Teil20

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Nach dem Gespräch mit Ellen ist Martin sehr verwirrt. Tut er wirklich das Richtige oder soll er ein Leben ausserhalb der Gemeinschaft anstreben? Er ist unzweifelhaft ein Dämon, seine Bestimmung ist es die Welt ins Verderben zu stürzen. Noch hat er das nicht getan, aber er ist ja auch noch ein kleiner Dämon. Seine Federn sind alle weiss und unschuldig. Er ist noch jung und hatte eigentlich noch nicht so viele Meister. Martin kennt seine Gaben. Er hat die Gabe mit seiner Stimme die Menschen zu verführen. Er kann ihnen Gedanken eingeben und sie von der Richtigkeit seiner Worte überzeugen auch wenn die Worte völliger Blödsinn sind. Einmal hat er es ausprobiert und sich furchtbar dafür geschämt. Er hat natürlich sofort Philip davon gebeichtet. Als sie im Steinbruch waren hat Martin Percy Hamleigh mit Hilfe seiner Stimme eingeredet dass er ein kleiner Wurm im Komposthaufen seiner Familie sei und dass Gott ihn zerschmettern würde wenn er nicht ganz schnell fliehen würde. Percy hat das ja dann auch rasch getan. Philip hat sich das ganze angehört, Martin umarmt und ihm lediglich das Versprechen abgenommen nie wieder jemanden zu etwas zu verführen. Mehr nicht. Er musste keine Strafen über sich ergehen lassen und auch keine Busse tun. Philip hat damals gesagt es würde reichen dass Martin es bereut und er es nicht wieder tun wolle. Doch Martin weiss dass er es könnte und das schmerzt ihn. Er könnte Leid und Verderben über seine Mitmenschen bringen. Was, wenn er Percy dazu gebracht hätte sich ein Leid anzutun? Oder den Männern um Percy eingeredet hätte dass ihr Ritter ein Unhold ist den sie besser umbrächten? Martin ist sich sicher dass er auch dies hätte den Menschen einflüstern können. Martin hat Angst. Er hat Angst dass er eines Tages Tod und Verderben über diejenigen bringt die er liebt. Dass er eines Tages Kingsbridge oder das Kloster zerstört. Warum nehmen ihn die Menschen nur so anders wahr? Wieso glaubt Ellen dass er ein guter Mönch werden könnte?

Philip hat Martin gesucht um mit ihm den Abend und die Nacht betend zu verbringen. Es ist üblich dass die Novizen ihr Herz noch einmal prüfen bevor sie die Gelübde ablegen. Philip findet einen völlig verzweifelten Martin an den Hängen oberhalb von Kingsbridge. An dem Wegkreuz sitzt Martin unglücklich auf der Bank und er weint. Hätte er darauf geachtet dann hätte er Philip gesehen wie er zu ihm hinaufgekommen ist. Doch Martin hatte seine Augen geschlossen und gegen seine Knie geweint, so dass er nun erschrickt als er einen Arm um seinen Schultern fühlt. "Hey, Kleiner, was bedrückt dich?" fragt Philip sanft. Martin erzählt von seinem Kummer und dem Verdacht dass er eines Tages Kingsbridge oder dem Kloster schaden könnte. Philip unterbricht Martin nicht. Er kennt die Selbstzweifel des kleinen Engels. Er hört dem Knaben zu und er legt sich die Worte zurecht die er ihm gleich sagen will. Immerhin muss er Martin davon überzeugen dass es nicht so wichtig ist als was man geboren wurde, sondern es ist wichtig wofür man sich entscheidet. Man kann als Dämon geboren worden sein, doch wenn man sich dazu entscheidet auf die Seite des Lichts zu gehen dann gehört man zum Licht. Martin selber hat Philip einst darum gebeten dass Philip ihn tauft. Freiwillig, weil er erkannt hat dass das Licht schön ist und dass es sich lohnt zu Gott zu gehören. Philip erzählt Martin von der Güte Gottes und von der Schönheit seiner Schöpfung. "Martin, weisst du eigentlich dass Glaube, Hoffnung und Liebe zusammen gehören? Diese drei? Die Liebe ist zwar die grösste unter ihnen und ich weiss dass du lieben kannst. Du liebst mich, du liebst alle Mitbrüder und ich glaube du liebst auch alle Menschen in Kingsbridge. Du hast uns mit deinem Leben verteidigt und du gehst heute noch jeden Tag zu den Armen und Kranken und schenkst ihnen reich von deiner Liebe. Du hast einen festen Glauben, einen grossen Wissensschatz und du bist sehr belesen. Du denkst über vieles nach. Doch was dir fehlt ist die Hoffnung. Die Hoffnung dass all das Gute das du gibst auch für dich gilt. Dass du auch ein Kind Gottes bist. Ich habe dich getauft. Ich habe dich zu einem Kind Gottes gemacht. Diese Hoffnung möchte ich dir heute noch einmal in dein Herz pflanzen. Bitte glaube mir dass ich dich nicht anflunkern würde. Ich bin der festen Überzeugung dass du zu uns gehörst, dass du zu mir gehörst." Martin schaut Philip staunend an. Sein Mund steht offen und ausser einem kleinen "Oh!" kann er minutenlang nichts sagen. Dann fängt Martin an zu lächeln. Er fällt Philip um den Hals und er sagt glücklich: "Ja, ich will zu dir gehören." Philip muss bei dieser stürmischen Umarmung unweigerlich lächeln. Er schließt den Jüngeren in seine Arme und am liebsten würde er ihn auch nie wieder hergeben. Doch sie müssen los. Martin muss sich auf seinen großen Tag vorbereiten. Er wird die Nacht betend verbringen und er wird sein Herz prüfen ob er wirklich das Gelübte ablegen möchte. Wenn er sich dazu entschließt dann wird er morgen früh Beichten und dann von seinen Sünden reingewaschen. Martin wird ein neuer Mensch. Wenn er mag kann er sich einen neuen Namen aussuchen.

PhilipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt