Teil16

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Philip und Martin reiten zügig heim. Sie gönnen sich erst in der kleinen Enklave in der sie bei ihrem Hinweg keine Unterkunft bekommen haben eine Pause. Dieses mal werden sie wesentlich herzlicher von ihren Mitbrüdern empfangen. Philip berichtet seinen Brüdern dass das kleine Dorf nun wieder dem Kloster Kingsbridge unterstellt ist. Die Dorfbewohner werden ihr kostbares Essen nicht mehr an die Herren von Shyring abgeben müssen. Sie werden es behalten und einen Teil an die Enklave abgeben. Philip bittet eindringlich dass die Brüder sich nicht mehr geben lassen sollen als das Dorf wirklich verkraften kann. "Sollte es zu Auseinandersetzungen mit den Hamleighs, den Herren von Shyring kommen, so sagt mir bitte unverzüglich bescheid. Wir werden für Kingsbridge eine Truppe aufstellen da wir das Stadtrecht bekommen haben. Ich gedenke meine Dörfer und Lehen zur Not auch mit Gewalt zu beschützen." Philip redet wie ein richtiger Politiker, nicht mehr wie ein in das Amt geworfener Knabe. Dadurch erringt er die Bewunderung seiner Mitbrüder. Sie staunen unverhohlen dass Philip so viel Gunst beim König bekommen hat. Kingsbridge ist nun eine Stadt! Das ist wirklich wunderbar. Als Martin mit Philip abends alleine auf dem Zimmer ist fragt der jüngere: "Weswegen staunen und wundern sich eigentlich die Brüder so sehr? Ich meine, Kingsbridge ist doch recht gross, es ist doch nur natürlich dass wir das Stadtrecht bekommen, oder?" Philip lächelt und er zieht seinen Novizen in seine Arme. Er erklärt dem jüngeren  was es mit einem Stadtrecht auf sich hat und weswegen es so unerhört ist dass Philip dieses Recht schon bei dem allerersten Antrag erhalten hat. "Normalerweise muss ein Dorf viel grösser sein und schon sehr lange selbständig leben um das Stadtrecht zu bekommen. Wir haben den König sozusagen überrumpelt und ihm keinerlei Gegenleistung angeboten. Das funktioniert so normalerweise nicht. Wir hätten zumindest den König in seinem Krieg schlagkräftig unterstützen müssen. Vielleicht sogar herausragend viele junge, an Waffen ausgebildete Männer ihm schicken müssen. Doch Francis hat den Vertrag so ausgelegt als müssten wir dies alles nicht. Ich bin mir sicher dass der König bald seinen Irrtum bemerkt und nach waffenfähigen Burschen verlangt. Wir tun gut daran wenn wir so schnell wie möglich eine kleine Truppe aufstellen, sie gut ausbilden und vielleicht gegen die Hamleighs nutzen damit wir wissen wie effektiv unsere Kämpfer sein werden." Philip seufzt bei dem Gedanken nun nicht mehr ausschliesslich ein kirchlicher Politiker zu sein, sondern sich ebenfalls in das weltliche Machtgefüge einbringen zu müssen. "Gut dass wir mit Alena und Richard zwei Adlige in unserer Stadt haben. Sie werden uns bestimmt sehr unterstützen." sagt Martin und er wirkt nicht halb so verzagt wie Philip. Martin erklärt Philip noch einmal eindringlich dass er weiss wie man kämpft. "Ich habe mein Leben lang gekämpft. Ich bin in Kriege geschickt worden und ich habe meine Herren gegen andere Verteidigt. Ich werde nun auch dich und die Stadt verteidigen." erklärt Martin. Philip würde am liebsten Martin aus all dem Kriegstreiben heraushalten. Er kann sich den Kleinen kaum auf einem Schlachtfeld vorstellen. Doch er weiss dass Martin die Wahrheit spricht. Er hat ihn selbst kämpfen gesehen. Gegen den Dämon hätte niemand bestehen können ausser ein übernatürliches Wesen. Philip weiss dass auch Engel kämpfen können. St. Georg, der den Drachen bekämpft hat ist ihm natürlich ein Begriff. Engel sind die Streitmacht Gottes! Damit versucht sich Philip zu beruhigen wenn er an seinen Kleinen beim Kämpfen denkt. Martin bemerkt wie ängstlich Philip bei dem Gedanken reagiert dass er in den Kampf ziehen könnte. Er legt beruhigend einen Arm um Philip und er sagt leise: "Ich werde Richard helfen die wehrfähigen Burschen auszusuchen und auszubilden. Ich bin mir sehr sicher dass es ein hartes Stück Arbeit wird aus den jungen Männern Krieger zu machen. Ausserdem kämpfen Adlige anders als Söldner und unsere Outlaws haben noch einmal anders gekämpft. Wir müssen sie alle zusammen bringen und möglichst die beste Truppe formen die England hat. Nur dann können wir nicht angegriffen werden.

Als Philip und Martin zurück in Kingsbridge angekommen sind treffen sie sich als erstes mit den wichtigsten Menschen. Unter anderen Tom Builder, Aliena und Richard. Sie bringen ihnen die freudige Nachricht dass sie den Steinbruch und den Wald für den Ausbau ihrer Kathedrale nutzen dürfen und dass sie ausserdem das Stadtrecht und das Marktrecht besitzen. Die Menschen um Philip staunen nicht schlecht. Nie hätten sie dem gottesfürchtigen Mann solch ein Verhandlungsgeschick zugetraut. Ja, Philip ist ein wunderbarer Seelsorger und er betreibt mit Innbrunst den Ausbau seiner Kirche. Doch dass er weltlichen Herren ebenbürtig wäre hätten sie nie gedacht. Um so erfreulicher ist es dass die kleine Stadt nun das Recht besitzt autark zu sein und Steuern einzutreiben. "Leider gibt es eine Kehrseite. Wir sind nun selbst für unsere Sicherheit verantwortlich." erklärt Philip, "wir müssen ab sofort den Herren von Shyring keine Lehen mehr überlassen damit sie für unsere Sicherheit sorgen, aber wir müssen für das Geld eine eigene Truppe aufstellen. Gibt es freiwillige die dieses Amt übernehmen würden?" Philip schaut fragend in die Runde und wie er es sich schon gedacht hat meldet sich Richard mit leuchtenden Augen. "Wenn ich die Stadt und die Ländereien um Kingsbridge verteidige, bekomme ich dann meinen Titel zurück?" fragt er bang. Alle lachen, doch Philip lächelt nicht. Er schaut Richard ernst an. "Wir benötigen dringend eine Stadtwache und jemand der unsere Ländereien verteidigt. Ja. Wenn du deine Sache gut machst dann wirst du Richard von Kingsbridge. Ich bin mir sicher dass der König erfreut sein wird wenn auch wir demnächst sein Heer unterstützen." Richard nickt und er scheint mit dem Angebot zufrieden. "Natürlich ist Kingsbridge in erster Linie dem Kloster unterstellt." erläutert Martin. "Doch wir brauchen jemanden der für die weltlichen Belange im Sinne des Klosters entscheidet. Ich wüsste niemanden der sich dafür besser eignet als ihr." Aliena und Richard strahlen Martin und Philip an. Sie hätten sich nie träumen lassen dass sie einst ihre adligen Titel zurück erhalten würden. "Muss Aliena dann nicht mehr mit Wolle handeln?"fragt Richard und Martin schaut in das empörte Gesicht der Wollhändlerin. Sie scheint ihren Beruf zu lieben, hat sie sich doch inzwischen ein kleines Imperium aufgebaut und erwirtschaftet mit ihrem Handel ein ordentliches Sümmchen an Geld. Philip will gerade versprechen dass Aliena keine Wollhändlerin mehr sein muss da fällt ihm Martin ins Wort. "Natürlich muss Aliena nichts, aber sie darf. Sie ist eine der ganz grossen Händlerinnen in der Umgebung. Sie ist weit hin geachtet und wenn sie unseren Markt bereichert dann werden viele Menschen von wie her kommen nur wegen ihr. Ich bin mir sicher dass es nur von Vorteil wäre wenn Aliena ihr Gewerbe weiterhin betreibt." Aliena schaut den kleinen Novizen dankbar an. Im Gegensatz zu ihrem Bruder hat sich Aliena längst mit ihrer neuen Situation abgefunden. Während Richard eher träumt die Hamleighs aus Shyring zu vertreiben, hat Aliena die Zeit genutzt um eine richtig gute Händlerin zu werden. Sie hat der Familie einen bescheidenen Wohlstand zurückgebracht. Immerhin können sie sich ein Steinhaus und einige Bedienstete leisten. Für die Kathedrale sind sie Wohltäter und spenden gerne und reichlich. Wenn Aliena träumt, dann dass sie mit dem neuen Stadtrecht und dem Markt vor ihrer Haustüre ein kleines Wollimperium aufbauen kann um dann in der Kirche eine eigene Kapelle zu bekommen. Der neue Name, Aliena von Kingsbridge bringt sie diesem Traum ein gutes Stück weit näher. In den nächsten Tagen, Wochen und Monaten wird sie damit beschäftigt sein aus ihrem Tagträumenden Bruder einen ernstzunehmenden Kämpfer zu machen. Natürlich hat der Knabe eine gute Ausbildung genossen. Diese wurde jedoch jäh unterbrochen als sich der Vater der beiden hat dabei erwischen lassen eine Intrige gegen den König zu spinnen. Er wurde gerichtet und seine beiden Kinder aus Shyring verbannt. Richard hat seit dem kein Schwert mehr geführt. Philip heuert in der Umgebung einige Söldner an, Richard kann ehemalige Gefolgsleute seines Vaters anwerben.  Martin zieht in die Wälder und sucht dort gezielt nach den Outlaws um sie in die Stadt zu holen. Er findet einige sehr schlagkräftige junge Männer die allesamt zum Fürchten aussehen. Natürlich haben sie Martin nicht allein wegen seiner guten Worte geglaubt. Die meisten musste er im Nahkampf besiegen und ihnen anschliessend das Leben schenken damit sie ihm zugehört haben. Wäre Philip mitgekommen hätte er niemals den Jungen so agieren lassen. Er hätte viel zu grosse Angst um seinen Novizen gehabt.

Tom und Philip entscheiden sich die neuen Steine zunächst dazu zu verwenden eine ordentliche Stadtmauer um Kingsbridge zu errichten. Sie bauen eine steinerne Wehr und sie bauen einige Tore hinein. Auf diese Weise können sie den Zoll für ihre Brücke noch eintreiben und sind vor potentiellen Angreifern geschützt. Natürlich bleibt im benachbarten Shyring nicht unbemerkt was sich da vor ihrer Haustüre tut. Der Markt in Kingsbridge wird innerhalb kürzester Zeit sehr gefragt. Händler kommen sehr gerne nach Kingsbridge und sie fahren nicht mehr weiter nach Shyring, liegt das doch deutlich weiter weg von der Strasse die nach London führt. Natürlich ärgert die Herren von Shyring dass sie bares Geld an Kingsbridge verlieren. Es dauert nicht lange und die Hamleighs greifen Kingsbridge an. Sie schicken brennende Pfeile in die Stadt in der Hoffnung dass das kleine Städtchen Feuer fängt. Natürlich brennt die Stadt bald lichterloh. Die Häuser sind zum grössten Teil aus Holz gebaut und die mit Stroh gedeckten Dächer brennen wie Zunder. Gerade die Armenviertel gehen rasch in Flammen auf. Die ganze Stadt ist auf den Beinen um die Feuer zu löschen und zu retten was zu retten ist. Philip und Martin sind überall gleichzeitig. Sie organisieren dass Kinder und Alte Menschen hinter den Klostermauern Schutz bekommen. Jeder der einen Wassereimer tragen kann hilft mit das Städtchen zu schützen. Martin, Richard und die Stadtwache treten den Hamleighs und ihrem Heer entgegen. Sie nutzen ihre Mauern um den Angreifern empfindlich weh zu tun. Martin hat gute Bogenschützen ausbilden lassen und die wehren nun gezielt die Angreifer ab. Die Hamleighs ziehen sich zurück aber nach ein paar Tagen müssen die Menschen in Kingsbridge erfahren dass der Rückzug nur von kurzer Dauer war. Die Hamleihgs haben den Fluss oberhalb der Stadt gestaut, so dass sie mit ihren Pferden durch die Furt in die Stadt eindringen können. Martin weiss dass seine Männer noch nicht gut genug ausgebildet sind in einen Nahkampf gegen erfahrene Ritter zu bestehen. Er selbst schnappt sich ein Schwert und er tritt der marodierenden Horde entgegen. Richard und die anderen Kämpfer hat er beauftragt die Stadt zu evakuieren. "Sollte ich gleich nicht siegreich sein, so wird die Stadt nicht bestehen. Versucht möglichst alle Menschen in das Kloster zu bringen und verbarrikadiert es. Ich hoffe dass die Hamleighs kein Kloster direkt angreifen werden. So gottesfürchtig werden sie ja hoffentlich sein." sagt er und schaut Richard bang an. Der seufzt schwer und er sagt: "Den Hamleighs ist nichts heilig. Nicht einmal Kinder verschonen sie." Dabei schaut er so bitter dass Martin erkennt dass Richard aus Erfahrung spricht. Dennoch nickt er zuversichtlich Richard zu und er verspricht siegreich zu bleiben. "Ich werde euch nun demonstrieren wie ich zu kämpfen gelernt habe." sagt er und zwinkert den bangen Männern zu. Dann dreht sich Martin um und er rennt mit wehender Kutte auf die Ritter zu. Dem ersten Ritter duckt er sich unter dem Schwert weg und er verschwindet scheinbar unter dem Pferd. Als ein paar Sekunden später der Ritter samt Sattel vom Pferd fällt und anschliessend Martin auf dem selben sitzt erkennen die Männer dass Martin den Sattelgurt durchtrennt haben muss. Martin  führt sein Schwert mit geübter Hand. Als habe er die letzten Jahre nicht im Kloster sondern auf einem Schlachtfeld verbracht schneidet er sich durch seine Feinde. Links und rechts von ihm fallen sie reihenweise von ihren Pferden. Dann gibt Martin dem Tier die Sporen und er geht auf die Herren von Shyring los. Die schicken Martin einen Pfeilhagel entgegen den ein gewöhnlicher Mensch nicht überlebt hätte. Doch Martin ist kein gewöhnlicher Mensch. Er hat Flügel und die breitet er schützend über sich und sein Reittier. Philip, der den Kampf von den Klostermauern bang beobachtet lässt die kleine Glocke läuten. Es soll Martin zeigen dass sie alle für ihn beten und dass ein ganzes Kloster, eine ganze Stadt nun von ihm abhängig sind. Der helle Klang der kleinen Glocke füllt Martins Herz mit Freude. Er weiss dass sein Prior an ihn denkt und das gibt ihm zusätzliche Kraft. Mit weit ausgebreiteten Flügeln tritt er den Rittern entgegen. Sein Anblick lässt die meisten Ritter erschaudern. Sie haben eine Stadt schleifen wollen, vielleicht gegen ein paar Dorfbewohner kämpfen wollen, die sich fälschlicherweise wie Städter fühlen. Sie wollten den Bauerntrampeln von Kingsbridge zeigen was es bedeutet eine Stadt zu führen! Städter müssen wehrhaft sein und sie müssen wissen wie man sich verteidigt. Dass solch ein kleines Dorf das sich ausgerechnet an ein wehrloses Gotteshaus schmiegt binnen kürzester Zeit eben zu solch einer Leistung fähig ist, damit haben sie nie und nimmer gerechnet. Und nun tritt ihnen noch ein Kämpfer entgegen der nicht von dieser Welt zu sein scheint. Sein Schwert scheint hell und es wirkt als sei es ein Flammenschwert. Der Kämpfer weiss es zu führen und er hat die Vorhut im Alleingang besiegt. Wer von der Vorhut nicht am Boden liegt flieht eilig. Den Pfeilhagel hat der Gotteskämpfer unbeschadet überstanden und es fehlt nicht viel und er wird bei den Rittern angekommen sein. Hell strahlt Martin und er ruft mit gewaltiger Stimme: "Wehe euch, die ihr gekommen seid das Haus Gottes anzugreifen!"  Martin zügelt sein Pferd und das steigt ein bisschen. Martin gleicht dies mit seinen Flügeln aus um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Wie immer wenn er seine Flügel ausbreitet erscheint er in einem hellen Licht. Gegen solch eine Lichtergestalt zu kämpfen trauen sich die Ritter nicht zu. Sie fliehen und kehren unverrichteter Dinge nach Shyring zurück.

PhilipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt