Kapitel 21; Michael

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Widerwillig löse ich mich von Maurice, der leise grummelt und sich auf die Seite dreht. Gerne wäre ich noch neben ihm liegen geblieben, aber die voranschreitenden Zeiger der Uhr steigern mein schlechtes Gewissen mit jedem Tick. Möglichst leise, um Maurice nicht zu wecken, nehme ich mir Kleidung aus meinem Schrank und verschwinde im Bad. Ich gehe duschen und nachdem meine Haare zumindest einigermaßen trocken sind, schalte ich den Haartrockner aus, lege ihn an seine ursprüngliche Position und gehe dann in die Küche.

Ich trotte auf den Schrank über der Spüle zu. Während ich mit der einen Hand nach einer Tasse greife, schalte ich mit der anderen Hand die Kaffeemaschine ein. Sobald das rhythmische Blinken des Knopfes zu einem konstanten Leuchten wird, stelle ich die Tasse unter die Maschine und betätige die Taste. Während ich dabei zusehe, wie die dampfende Flüssigkeit in die Tasse läuft, höre ich, wie hinter mir jemand die Küche betritt. Erneut öffne ich die Schranktür und schnappe mir eine zweite Tasse, die ich auf die Arbeitsfläche stelle. Die Maschine stoppt und die letzten Tropfen finden ihren Weg in meine Tasse. Ich nehme sie mir und trete zur Seite, damit Maurice den Wasserkocher auffüllen kann. Und tatsächlich macht er das auch sofort. Wenn er die Wahl zwischen Kaffee und Tee hat, nimmt er immer den Tee. Maurice ist der einzige Grund, warum wir so viele verschiedene Teesorten hier haben. Das Wasser fängt an zu kochen und das langsam lauter werdene Blubbern ist das einzige Geräusch, welches die Stille übertönt. Ich lehne mich gegen die Kücheninsel und beobachte Maurice dabei, wie er sich seinen Tee zubereitet. Als er fertig ist, dreht er sich um und lehnt sich mir gegenüber an die Küchenzeile.

„Es ist ziemlich kalt geworden, oder?“ Maurice nimmt einen Schluck von seinem Tee und ein zufriedenes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. Seine Hände umschließen die Tasse und er benutzt die Ärmel seines zu großen Hoddies, um sie sich nicht zu verbrennen. Kurz überlege ich, wie es wäre, wenn Maurice einen meiner Hoddies tragen würde. Sähe bestimmt süß aus, irgenwie. Ich verwerfe den Gedanken wieder, als Maurice mich abwartend ansieht.

„Ja stimmt. Es wird langsam immer kühler“, beantworte ich endlich seine Frage. Sieht so aus, als wäre es langsam aber sicher an der Zeit, die Heizungen aufzudrehen. In ein paar Wochen kann man wohl nicht mehr einfach so draußen sitzen, den Pool können wir die nächsten Monate wohl komplett vergessen. Beheizbar ist er ja, das ändert aber nichts daran, dass es draußen einfach scheiße kalt sein wird. Das Auto steht wenigstens im Parkhaus, also muss ich mir darum keine wirklichen Sorgen machen. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass es in ein paar Monaten schneien sollte, wäre es also geschützt. Das leise Geräusch, als Maurice seine Tasse abstellt, reißt mich aus meinen witterungsbedingten Gedanken.

„Du bist nicht mehr sauer auf mich, oder?“, überrascht sehe ich auf, nachdem ich Maurice' Frage gehört habe. Ich schüttel meinen Kopf.

„War ich nie.“ Ich war nur enttäuscht. Oder bin ich's noch? Ja. Irgendwie schon. Aber er hat sich entschuldigt, also will ich ihm das nicht extra vorhalten. Solange er die beiden nicht nochmal anschleppt, ist ja alles in Ordnung.

„Bist du dir sicher?“, fast schon skeptisch mustert er mich. Seufzend stelle ich meine mittlerweile leere Kaffeetasse neben mich auf die Ablagefläche der Küche.

„Ich war sauer. Allerdings nicht auf dich, sondern auf Manuel.“ Maurice nickt abwesend und ich kann mir denken, was seine nächste Frage sein wird. Aber? Dafür muss ich keine Gedankenlesen können, wie eine gewisse andere Person. „Aber ich war enttäuscht, weil du direkt davon ausgegangen bist, dass ich ihn provoziert hätte. Und weil es so gewirkt hat, als würdest du ihm mehr glauben, als mir.“

„Das war nicht meine Intention“, betroffen lässt er den Kopf sinken. Er soll sich nicht schuldig fühlen. Es ist in Ordnung. Ich stoße mich von der Theke ab und ziehe Maurice in eine Umarmung, die er zögerlich erwidert. „Es tut mir leid.“

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