Teil 28

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Als Lukas zu Martin in die Krankenstube kommt hat der Engel bereits seine Flügel offen. Die Stube leuchtet in einem überirdischen Glanz. Lukas staunt immer wieder wie ergriffen er dann von Martins Anblick ist. Er sieht in dem jungen Mönch dann die Herrlichkeit der Himmel. Am liebsten würde er jetzt auf die Knie fallen und beten, doch Martin weint und Philip sagt mit ernster Stimme: "Lukas, schau, Martins Flügel sind gebrochen." Nun tritt Lukas ehrfürchtig näher und er schaut sich die Flügel des Engels an. Genau wie seine Arme und Beine zuvor hängen die Flügel gebrochen herunter. "Wie ist denn das passiert?" will Lukas entsetzt wissen. Martin erzählt unter Tränen dass er den Sturz abfangen wollte indem er seine Flügel benutzt. Doch er ist gegen das Gerüstgeländer gekracht und danach waren seine Flügel nutzlos. Dass er dann mit dem ganzen Gerüst zusammengebrochen ist hat seine Flügel und auch die anderen Knochen dann endgültig zerquetscht. "Ich weiss gar nicht wie ich sie halten soll. Alles tut weh." klagt Martin. "Hilft dir Ellens Tee nicht?" fragt Philip besorgt. Martin schaut Philip leidend an. "Doch." sagt er leise. "aber der Tee kann nicht alle Schmerzen nehmen, ich muss glaube ich wach bleiben damit Lukas meine Flügel richten kann." Lukas nickt und er hat schon seine Hände an den Flügeln um zu fühlen wo die Knochen gebrochen sind und wo sie verschoben sind. Nun folgt für Martin eine grausame Prozedur. Lukas zieht und schiebt die Knochen wieder an die richtige Position. Da er keinen Vergleich hat muss er öfters mal nachfassen und einen Knochen mehr als einmal lang ziehen um ihn wieder in die richtige Position zu bringen. Als er endlich zufrieden ist fixiert er die Flügel an Martins Rücken. Martin ist schweissnass vor Schmerzen. "Ich würde mich so gerne waschen." seufzt er als Lukas endlich fertig ist. Philip wischt mit seinem Ärmel über Martins Stirn. "Das kann ich gerne für dich tun." sagt er sanft und er holt eine Schüssel mit warmen Wasser und einen Lappen. Lukas eilt derweil zu anderen Patienten. Gerade als Philip fertig ist und die Schüssel entsorgt da kommt ein böse drein schauender Remigius zu Philip gelaufen. "Prior, die Eltern der Gefangenen ersuchen, nein verlangen gar zu ihren Söhnen gehen zu dürfen!" sagt er mit aufgeregter Stimme. Philip weiss gar nicht was Remigius meint. Er schaut Remigius fragend an und er sagt verwundert: "Wir haben doch gar keine Gefangenen." Nun schaut Remigius entsetzt. "Doch natürlich. Richard hat Alfred und Jake dingfest gemacht. Er hatte den dringenden Verdacht dass die beiden jungen Männer fliehen wollten. Sie sitzen im Kerker hinter Schloss und Riegel und nun wollen die Eltern die beiden besuchen und ihnen sogar Lebensmittel mitbringen, dabei sitzen sie doch bei Wasser und Brot!" Philip schaut erstaunt und Martin ruft verärgert: "Wieso hat Richard Alfred und Jake gefangen genommen? Die beiden haben doch gar nichts getan!" Nun ist es an Remigius Martin verwundert anzusehen. "Na, immerhin haben sie dich halb umgebracht." erklärt er Martin. Martin schüttelt seinen Kopf. "Ich bin doch selbst schuld. Wäre ich nicht zwischen die beiden streitenden Brüder getreten dann hätten sie mich nicht verletzt." Philip ist Zwiegespalten. Eigentlich hat Martin recht. Er ist freiwillig zwischen die Brüder gegangen. Andererseits haben die beiden schon die halbe Baustelle verwüstet und wenn Martin ihnen nicht Einhalt geboten hätte dann hätte sicherlich der eine den anderen umgebracht. Allein dafür, findet Philip, haben die beiden eine Strafe verdient und das sagt er auch. Doch als er in das traurige Gesicht von Martin blickt wird er unsicher. Er fragt darum Martin: "Bist du nicht der Meinung dass Alfred und Jake dafür büssen müssen was sie angerichtet haben?" Martin schaut nicht mehr Philip an sondern seine Knie. Dann stammelt er: "Die beiden haben es doch eh schon so schwer. Sie hassen sich und jeder denkt vom anderen dass das eigene Elternteil