Martin und Philip verbringen den Abend und die Nacht gemeinsam in der kleinen Zelle die die Brüder ihnen zugewiesen haben. Es ist eine schlicht aber stilvoll eingerichtete Zelle. Das Bett ist gross und bequem. Echte Daunen sind in der Decke und es ist frisch bezogen. Martin hat noch nie ein Federbett gesehen und entsprechend verwundert inspiziert er das dicke Bett. Vorsichtig legt er seine Hand auf das unbekannte weiche Ding. Philip amüsiert sich über das neugierig staunende Gesicht seines kleinen Novizen. „Es ist ein Federbett." erklärt Philip liebevoll. Martin schaut Philip entsetzt an. Philip schaut seinen Novizen etwas perplex an und der Kleine verzieht sein Gesicht. „Sind da Federn drin?" fragt er entsetzt. Philip nickt und wundert sich über Martins Ekel. „Aber das tut doch weh wenn man die ausgerissen bekommt!" Ruft Martin geschockt und seine Flügel werden sichtbar weil Martin unwillkürlich nach ihnen greift. Sofort wird es deutlich heller in der kleinen Zelle. Philip tritt einen Schritt an den Knaben heran und er umarmt ihn beruhigend. Er brummt ein bisschen weil er keine Ahnung hat was er dem Jüngeren antworten soll. Ehrlich gesagt hat er sich nie groß Gedanken um die Gefühle der Nutztiere gemacht. Am allerwenigsten um die der Enten und Gänse. Die Tiere werden im Frühjahr gerupft und im Herbst geschlachtet. Ob ihnen das Leben weh tut? Ja sicher! Alles Leben ist Leiden! Das ist doch der natürliche Lauf der Dinge. Doch nun einen völlig aufgelösten Engel im Arm zu haben der die Qualen der Vögel nachvollziehen kann wenn man ihnen die Federn ausreißt lässt Philips Blick auf sie Dinge sich schlagartig ändern. Philip streichelt sacht über die weißen Federn seines Freundes. Es sind große raue Schwungfedern, keine flauschigen Daunen. Philip fährt mit seiner Hand den ganzen Flügel entlang. Fasziniert wie sich der Flügel anfühlt aber auch auf der Suche nach eventuellen Daunen. Martin hat nur ganz wenige Daunen. Eigentlich nur am Übergang zum Rücken und auch nur an der Innenseite des Flügels. Doch den Kleinen dort zu streicheln ist ein unvergleichlich schönes Erlebnis. Es fühlt sich ganz zart, ganz unschuldig und rein an. So als würde man ein Küken liebkosen. Martin drückt sein Gesicht an Philips Brust und er kichert etwas. „Du, das kitzelt." gluckst er leise und reibt sein Gesicht noch enger an Philips Brust. Philip merkt wie sich der Kleine in seine Albe krallt. Dies Gefühl, den Jungen so eng bei sich zu spüren und die zarten Daunen mit den Händen zu liebkosen lassen ihn nicht kalt. Philip nimmt seine Hände aus den Federn und er legt seine Hände auf Martins Schultern. Martin schaut zu ihm auf und Philip räuspert sich verlegen. Was sollte er dem Bub sagen? Dass die Federn schön warm sind und sie deshalb so rücksichtslos den Vögeln ausgerissen werden? Dass die menschliche Bequemlichkeit wichtiger ist als das Leid der Tiere? Philip schlägt zaghaft vor: „Wir müssen das Federbett nicht nutzen. Wir können uns unsere Satteldecke holen." Martin strahlt Philip an wie nur einEngel Lächeln kann. „Du würdest für mich auf diesen Luxus verzichten?" fragt er aufgeregt. Philip nickt und er sagt sacht: „Weißt du, wir verzichten daheim ja auch auf solche Bequemlichkeit. Ich bin in einem Bettelorden weil ich glaube dass man Gott viel näher kommen kann wenn man eben nicht bequem liegt. Wenn man Jesus nacheifert dann indem man sein einfaches Leben mit ihm teilt. Jesus hat seine göttliche Erscheinung verlassen und ist ein armer Mensch geworden. Mehr Herrlichkeit als eine göttliche geht ja gar nicht. Selbst der Papst oder der Kaiser oder der König haben nicht so viel Pracht wie Gott sie hat. Doch Gott ist Mensch geworden. Ein armer Mensch. Jesus um genauer zu sein. Und wenn wir nun Jesus nachfolgen wollen, so müssen auch wir unsere Komfortzone verlassen und ein einfaches Leben leben und wie Jesus unserem Nächsten dienen. Das ist meine innerste Überzeugung. Du weisst das. Und darum fällt es mir leicht heute mit dir auf diese Daunen zu verzichten. Ich verzichte ja sowieso darauf." Philip lächelt in Martins Gesicht. Der weit fast. Philip schaut betroffen den Knaben an und dann sagt er sacht: „Ich werde ab sofort nicht mehr nur auf die Daunen verzichten weil sie unnötiger Luxus sind, sondern auch weil es unglaublich weh tut die ausgerissen zu bekommen." Philip streichelt sanft Martins Tränen weg und Martin schnieft: „Wie kann man nur so grausam sein und jemandem die Federn ausreißen?" Philip hebt seine Schultern. „Ich weiss es nicht. Ich glaube weil es geht und weil wir Menschen halt gedankenlos sind." Martin nickt. „Ich bin ja auch gedankenlos gewesen bis ich dich getroffen habe." sagt er leise. Philip schaut interessiert zu dem Kleinen und der berichtet dass er sich nie Gedanken um sein Wesen gemacht hat. „Weisst du, ich habe nie daran gezweifelt dass ich ein Dämon bin. Ich habe nie darüber nachgedacht dass ich vielleicht etwas anderes sein könnte. Ich war mit dem zufrieden was ich war. Ich wollte nur einen Meister der gut zu mir ist. Dass ich selber gut werden könnte, darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht." Martin schaut so dermassen vertrauensvoll zu Philip hoch dass der den kleinen Bub einfach streicheln muss. „Nun machst du dir Gedanken und das ist gut so." sagt Philip und Martin nickt. Er lächelt beschenkt und er sagt: „Ja, dank dir bin ich kein Dämon mehr." nun grinst der Junge verschmitzt und Philip herzt ihn noch einmal bevor er sagt: „Komm, wir gehen unsere Decke holen." Er nimmt Martins Hand und geht mit dem Knaben zum Stall. Die beiden schauen natürlich nach ihren Reittieren und füllen noch einmal Heu nach. Dann nehmen sie ihre rauen Decken und gehen zurück in ihre Zelle. Dort mummeln sie sich eng aneinander. Es ist nachts noch empfindlich kalt und Philip und Martin frieren nach ihrem Ausflug ins Freie. Doch so eng aneinander geschmiegt wird ihnen schnell warm so dass sie endlich doch einschlafen. Kaum ist Philip eingeschlafen tritt er wie jede Nacht an den Höllenspalt um seinen Novizen vom Rand der Hölle zu ziehen. Inzwischen reicht es wenn er ihn sanft an der Hand weg führt. Früher, also bevor er Martin getauft hat, musste er ihn immer mit sanfter Gewalt vom Höllenspalt ziehen. Das ging nur wenn er ihn mehr oder weniger weg getragen hat. Doch nun kann Martin mit Philip an der Hand von dem Spalt weg gehen. Lächelnd folgt der Bub seinem Prior. Es ist jedes mal sehr erleichternd wenn er gerettet wird. Es fühlt sich jede Nacht furchtbar an mit dem Höllenfeuer konfrontiert zu sein. Martin erstarrt dann jedes mal panisch und er kann nicht sagen ob er dem Schrecken lange oder kurz ausgeliefert war. Es fühlt sich stets so an als dauere sein Martyrium eine Ewigkeit und wenn Philip auftaucht dann kann er dem Schrecken entfliehen und in seinen Armen, oder an seiner Hand kann er zur Ruhe kommen und sich entspannen. Martin liebt Philip dafür.
Am nächsten Morgen gehen Philip und Martin mit den anderen Brüdern zum Frühgebet und anschliessend zum Frühstück. Wieder wundert sich Martin über die ohrenbetäubende Lautstärke bei der Mahlzeit. Die Brüder reden und lachen alle. Martin irritiert das sehr. Philip streichelt beruhigend über den Rücken des Jüngeren und gemeinsam essen sie schweigend. Der fette Mönch setzt sich den beiden gegenüber an den Tisch und er begrüsst sie mit einem fröhlichen Morgengruss und einem wissenden Grinsen. „Ich hoffe ihr habt gut geruht?" fragt er und Philip antwortet leise: „Ja, vielen Dank." Martin bleibt stumm. Der fette Mönch stört sich nicht an der Wortlosigkeit seiner Gesprächspartner und er plaudert lustig darauf los. Er fragt weswegen die beiden in Shyring seien und Philip berichtet über seinen Plan bei den Herren von Shyring um Holz und Steine zu bitten. „Oh, da kommt ihr aber zu einem ungünstigen Zeitpunkt!" erklärt der fette Mönch erschrocken. „Auf der Burg wird unser guter König Stephan erwartet. Die haben bestimmt keine Zeit sich mit euren Belangen zu befassen." Philip denkt nach. Wenn die Herren von Shyring so hohen Besuch erwarten dann sind sie vielleicht geneigt seiner Bitte schnell nachzugeben. Außerdem kann er König Stephan direkt um das Marktrecht bitten das er schon seit längerem haben möchte. Er dankt dem fetten Mönch für seine Auskunft und er geht mit Martin nach dem Frühstück zur Burg Shyring. Als sie durch die Stadt reiten sehen sie wie sich das Städtchen emsig für den hohen Besuch schmückt. Alle Häuser sind geputzt und auf dem Platz ist ein grosser Markt aufgebaut. Überall locken köstliche Düfte und Gaukler spielen lustige und laute Musik. Martin hat so etwas noch nie gehört, geschweige denn gesehen. Mit riesigen Augen schaut er sich staunend um. Philip lächelt über seinen Novizen. In seiner Jugend hat er solch einen grossen Markt auch einmal besuchen dürfen. Prior James hat ihn und seinen Bruder Francis einmal mit nach London an den königlichen Hof genommen. Was James dort wollte weiss Philip nicht mehr, aber das bunte Treiben und das pralle Leben haben ihm damals genau so fasziniert wie nun seinen Kleinen. Lächelnd fragt er: „Möchtest du dich auf dem Markt umsehen?" Martin nickt begeistert. Sie geben ihre Reittiere an einem Mietstall ab und dann besuchen sie den Markt. Es ist so viel mehr Leben und so viel bunteres Treiben als an einem gewöhnlichen Markttag an dem sie ihre Wolle verkaufen zu bestaunen. Vor allem die Musik hat es Martin angetan. Bald hat ihn ein Bauernmädchen zum Tanz aufgefordert und Philip betrachtet die beiden bei ihrem keuschen Tanz. In Martin steckt so viel Freude und Leben. Doch den Reizen des weiblichen Geschlechts scheint er kein bisschen zugetan zu sein. Er versteht gar nicht dass das Mädchen etwas anderes als Tanzen im Sinn haben könnte. Philip liebt seinen kleinen Novizen darum. Er weiss als Beichtvater dass es seinen Mitbrüdern nicht wirklich einfach fällt enthaltsam zu leben. Die Keuschheit lässt einen stets daran denken dass man eben nicht vollkommen ist. Dass man das selbst auferlegte Zölibat eben nicht ohne weiteres besteht. Nicht selten muss Philip seinen Brüdern Bußen auferlegen. Philip fällt es vergleichsweise sehr leicht nicht sündig an Frauen zu denken. Dafür erwischt er sich immer mal dabei unzüchtige Gedanken seinem Novizen gegenüber. Vor allem in Nächten wenn sich Martin in seine Arme kuschelt würde Philip am liebsten anderes mit ihm machen als ihn nur zu halten. Auch jetzt könnte er vor Eifersucht vergehen dass Martin so ausgelassen mit dem Mädchen tanzt. Wie gerne wäre er an ihrer Stelle und würde sich mit dem Jungen ausgelassen zur Musik bewegen. Nur würde er nicht so einen riesigen Abstand zu dem Bub lassen. Wie gerne würde er ihn ganz eng an sich ziehen um sich mit ihm im Kreise zu drehen. „Na, Süßer, träumst du?" fragt ihn plötzlich eine ihm bekannt vorkommende Stimme. Er wendet sich zu seiner Besitzerin und die rothaarige, bunt bemalte Frau öffnet ihren Mantel. „Na, Interesse?" fragt sie und präsentiert ihren üppigen Busen. Philip schaut ihr gequält ins Gesicht. „Weisst du Bella, dein Bruder Matthias quält sich Tag und Nacht. Er betet ohne Unterlass dass du deinen sündigen Pfad verlässt und wieder auf den Pfad der Tugend zurück findest." Die angesprochene verhüllt sich wieder und sie zieht ein langes Gesicht. Martin tritt nun neben seinen Philip und er schaut die Frau interessiert an. Martin kennt sich zu gut in der Unterschicht der Gesellschaft aus um eine Hure nicht zu erkennen wenn er sie vor sich stehen hat. In Kingsbridge ist er der einzige der diesen Frauen hilft. Er heilt ihre Leiden, bringt ihre Kinder auf die Welt (oder hilft dass sie nicht auf die Welt kommen) und er verurteilt sie nicht. Nun ist er sehr gespannt wie Philip mit dieser Frau umgeht die ihn so schamlos angemacht hat. Philip bietet Bella ein Leben in Kingsbridge. Sie kann auf der Baustelle helfen und so ihren Lebensunterhalt verdienen. „Du müsstest dich keinem Mann mehr für Geld hingeben und hättest dennoch ein Auskommen. Dein Bruder Matthias würde sich sehr freuen." Martin strahlt als er hört dass die Fremde Matthias Schwester ist. Irritiert schaut Bella den grinsenden Jungen an. „Warum grinst du so debil?" faucht sie den Jungen an. Der schaut nun nicht mehr fröhlich sondern verschreckt. Er hat nicht mit so einer heftigen Abfuhr gerechnet. Matthias ist ja stets freundlich und sehr liebevoll mit ihm umgegangen. Dass die Schwester solch eine garstige Ziege ist damit konnte der Bub nicht rechnen. Philip legt instinktiv schützend seinen Arm um den kleinen Novizen. „Lass Martin in Ruhe, der hat dir nichts getan!" zischt Philip schärfer als er es wollte. Bella schaut nun erschrocken zu dem sonst so gefassten und freundlichen Mönch. Sie kennt Philip nur sanft und bittend. Dass er auch scharf und fordernd sein kann macht ihr Angst. „Ist ja schon gut!" sagt sie und hebt beschwichtigend ihre Hände. „Ich wollte dem Kind nichts Böses." Philip nimmt die Entschuldigung an und er bittet eindringlich Bella dass sie in sich gehen möge und ihren Lebenswandel überdenkt. Bella schaut nicht gerade begeistert. „Als freischaffende Hure verdiene ich ein vielfaches von dem was ich auf der Baustelle verdienen würde. Und ich glaube nicht dass ich dort noch meinem Gewerbe nachgehen dürfte." grinst sie frech. Philip schaut verkniffen und Martin sagt fröhlich: „Nein, das dürftest du selbstverständlich nicht. Die dortigen Huren hätten was dagegen und Matthias möchte ja dass du eben nicht mehr für Geld deinen Körper verkaufst. Es schadet nicht nur deinem Körper, sondern auch deiner Seele, weisst du?" Bella starrt den Jungen böse an. Was fällt dem Bengel ein ihr eine Predigt zu halten! Doch der Knabe scheint in Philips Gunst zu stehen, sonst hätte der Mönch sicher längst seinen Arm von dem Kleinen genommen und ihn gerügt. Normalerweise dürfen die Mönche nicht einmal mit den Huren sprechen. Doch Philip scheint nichts dagegen zu haben dass dieser Knirps mit ihr redet. Na, gut, er rügt sie ja auch und versucht zusammen mit Philip sie zu überreden ihren Beruf aufzugeben. Doch so leicht will sie sich nicht von ihrem Leben trennen. Als Hure verdient man nicht schlecht und man ist als Frau für sich selbst verantwortlich. Sie kann selbst für sich entscheiden. Würde sie nach Kingsbridge gehen dann würde ihr Bruder für sie entscheiden. Wenn sie heiraten sollte dann ihr Ehemann. Als Frau hat man ja so gut wie keine Rechte in der Gesellschaft. Außerhalb der Geschellschaft schon eher. „Heute werdet ihr beiden mich nicht überzeugen meinen Lebenswandel zu ändern." faucht Bella. Philip schaut traurig und Martin verschreckt. Er kann es immer noch nicht fassen dass die Schwester des guten Bruder Matthias so eine ruppige Frau ist. „Vielleicht ein anderes mal." sagt Philip mit fester Stimme. „Sei gewiss dass dein Bruder jeden Tag für dein Seelenheil betet." Philip nickt Bella zu und dann dreht er sich um. Er lässt die verwunderte Bella einfach stehen um mit Martin weiter über den Markt zu schlendern. Er will seinem Novizen erlauben möglichst viel von den bunten Eindrücken zu erhaschen. So ein Markt ist ein Fest für die Sinne. Erst nach dem Mittag kommen die beiden im Schloss an und lassen sich bei den Herren von Shyring anmelden.
