Kapitel 15; Michael

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Seufzend lese ich alles, was ich bis jetzt geschrieben habe und lösche es dann doch. Nur die These lasse ich am oberen Rand stehen. Beeinträchtigen Uploadfilter die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit? Ein interessantes Thema für einen Essay, jedenfalls für mich. Und trotzdem bin ich absolut unzufrieden mit dem, was ich hier tippe. Mein Ziel sind minimum zwei Seiten und ich habe bis jetzt in keiner einzigen Version mehr als eine fertig bekommen, weil ich vorher schon genervt von meinem eigenen Mist war. Das kann man doch so niemandem zeigen!

„Krass, du bist ja schon voll weit“, Maurice lehnt sich über die Rückenlehne der Couch und schaut schmunzelnd auf den Laptop.

„Ich hab schon was geschrieben! Ich hab's nur mehrfach gelöscht“, verteidige ich mich und fokussiere mich dann wieder auf das Dokument vor mir. Außerdem, wenn Maurice das machen müsste, hätte er wahrscheinlich noch nicht mal angefangen. Gut, ich habe theoretisch auch noch genügend Zeit, aber ich will die Aufgabe so schnell wie möglich beenden. Dann hab ich's hinter mir und kann mich auf andere Sachen konzentrieren.

„Weiß ich doch, ich hab's gesehen. War nur Spaß“, entschuldigt er sich. Ich brumme leise und wende mich ihm dann kurz zu. Erst jetzt merke ich, dass er eine Jacke trägt. Warum-

„Ach stimmt, du musst zur Uni“, fällt mir ein und er nickt bestätigend.

„Ja. Also so gesehen müsste ich nicht, überprüft ja niemand und-“

„Maurice, du fährst zur Uni und fertig. Du hast doch jetzt eh nur eine Vorlesung“, unterbreche ich ihn sofort und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Laptop. Manchmal kann der Junge mit seiner Faulheit ganz schön anstrengend sein, unabhängig davon, ob die Uhr ihn jetzt beeinflusst oder nicht. Ich habe ihn nicht gefragt, in wie weit wir die Uhr und das Portemonnaie beeinflußt werden. Vielleicht weiß er's auch gar nicht. Generell haben wir nicht mehr wirklich darüber gesprochen. Warum auch? Maurice benutzt seine Uhr ja eh nicht. Verschwendetes Potenzial. Wir könnten damit so viel anfangen, scheiß mal auf den natürlichen Zeitverlauf. Wir haben ja sowieso schon in den Zeitfluss eingegriffen, als wir die Familie gerettet haben. Andererseits, sind die anderen vor der Wirkung der Uhr ebenfalls geschützt? Hätte Maurice die Uhr vor ein paar Jahren schon verwendet, wäre ich wahrscheinlich durchgedreht. So hatte ich wenigstens Maurice, der mir direkt erklären konnte, was überhaupt Sache ist. Aber was kümmern mich die anderen überhaupt? Wer sagt, dass die anderen fünf Gegenstände überhaupt im Besitz vom jemandem sind, nur weil Maurice denkt, Patrick und Manuel hätten einen? Und selbst wenn, wer 'nen magischen Gegenstand hat soll sich mal nicht wundern, wenn die Zeit stehen bleibt. Nein, wir sollten die Uhr wirklich mehr benutzen. Mehr Zeit zu haben wäre verdammt nützlich.

„Ich bin dann jetzt weg. Bis später“, Maurice Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Er richtet sich seufzend auf und ich höre, wie er durch das Wohnzimmer läuft und sich hinter ihm die Tür schließt. Ich warte. Wenige Sekunden später höre ich auch die Wohnungstür zuschlagen. Leise und dumpf, aber trotzdem deutlich hörbar. Ich bin alleine. Ungestört. Niemand hier, der mich ablenken kann. Perfekt, um an meiner Aufgabe weiterzuarbeiten und trotzdem kann ich mich nicht darauf konzentrieren. Meine Gedanken hängen immer noch an der scheiß Uhr. Sie ist wirklich nützlich und Zeit kann man, ähnlich wie Geld, nie genug haben. Auf der anderen Seite muss es doch irgendwelche Konsequenzen haben, wenn man einfach so jederzeit die Zeit stoppen kann, wenn man Dinge beeinflussen kann, die normalerweise unausweichlich sind. Es muss einen negativen Aspekt geben. Das ist mehr als nur mal eben tausend Euro pro Tag zu bekommen. Wobei, woher kommt das Geld überhaupt? Bis jetzt war mir das ziemlich egal, Hauptsache ich habe es. Aber diese Dinger sollen Todsünden vertreten. Dafür sind sie ziemlich positiv. Fuck. Könnte ich jetzt noch auf das Portemonnaie verzichten, selbst wenn ich wüsste, dass das ganze etwas negatives hat? Nein. Nein, könnte ich nicht. Und das, obwohl wir eigentlich genügend Geld zur Verfügung stehen haben.

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