den jeweils anderen lieber habe. Alfred fühlt sich von seinem Vater verraten weil der immer Jakes Arbeiten viel besser findet und Alfreds Steine wenn dann für die Innenmauern nimmt. Jake glaubt dass seine Mutter Alfred viel lieber habe, weil die sich stets um Alfred kümmert wenn der wieder einmal zerstört nach Hause kommt, sei es weil er sich geprügelt hat oder weil er mal wieder zu viel Alkohol getrunken hat oder beides. Mit Alfred schimpft Ellen nie, wenn Jake das Gleiche wie Alfred macht dann kann er sich gewiss sein Ellens Zorn auf sich zu spüren." Nun schaut Martin wieder zu Philip. "Die beiden sind gestraft genug dass sie in einer Familie leben müssen. Dass sie zwischendurch mal ausrasten ist doch nicht schlimm, oder?" Philip ist geneigt Martin zuzustimmen. Remigius widerspricht heftig. "Nein, nur weil die beiden eine private Fehde haben müssen sie uns nicht die halbe Baustelle zerstören. Sie hätten sich gerne auf freiem Feld oder bei sich zu Hause prügeln können. Dass wir Leidtragende ihres Disputs werden ist nicht akzeptabel. Ausserdem hat Philip nun keinen Stellvertreter mehr. Auch dafür müssen die beiden bezahlen." Remigius schaut so wütend drein dass sich weder Martin noch Philip trauen ihm zu widersprechen. Achselzuckend sagt Philip: "Dann werde ich mal mit den Eltern sprechen." Remigius erklärt: "Richard möchte über die beiden Unruhestifter jetzt Recht sprechen. Er sagt dass er dich gerne dabei hätte. Da die beiden Kircheneigentum zerstört hätten seist du der oberste Richter aber Richard denkt dass er in deinem Sinne entscheiden würde wenn er den beiden empfindliche Strafen auferlegt." Nun keucht Martin entsetzt auf. "Nein, Philip, bitte nein. Wir brauchen die beiden doch. Ohne sie können wir unsere Kirche nicht bauen. Alfred ist Toms rechte Hand und so schöne Steine wie Jake sie hauen kann kann niemand sonst." Philip lächelt und er streicht Martin sanft über den Kopf. "Ich muss die beiden bestrafen, das weisst du." Martin nickt aber er weint dabei. dann sagt er flehend: "Bitte nimm mich mit zur Verhandlung." Philip nickt und er nimmt Martin auf seine Arme. Der jüngere beisst die Zähne zusammen dass niemand merkt dass er höllische Schmerzen erleidet. Philip folgt Remigius und sie gehen zügig zum Kerker. Der Kerker befindet sich am Marktplatz. Hier haben die Menschen einen Richtertisch aufgebaut, denn im Gebäude finden nicht alle anwesenden Menschen Platz. Alfred und Jake sind in der Stadt berühmt und auch Martin kennt man. Die Menschen wollen wissen was passiert ist und die meisten würden die beiden gerne hängen sehen. Nicht zwingend beide, aber Alfred hat den Tod verdient, so glauben die Menschen zu wissen. Er gilt als unangenehmer Zeitgenosse der viel zu oft einen über den Durst trinkt und dann nicht mehr Herr seiner Sinne ist. Richard hat schon auf dem Richterstuhl platz genommen, einige verdiente Männer der Stadt sitzen neben ihm. In dem Zeugenstand stehen die Builders. Tom, Ellen und auch Martha schauen verängstigt. Auf der Anklagebank sitzen Alfred und Jake, beide sehen alles andere als gut aus. Sie haben sich weder waschen noch umziehen dürfen. Da sie gestern ihre Kleidung bei der Prügelei zerrissen haben sehen sie schrecklich aus. Philip setzt Martin wortlos neben den Richterstuhl und dann nimmt er einen Krug mit Wasser und er geht damit zu den Gefangenen. "Trinkt, ihr seht beide so aus als wärt ihr nicht gut behandelt worden." sagt er zornig. Da Ellen einen Korb mit Essen und Trinken dabei hat geht Philip zu ihr und er nimmt den Korb. "Darf ich?" fragt Philip leise. Ellen nickt und Philip reicht Alfred und Jake erst einmal das Essen. Die beiden jungen Männer haben schrecklichen Hunger. Sie nehmen sich jeder etwas von Ellens Köstlichkeiten und sie essen wortlos. Philip geht zum Richterstuhl und Richard macht ihm erstaunt platz. "Bitte, setz dich doch neben mich." schlägt Philip vor. Dann fragt er: "Was wird den beiden jungen Männern denn vorgeworfen?" Die Zuschauer sind erstaunt. Sie wissen doch dass ihr Prior bei dem schrecklichen Unglück dabei gewesen ist. Er hat doch selbst Martin aus den Trümmern befreit. Nun lässt er sich aber den Sachverhalt noch einmal erklären als sei er eben nicht an der Tat beteiligt gewesen. Da fast alle Menschen durcheinanderschreien bestimmt Philip einen einfachen Bauarbeiter ihm noch einmal zu erzählen was den beiden jungen Männern vorgeworfen wird. "Du warst doch gestern dabei. Kannst du mir bitte noch einmal erzählen was gestern vorgefallen ist." sagt Philip und dann hört er dem Bauarbeiter zu. Der erzählt dass Alfred einen komplizierten Eckstein hauen wollte. Dies sei ihm aber nicht gelungen, Alfred hat mehrere Steine verhauen. Da kam wohl Jake und hat im Handumdrehen einen solchen Stein gehauen und dann Alfred ausgelacht dass das ja wohl jeder Geselle könne. Das müsse man als Baumeister doch hin bekommen. Daraufhin hat Alfred Jake Schläge angedroht. Die beiden jungen Burschen hätten sich dann noch allerhand andere Gemeinheiten an den Kopf geworfen und dann sei es zur Prügelei gekommen. "Wer hat den den ersten Schlag getan?" fragt Philip. Der Bauarbeiter zuckt mit den Schultern. "Das kann ich nicht genau sagen, denn ich habe das nicht beobachtet." Philip fragt in die Runde wer das denn wisse. Alfred meldet sich. Alle lachen aber Philip fragt den jungen Mann: "Und? Wer hat den ersten Schlag getan. Alfred sagt leise: "Ich war es, Sir. Es tut mir leid." Philip nickt. "Und was ist dann geschehen?" fragt Philip und der Bauarbeiter berichtet wie die beiden jungen Männer die Werkbänke umgeworfen und die Werkzeuge durcheinander gebracht haben. Sie sind immer hinter einander her und irgendwann waren sie oben auf der neuen Südmauer. Da ist ihnen Martin entgegen getreten. Er hat sich zwischen die beiden Kontrahenten gestellt und er ist von ihnen gemeinsam die Mauer herunter gestürzt worden. "Wir dachten er wäre tot. Er sah gestern so tot aus als ihr ihn weggetragen habt." sagt der Bauarbeiter und er schüttelt sich. Dann schaut er Martin an und er sagt ergriffen: "Wir sind alle sehr froh dass ihr lebendig und wohl auf seid." Martin lächelt dem Mann zu und Philip bedankt sich. Er fasst zusammen: "Alfred und Jake haben sich gestritten, Jake hat angefangen Alfred verbal zu attackieren, Alfred ist daraufhin handgreiflich geworden, wie er gerade eben zugegeben hat." Er nickt Alfred zu der ihn aus glasigen Augen anschaut. "Danke dass du so ehrlich warst." sagt Philip aber Alfred zeigt keine Regung. Er versteht einfach nicht warum er noch hier sitzt. Sollen sie ihn doch einfach an den Galgen hängen und gut ist. Sein Vater erzählt ihm seit dem er ein kleiner Junge ist dass er eines Tages am Galgen enden würde, wenn er sein Leben nicht ändern würde. Alfred glaubt fest daran dass heute der Tag gekommen ist an dem es so mit ihm endet, denn bisher hat er nicht eingesehen sein Leben zu verändern. Doch Philip ist noch nicht am Ende. Nun hört er sich die Eltern an. Tom bettelt um das Leben seines Sohnes, Ellen ebenso. Es wird fast ein Ehestreit daraus. Tom wirft Jake Absicht vor, denn der Junge wüsste wie leicht Alfred provozierter sei. Ellen lässt das nicht auf ihrem Sohn sitzen, sie sagt dass Alfred sich irgendwann einmal zusammen reissen müsste. "Heute kann er es." sagt Martin sanft und er legt der aufbrausenden Ellen eine Hand auf ihren Arm. "Schau dir die beiden doch nur einmal an. Bisher haben sie noch nicht gesprochen." In der Tat sitzen Alfred und Jake eher stumm und regungslos auf der Anklagebank. Alfred mit abwesendem Gesicht, Jake alles sehr genau beobachtend und mit einem irre schlechten Gewissen. Martin wendet sich an die beiden und er sagt freundlich: "Ihr seid beide meine Freunde. Könnt ihr erklären wie es dazu gekommen ist dass ihr euch fast umgebracht habt?" Nun geht ein Raunen durch die Zuschauermenge. Die beiden sitzen nicht da vorne weil sie sich gegenseitig umbringen wollten, sondern weil sie beinahe Martin umgebracht haben. Doch der freundliche Mann tut einfach so als sei das nicht so wichtig. Er