Kapitel 31; Michael

212 28 29
                                    

Zusammen mit Maurice sitze ich auf der Couch und sehe mir einen Film an. Oder wohl eher sitze ich daneben und starre abwesend auf den Fernseher, während Maurice sich einen Film ansieht. Die Zeit, die ich mit rumsitzen verschwende, könnte ich theoretisch dafür nutzen, etwas sinnvolles zu tun, andererseits will ich jetzt auch nicht unbedingt aufstehen. Maurice' Kopf lehnt an meiner Schulter und mein Arm liegt hinter ihm über der Rückenlehne. Eigentlich würde ich ja jetzt gerne recherchieren oder zumindest etwas für die Uni tun, aber ich werden mich ganz bestimmt nicht freiwillig dieser Nähe entziehen. Recherche bringt wahrscheinlich sowieso nichts, da hat Maurice schon Recht und den Kram für die Uni kann ich auch noch morgen erledigen. Auf die paar Stunden mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an. Maurice' Gähnen reißt mich aus meinen Gedanken.

„Wie jetzt, bist du etwa schon müde?“, frage ich und wende mich ihm zu. Aus halb geschlossenen Augen mustert er mich. Unsere Gesichter sind sich ziemlich nah und ich zwinge mich dazu, wieder in Richtung des Fernsehers zu schauen. Wäre mir diese Freundschaft nicht viel zu wichtig, als dass ich sie mit unbedachten Aktionen wegschmeißen könnte, könnte ich ganz schnell auf falsche Gedanken kommen. Fast muss ich über mich selbst lachen. Langsam wird's lächerlich. Und ich dachte, die Sache mit dem Schoßhund wäre schon schlimm genug, aber nein, ich überrasche mich immer wieder selbst.

„Ich bin nicht schon müde, sondern immer noch“, korrigiert er mich und sofort folgt ein weiteres Gähnen. Diesmal lache ich wirklich. Was habe ich auch anderes erwartet? Wäre ja nicht das erste Mal, dass Maurice einpennt, während wir uns irgendwas ansehen, aber wer bin ich schon, darüber zu urteilen?

Stattdessen versuche ich, mich jetzt wirklich auf den Film zu konzentrieren. Ich habe zwar den kompletten Anfang verpasst und hab dementsprechend auch keine Ahnung, worum es geht, aber das macht ja nichts. Naja, eigentlich schon, ein Großteil der Handlung ergibt für mich einfach keinen Sinn. Das könnte aber auch daran liegen, dass ich gedanklich schon wieder komplett abdrifte. Ich frage mich wirklich, was aus dem fehlenden Akt des Dramas geworden ist. Angeblich soll er ja bei einem Feuer zerstört worden sein, aber das bezweifle ich dann doch irgendwie. Für mich klingt das ganze eher wie 'ne Vertuschung. Eine Beweisvernichtung oder so. So weird das ganze auch ist, aber hier geht es immerhin um magische Gegenstände. Relikte, die wer weiß wie alt sind. Würde mich nicht wundern, wenn wegen dem Zeug damals Menschen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden oder irgendeine okkulte Sekte Interesse daran hatte. Mag sein, dass der letzte Teil des Dramas wirklich verbrannt ist, aber dann war das sicher kein Unfall. Zumal der fehlende Teil vermutlich ausgerechnet der Teil ist, in dem steht, wie man das Ritual durchführt und was es bewirkt. Leider ist dieser Akt damit auch der interessanteste. Entweder ist er wirklich in einem alles verzehrenden Feuer zerstört worden, oder aber er schlummert in der hinterletzten ranzigen Bibliothek in irgendeinem geheimen Raum. Sind wir ehrlich, hier geht's um Gegenstände, die Todsünden verkörpern. Ich tippe also auf die klischeehaftere Rotzbibliothek. So oder so, es ist unerreichbar für uns.

Ich zucke leicht zusammen, als es plötzlich an der Tür klingelt. Vermutlich durch meine Bewegungen aufgeschreckt, setzt Maurice sich auf.

„Wer will um diese Uhrzeit noch was von uns?“, frage ich irritiert und hoffe, dass Maurice irgendeine Erklärung dafür hat, wer uns jetzt noch stören könnte.

„Wie? Was meinst du?“ Verwirrt mustert er mich. Ah ja. Er ist also wirklich eingeschlafen und nur wach geworden, weil ich mich erschrocken habe. Ich sollte niemals den Schlüssel vergessen, selbst wenn Maurice hier sein sollte. Am Ende klingel ich dann zehn Jahre und er hört's einfach nicht.

„Es hat geklingelt.“ Wie zur Bestätigung meiner Worte klingelt es in diesem Moment erneut an der Tür. Etwas genervt stehe ich auf und mache mich auf den Weg, um zu sehen wer jetzt noch stört. So viel zum Thema ich verlasse den Platz neben Maurice nicht. Gerade, als es ein drittes Mal klingelt, nehme ich den Hörer ab und sofort verstummt das nervige Geräusch.

Hast du eigentlich auch genug von mir? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt