorn ihn nicht töten wird, aber kein Wort verlässt meine Lippen. Patrick hat Angst und ich kann nichts dagegen tun. Nichts was ich sagen würde, könnte etwas daran ändern, dass eine Verrückte mit 'ner Knarre hinter uns her ist. Vorallem hinter dem Ring und damit hinter Patrick her ist.
Der Bus hält und wir steigen aus und unzählige Worte und Sätze fliegen durch meinen Kopf. Ich könnte so viel sagen, aber gleichzeitig wäre alles was ich sage nichtig. Zorn ist hinter uns her. Das kann ich nicht beschönigen, aber irgendetwas muss ich tun oder sagen. Patrick so absolut leise und in sich gekehrt zu sehen, macht mich fertig. Normalerweise ist er doch derjenige von uns, der positiv denkt und immer was Aufbauendes sagen kann. Und ich? Ich kann das nicht. Mir fällt nichts ein, was ihn beruhigen könnte. Verdammt, ich hab doch selbst Angst! Langsam steigen wir die Stufen zu unserer Wohnung nach oben und Palle schließt die Tür auf. Wir betreten den Flur unserer Wohnung und während ich die Tür hinter uns zuziehe, lässt Palle sich kraftlos auf das Sofa sinken. Shit. Das tut so weh.
„Palle“, sage ich und er sieht zu mir und ich sehe den dünnen Tränenschleicher, der sich über seine Augen gelegt hat und das was ich sagen wollte bleibt mir ihn Hals stecken. Scheiße. Palle sieht noch etwas zu mir und dann wendet er sich von mir ab. Shit. Ich bin einfach unfähig ihn jetzt irgendwie aufzuheitern. Ich gehe in die Küche, stelle einen kleinen Krug mit Milch in die Mikrowelle und erwärme sie. Sobald die Mikrowelle piepst, hole ich die Milch raus und schütte sie in eine Tasse, in die ich schon Kakaopulver getan habe. Ich verrühre das Pulver in der Milch und gehe dann zurück ins Wohnzimmer. Die Tasse stelle ich wortlos vor Palle in der Hoffnung, dass er in der Geste den Trost sieht, den ich ihm verbal nicht geben kann. Wieso bin ich eigentlich so unfähig? Wieso kann ich gerade keine Worte hervor bringen. Palle sieht zur Tasse, dann zu mir. Ich öffne meinen Mund, will ihm sagen, dass wir das schon zusammen irgendwie hinbekommen. Will ihm sagen, dass ich auch Angst habe, aber ich bekomme keinen Ton raus. Palle lächelt schwach und irgendwie zerreißt mich das. Dieses Lächeln. Als würde er mir sagen wollen, dass okay ist, dass ich nicht weiß was ich sagen soll. Wenn ich jetzt so neben mir wäre wie er, würde er trotzdem wissen, was er sagen muss. Er weiß immer was er sagen muss, damit es mir besser geht und ich? Ich habe absolut keine Ahnung. Einfach erbärmlich. So unglaublich erbärmlich von mir. Ich werde es ja wohl hinbekommen irgendetwas zu sagen.
„Palle“, beginne ich erneut und er sieht zu mir. Das Lächeln ist weg. Stattdessen zittern seine Lippen etwas. Shit. Ich spüre wie meine Nase brennt und ein Tränenschleicher sich auch über meine Augen legt. „Wir sind nicht alleine“, bringe ich hervor. „Wir schaffen das schon. Maurice kann doch die Zeit stoppen und ich kann Gedankenlesen und mit Michaels Geld wandern wir einfach aus wenn was schief geht, durch dich kommen wir in jedem Land mit jeder Sprache zurecht.“ ich lache etwas und hoffe, dass Palle auch lacht und das tut er. Gott sei Dank. Lachen ist immer noch die beste Medizin, oder?
„Aufmuntern ist nicht unbedingt deine Stärke, aber wenigstens versuchst du's“, sagt er dann und steht auf. „Danke, für den Kakao, aber ich glaube ich gehe jetzt schlafen.“ Scheiße. Ich hab versagt. Ich hätte es einfach dabei belassen sollen, dass wir nicht alleine sind, anstatt zu versuchen ihn zum Lachen zu bringen. Wie kann man nur so dumm sein? Langsam geht Palle in Richtung seines Zimmers und ich starre auf den Kakao, der dampfend in einer bunten Tasse auf dem Wohnzimmertisch steht. Scheiße. Wieso bin ich so unfähig? Ich blinzle die Tränen weg, die sich bilden wollen und setzte mich auf die Couch. Fuck. Was soll ich jetzt machen? Ich starre auf die Tasse, die noch leicht dampft. Was jetzt? Kann ich überhaupt noch irgendwas tun, um Palle zu beruhigen? Vermutlich nicht. Auf jeden Fall kann ich das nicht. Warum bin ich so schlecht mit Worten in solchen Situationen? Ich stehe auf und stelle den Kakao in den Kühlschrank, weil ich mich nicht dazu bringen kann ihn selbst zu trinken, ich ihn aber auch nicht wegkippen möchte. Danach gehe ich in mein Zimmer und ziehe mich um. Jetzt liege ich wach in meinem Bett. Ob Palle schlafen kann? Was wenn er weint? Bei diesem Gedanken zieht sich alles in mir zusammen. Ich will nicht, dass er traurig ist. Ich stehe wieder auf, gehe zu seiner Zimmertür und klopfe an, obwohl ich keine Ahnung habe, was ich ihm sagen soll.
„Ja?“, dringt Palles Stimme leise und gedämpft zu mir. Langsam öffne ich die Tür.
„Hey“, flüstere ich und gehe auf sein Bett zu, in dem er liegt. Es ist dunkel, aber trotzdem erkenne ich, dass er geweint hat. „Kannst du auch nicht schlafen?“, frage ich und er nickt. „Willst du alleine sein?“, bevor er antworten kann, rede ich weiter. „Ich will nämlich jetzt nicht alleine sein. Darf ich bei dir schlafen?“ Keine Ahnung woher dieser Vorschlag kommt, aber das Kuscheln hat ihm ja letztens geholfen, vielleicht hilft es ihm jetzt wieder. Ob mir seine Nähe helfen wird weiß ich nicht, aber das ist mir egal. Palle schweigt. Sehr lange. Shit. „Vergiss es, ich geh wieder“, stammel ich und will das Zimmer verlassen.
„Komm schon her“, sagt Palle und zögerlich gehe ich wieder auf das Bett zu, um mich neben ihn zu legen. Wieder bin ich so unglaublich nervös und angespannt, aber als Palle mich an sich zieht, versuche ich mich zu entspannen indem ich mich an ihn kuschel. Hoffentlich hilft ihm das. Es ist nämlich immer noch seltsam so an Palle gekuschelt zu liegen. „Danke, Manu“, haucht er und drückt mich kurz etwas fester. Es scheint Palle wirklich zu beruhigen und das ist die Hauptsache.
Sorry, dass das Kapitel so spät kommt. Ich war bis gerade eben unterwegs.
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Hast du eigentlich auch genug von mir?
FanfictionEin neuer Lebensabschnitt beginnt, wenn man das Abitur hinter sich hat und jetzt nach einer geeigneten Universität sucht. Am liebsten möchte man ja ganz weit weg von zu Hause und endlich eine eigene Wohnung und Freiheit haben. Aber so einfach ist da...