schaut die beiden Angeklagten auffordernd an und Jake schaut ihn fragend an. Da Martin lächelt und nicht böse oder wütend schaut traut er sich zu sprechen. "Es tut mir sehr Leid, Martin. Wenn ich es könnte dann würde ich es ungeschehen machen." sagt er mit leiser aber fester Stimme. Martin lächelt strahlender und er sagt lieb: "Es ist doch nichts Schlimmes passiert. Ein paar Kratzer, ein paar Knochenbrüche, nichts was nicht wieder heilen würde." Nun schnaubt Remigius durch seine Nase. "Die Arbeit von drei Tagen ist zunichte, das ist nicht nichts!" ruft er erbost und er erhält zustimmendes Gemurmel seitens der Zuschauer. Auch Richard nickt zustimmend mit dem Kopf. Martin sagt dazu nichts aber er bedeutet Jake weiter zu sprechen. Der fährt fort sich zu erklären. Wie wütend er auf Alfred ist, dass Tom ihn stets bevorzugt nur weil er sein leiblicher Sohn ist. Nun schaut Alfred hoch. "Aber das tut er doch gar nicht!" ruft er verwundert aus. "Papa lobt immer nur deine Arbeiten und meine Arbeit ist wenn dann unsichtbar." Nun schauen sich Alfred und Jake doof an. Philip erklärt: "Gefühle sind nicht rational. Wenn Jake sich von Tom benachteiligt fühlt dann fühlt er eben so. Und wenn du Alfred dich nicht beachtet fühlst dann fühlst du eben so. Ich glaube dass Tom euch beide sehr lieb hat, zumindest spricht er stets sehr stolz von euch beiden. Für ihn seid ihr beide seine Söhne, stimmt doch, oder Tom?" Der Angesprochene nickt ganz eifrig. "Ja, Jake, ja, Alfred, ihr seid beide meine Söhne und ich bin sehr stolz auf euch. Ich bin von Jakes aussergewöhnlichem Talent angetan aber ich mag auch deine Beharrlichkeit Alfred." Die Jungen schauen nun doch sehr betreten. Philip fragt beide eindringlich ob sie sich auf der Baustelle denn zusammenreissen könnten und in Zukunft friedlich zusammen arbeiten können. Alfred schaut Philip an und er brummt: "Wenn Jake mich in Ruhe lässt dann wird das wohl gehen." Jake schreit sofort: "Ich mach doch nichts. Du bist immer nur neidisch auf meine Werke und du sabotierst mich wo du nur kannst. Wärst du nicht so ein Pupskopf dann kämen wir besser miteinander aus." Tom und Ellen stöhnen. Ihre beiden Söhne zanken sich gerade um Kopf und Kragen. Philip wirkte als wolle er ihnen die Strafen erlassen und sie können sich nicht einmal jetzt zusammen reissen. Richard grätscht dazwischen: "Prior Philip, bei aller Liebe, ihr könnt die beiden Unholde nicht einfach so davon kommen lassen. Sie haben Martin schwer verletzt, haben die Baustelle verwüstet und wenn man ihnen nicht Einhalt geboten hätte, wer weiss was da noch alles hätte passieren können. Nein, die beiden werden sich nicht ändern, es sei denn sie werden bestraft." Nun schaut Philip Richard fragend an. "Meint ihr eine Strafe kann die beiden zur Besinnung bringen?" fragt er ungläubig und Richard nickt ernst. "Natürlich. Wenn sie im Kerker über ihre Tat nachdenken werden sie bestimmt bereuen was sie getan haben." Philip schaut zu den beiden Unglücklichen. Sie schauen sehr entsetzt zu Richard. Doch Tom und Ellen sind erleichtert, zumindest droht ihren Kindern nicht mehr der Galgen. Nun sagt Philip leise: "Ich glaube nicht dass noch längere Gefangenschaft den beiden hilft sich anders zu benehmen. Jake nicht weil er ein heller Kopf ist der längst weiss was er falsch gemacht hat, Alfred nicht weil er auch nach einhundert Jahren Gefangenschaft nicht darauf kommen kann was schief gelaufen ist. Nein, die beiden müssen getrennt werden." Alfred und Jake schauen sich an und sie nicken. Ja, getrennt vom anderen klingt in ihren Ohren sehr sehr gut. Alfred freut sich ohne den verhassten Bruder ohne den unerreichbaren Streber zu arbeiten. Dann wäre es nicht so schlimm wenn seine Steine die unsichtbaren sind, denn dann sind es nicht Jakes die seine verdecken. Jake fände eine Baustelle ohne den anstrengenden Alfred super. Ohne dass ihm jemand ständig und ständig schikaniert und ärgert. Das wäre ein entspanntes Arbeiten!

PhilipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt