„Maurice, willst du das jetzt wirklich machen? Ist das dein Ernst?“ Ich fühle mich wie betäubt, während ich Maurice bis zur Wohnungstür folge. Er bemüht sich, seine volle Tasche zu schleppen und ich würde ihm helfen, wenn's hier nicht um seinen Auszug gehen würde.
„Ja, Micha. Sorry, aber es ist besser so“, seine Stimme ist ruhig, nicht anders als sonst, aber doch bestimmt. Er meint es ernst.
„Bitte, Maurice. Können wir wenigstens nochmal darüber reden? Ich weiß ja nicht mal, was das ganze überhaupt soll!“ Verzweifelt greife ich nach seinem Arm, bevor er die Tür öffnen kann. Die Art und Weise, wie er vor mir her läuft, ohne sich auch nur einmal zu mir umzudrehen, macht mich einfach fertig.
„Nein. Vergiss es. Der Autoschlüssel liegt da, wo er immer liegt. Die anderen Sachen, die von dir sind, lass ich auch hier“, er dreht sich zu mir um, allerdings nicht lange. Dennoch reicht es aus, um sein mildes Lächeln zu sehen. Und es verwirrt mich. Wie kann er mich einerseits so anlächeln, andererseits aber just in diesem Moment die Tür aufreißen, um die Wohnung zu verlassen? Ich versteh's nicht. Sobald er die ersten Schritte aus der Wohnung setzt, liegt seine Aufmerksamkeit nicht mal mehr bei mir.
„Danke, dass ihr mich erstmal aufnehmt“, er nähert sich Patrick und Manuel, die schon wie Aasgeier vor der Wohnung gewartet haben. Wie die beiden überhaupt in den Hausflur kommen, ist mir schleierhaft und gerade auch nicht meine Hauptsorge.
„Klar, gerne. Das ist ja kein Problem“, Patrick lächelt Maurice an, nimmt ihm seine Tasche ab. Dann richtet sich sein Blick auf mich. Etwas Mitleidiges, fast schon Entschuldigendes liegt darin. Aber das macht das ganze auch nicht besser. Vor allem, da Manuels Gesichtsausdruck das komplette Gegenteil von Patricks darstellt. Schadenfreude, offener Hohn ist klar erkennbar- und er macht sich nicht mal die Mühe, es zu verstecken.
Maurice und Patrick setzen sich in Bewegung, wollen verschwinden. Ohne mich noch einmal anzuschauen laufen die beiden die Treppen runter. Maurice haut also wirklich ab und lässt mich alleine. Das ist verdammt verletzend. Was habe ich denn getan? Wieso schmeißt er unsere Freundschaft jetzt einfach so weg? Ich kann das nicht zulassen. Er darf jetzt nicht einfach so gehen, ohne mir wenigstens zu erklären, warum. Ich will ihnen nach laufen, will sie zurückhalten. Ich muss sie einfach aufhalten. Ich setze die ersten Schritte in Richtung Treppe, doch plötzlich schiebt sich Manuel vor mich. Er drängt mich zurück in den Flur meiner Wohnung und sobald er mir meine Verzweiflung ansieht, bildet sich wieder sein spöttischer Gesichtsausdruck.
„Pah. Menschen wie du. Du denkst auch, du könntest dir mit deinem Geld alles kaufen, oder?“, ein abfälliges Lachen verlässt seinen Mund. „Wie ist das so? Wie ist das, zu erleben, dass einer der wenigen, der nicht nur wegen deinem Reichtum mit dir befreundet ist, dich verlässt? Tut weh, oder?“ Ja, es tut weh. Da hat er recht. Und gerade deshalb kann ich mich jetzt nicht mit ihm auseinandersetzen. Ich muss zu Maurice. Ich muss das klären.
„Verdient ist es ja schon, weißt du? Deine anderen Freunde kannst du vielleicht mit Geschenken an der Stange halten, aber Maurice will die ganze Scheiße nicht. Maurice will dich nicht“, sein Grinsen wird breiter, sein Gesichtsausdruck noch eine Spur spöttischer. Ich will mich an ihm vorbeidrängen, Maurice und Patrick folgen, doch ich kann mich nicht von der Stelle losreißen. Die anfängliche Taubheit nimmt mich immer weiter ein. Es ist, als würde ich unter Wasser gezogen werden, während die Flüssigkeit meine Lungen immer mehr füllt. Ich kämpfe dagegen an, doch ich erreiche die Oberfläche nicht mehr. Meine Wahrnehmung verzerrt sich, Manuels Gesicht gleicht mittlerweile mehr einer Fratze, die mich erwartet, sollte ich jemals wieder aus den Fluten auftauchen. Doch ich bezweifle, dass es jemals wieder so weit kommen wird. Nur am Rande nehme ich wahr, wie Manuel sich dem Ausgang der Wohnung nähert.
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Hast du eigentlich auch genug von mir?
FanfictionEin neuer Lebensabschnitt beginnt, wenn man das Abitur hinter sich hat und jetzt nach einer geeigneten Universität sucht. Am liebsten möchte man ja ganz weit weg von zu Hause und endlich eine eigene Wohnung und Freiheit haben. Aber so einfach ist da...