Kapitel 29; Michael

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Erleichtert sehe ich dabei zu, wie sich die Tür schließt. Abgesehen von Manuel wollte ich noch nie jemanden so dringend aus der Wohnung haben. Ich war echt froh, als der Techniker geklingelt hat und unser Wlan endlich in erreichbare Nähe gerückt ist, aber da wusste ich noch nicht, dass dieser Typ so unfassbar nervig sein würde. Ich meine, ich wollte nur Wlan haben und nicht die komplette Lebensgeschichte eines mir eigentlich vollkommen Fremden erfahren. Und jetzt weiß ich, dass er, trotz drei Kinder, auf die er sehr stolz zu sein scheint, Eheprobleme hat und lieber mit seinem Bruder Overwatch spielt, als den Haushalt zu erledigen. Nichts gegen Overwatch, das Spiel ist an sich klasse, aber ich wollte es nicht wissen. Ich gehe doch auch nicht zu wildfremden und erzähle ihnen jeglichen Mist, der sie nicht interessiert. Ernsthaft, noch fünf Minuten und der gute Sammy hätte mich wahrscheinlich zum Kartenspielen oder so eingeladen. Maurice kann froh sein, dass er gerade in der Uni ist. Zuerst wird er jammern, weil er heute mal ein bisschen länger in der Uni bleiben muss, aber spätestens wenn er realisiert, dass der Techniker hier war, wird sich seine Laune bessern. Wir müssen nicht mehr das Uniwlan missbrauchen, sobald wir irgendwas wollen, sondern können ganz einfach von zuhause aus alles erledigen.

Außerdem kann ich dann endlich mal selbst damit anfangen, in Bezug auf die Gegenstände beziehungsweise des Dramas, selbst zu recherchieren. Um das in der Uni zu tun, bin ich einfach viel zu paranoid. Am Ende sieht jemand zufällig, was ich da suche und dann muss ich fragen beantworten. Irgendwie komische Fragen, die ich mit vermutlich noch komischeren Antworten schlimmerer mache, als sie sind. Nein, an sich geht's mir eigentlich nur darum, dass eventuell jemand falsches sieht, wonach ich da suche. Mir ist das Risiko zu hoch. Wenn ich eine Sache von Maurice Faulheit gelernt habe, dann das man versuchen sollte, unnötige Probleme zu vermeiden. Und mehr Menschen als nötig auf die Gegenstände aufmerksam zu machen, zählt definitiv als vermeidbares Übel.

Nach den Gegenständen zu suchen steht also ganz oben auf meiner Liste. Naja. Fast ganz oben. Davor sollte ich was essen und mein Handy und meinen Laptop auch mit dem Wlan verbinden. Bei Maurice' Laptop würde ich ja sofort dasselbe tun, aber den hat er ja zur Uni mitgenommen, auch wenn ich bezweifle, dass er ihn überhaupt nutzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass er freiwillig irgendwas mitschreibt, ist sehr gering. Manchmal wundere ich mich fast schon, dass er sein Abi mit einem guten Schnitt bestanden hat, bei seiner Arbeitsmoral. Darüber beschwere ich mich aber nicht. Wäre es nicht so gewesen, dann würden wir uns jetzt nicht diese Wohnung teilen und wären auch nicht auf derselben Uni.

Bevor ich noch im Flur rumstehe, wenn Maurice nach Hause kommt, gehe ich in die Küche, um mir was zu essen zu machen. Die Frage ist jetzt nur, was soll ich kochen? Am besten irgendwas einfaches, was schnell geht. Nudeln? Oder ich schieb einfach 'ne Pizza in den Backofen. Das geht schnell und zählt über Umwege irgendwie als kochen. Okay, wahrscheinlich zählt' s nicht in die Kategorie kochen. Aber egal, Hauptsache ich hab was zu essen und kann gleich in Ruhe recherchieren.

Es ist verdammt umständlich, eine der Pizzen aus dem Kühlfach zu kramen. Eigentlich unvorstellbar, wenn man bedenkt, dass das ganze Kühlfach damit voll ist. Trotzdem schaffe ich es, dass sich der Pizzakarton mit einer anderen Schachtel verkantet, was die Sache nur unnötig verkompliziert. Am Ende ist 'ne Delle im Karton. Aber hey, die Pizza ist noch ganz. Bevor ich sie in den Ofen schiebe, lasse ich ihn etwas vorheizen. Während ich die Tür des Ofens aufziehe, höre ich neben dem typischen Klacken noch ein anderes Geräusch. Kurz verharre ich in meiner Position und versuche zu orten, woher das Geräusch kam. War das die Tür? Ist Maurice schon zurück? Tatsächlich öffnet sich wenige Sekunden später die Küchentür.

„Ich bin zurück“, Maurice stapft in die Küche und an seinem Ton höre ich schon, dass er, wie erwartet, genervt ist.

„Ich seh's.“ Ich meine, wie sollte ich es nicht bemerken? Wirklich leise war Maurice jetzt nicht.

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