Teil18

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Als die Stadt mehr oder weniger wieder aufgebaut ist möchte Tom mit dem Bau der Kathedrale weitermachen. Philip ist sehr daran interessiert dass die Kirche, vor allem der Altarbereich bald wieder steht, denn er möchte den Novizen ihre Gelübde in einer halbwegs stehenden Kirche abnehmen. Zu lange sind die meisten schon Novizen. Das ist unüblich aber ohne Kirche will er die jungen Männer nicht vereidigen, der Rahmen soll schon festlich sein. In dieser Zeit sieht Philip Martin wieder mit bangem Gesicht durch die Gegend gehen. Natürlich spricht er seinen Lieblingsmenschen darauf an. "Was bedrückt dich dieses mal?" fragt er Martin. Der windet sich und ziert sich sehr aber schliesslich vertraut er Philip seine Ängste an. Martin hält sich selbst noch nicht für würdig die Gelübde abzulegen. Philip muss unwillkürlich lachen. "Wenn einer würdig ist die Sakramente zu erhalten dann du!" platz es aus dem Prior hinaus. "Du hast mehr Wissen über den Glauben und lebst bescheidener und reiner als alle anderen Novizen gemeinsam." Martin errötet. "Aber ich weiss doch so wenig." flüstert er beschämt. Philip streichelt dem jüngeren über den Kopf und er seufzt mitfühlend. "Natürlich weisst du wenig. Kein Mensch kann alles wissen. Aber du weisst schon mehr als die anderen. Du studierst fleissig und merkst dir die Dinge. Du versuchst nach den Regeln der Kirche zu leben und wenn es dir einmal nicht gelingt dann bist du entsetzt. Wer, wenn nicht du, ist denn dann ein geeigneter Novize um ein vollwertiges Mitglied unserer Gemeinschaft zu werden?" Martin lässt sich das Lob gefallen. Er druckst doch noch etwas herum und dann fragt er Philip: "Kannst du mein Pate werden? Kannst du mit mir zusammen die Nacht vor der Vereidigung gemeinsam beten und mit mir mein Herz prüfen ob ich bereit bin? Kannst du mir die Beichte abnehmen und mich von den Sünden rein waschen? Bitte!" Martin schaut mit seinen dunkelblauen Augen Philip so flehend an dass der ältere gar nicht anders kann als ihm lächelnd zuzusagen. "Natürlich werde ich mit dir wachen." verspricht er wohl wissend dass es mal wieder unerhört sein wird dass er als Prior einen Novizen so sehr favorisiert. Doch Philip will Martin einfach niemand anderem anvertrauen. Schon gar nicht das Reinwaschen der Sünden. Was, wenn Martin dem anderen seine sündigen Gedanken die er ihm gegenüber hegt beichtet? Das wäre ein Skandal und Remigius, der wieder gegen die beiden Lästert würde einen Verbündeten bekommen. In diesem Augenblick kommt Philip eine seiner Meinung nach geniale Idee. Er fragt Martin ob dieser sich nicht zum Priester weihen lassen wolle. Das Wissen habe er, die Prüfung würde er mit Leichtigkeit bestehen. Philip fände es schön wenn Martin einmal die Sonntagsmesse lesen könnte und es wäre auch von Vorteil wenn Martin die Sakramente spenden könnte, denn noch immer kümmert sich der Jüngere um die Menschen in Kingsbridge. Er ist ihr Arzt und manchmal lässt Martin nach Philip schicken wenn ein Patient die Sterbesakramente empfangen muss. Es wäre deutlich einfacher wenn Martin sie selber spenden könnte. Martin schaut Philip verwundert an. "Meinst du ich bin schon so weit?" fragt er unsicher. Philip nickt. "Der Bischof wird dich prüfen und weihen. Ich glaube aber dass du das Wissen hast." Martin schaut dennoch eher skeptisch. "Ausserdem würde ich gerne wieder einmal all meine Sünden beichten können ohne dass ich einen Skandal auslöse und wir danach getrennt sind." erklärt Philip sein eigentliches Begehr. Das ist ihm natürlich furchtbar peinlich und er errötet vor Scham. Martin die Bürde des Priestertums auferlegen nur um selbst davon zu profitieren ist alles andere als ein geeigneter Grund dass Martin Priester werden soll. Martin lacht herzlich über die Beweggründe seines Freundes und dann schaut er ihn gut gelaunt an um Philip zu versprechen sich weihen zu lassen. Die nehmen sich fest vor beim Bischof den Antrag zu stellen, sobald die Kirche so weit aufgebaut ist dass sie eine feierliche Messe darin feiern können und das Fest gefeiert werden kann.

Doch bevor dies geschehen kann müssen die beiden noch eine weitere, furchtbare Prüfung überstehen. Als die Steine aufgebraucht sind die sie ursprünglich für die Kirche gebrochen haben und nun alle in den Häusern der Stadt stecken da müssen die Arbeiter aus dem Steinbruch unverrichteter Dinge heim kommen. Die Hamleighs haben dort bewaffnete Männer stehen die die Arbeiter daran hindern weitere Steine zu brechen. Philip und Martin eilen zum Steinbruch. Ein übel gelaunter Percy Hamleigh stellt sich ihnen in den Weg. „Was wollt ihr hier?" bellt er ihnen entgegen. Philip neigt seinem Kopf und er grüßt den bösen Mann höflich. „Gott zum Gruß, edler Herr. Wir sind hier um zu fragen weswegen ihr unsere Arbeiter hindert Steine zu schlagen. Der König selbst hat uns dieses Privileg gewährt." erklärt Philip mit sanfter Stimme. "Wir dürfen hier Steine für unsere Kirche nehmen, wenn ihr wollt können wir euch die Briefe zeigen die König Stefan uns gegeben hat." Philip schaut sein Gegenüber gespannt an. Martin schaut nicht minder gespannt die Herren hinter Percy an. Er will auf alle Fälle vermeiden dass einer der Handlanger seinen Prior angreift um ihm etwas zu Leide zu tun. Er traut diesen Halunken alles zu. Darum ist er auch mitgekommen um zusammen mit Philip die Gegner zur Rede zu stellen. Philip ahnt nicht dass Martin sich auf das Schlimmste gefasst macht. Der Kleine steht brav und demütig neben ihm. Doch trotz gesenktem Haupt ist der Bub hellwach und beobachtet seine Gegner ganz genau. Percy spuckt vor Philip aus. "Ihr habt mehr als genug Steine aus unserem Steinbruch genommen. Mit den Steinen hättet ihr eure blöde Kirche mehr als aufbauen können." schreit er laut. Philip schaut den Ritter perplex an. "Wir mussten unsere Stadt neu errichten, ihr habt sie niedergebrannt." klagt er den Adligen an. Percy lacht genervt auf. "Ich kann mich an euer Kaff das ihr Stadt nennt erinnern. Es waren einige stinkende Holzhütten die lichterloh brannten als wir euch Feuer geschickt haben. Doch ihr habt die Steine eurer Kirche dafür genutzt das Dorf hübsch herzurichten. Nun seht zu wo ihr Steine her bekommt. Hier bekommt ihr sie nicht mehr. Uns habt ihr lange genug ausgeraubt!" Percy zieht sein Schwert und er kommt ein paar Schritte auf Philip zu und er hält ihm bedrohlich das Schwert vor die Brust. Doch ehe er beim Prior ankommen kann steht Martin zwischen ihm und seinem Freund. Percy lacht nur und er hält dem kleinen Knaben das Schwert vor die Kehle. "Es ist mir egal ob ich zuerst den fetten Pfaffen absteche oder das stumme Kind! Ihr werdet JETZT von MEINEM Grund und Boden verschwinden oder ich schlitze euch die Kehlen auf!" Philip zieht Martin von Percy weg. Percy Hamleigh hat den Ruf sehr jähzornig und ungestüm zu sein. Er denkt nicht zwei mal nach und ihm macht es nichts aus Menschen zu töten. "Wir werden uns beim König über euer Verhalten beschweren!" sagt Philip mit mutigerer Stimme als er sich fühlt. "Macht das!" lacht Percy. "Immerhin habe ich des Königs Hintern in der letzten Schlacht gerettet, nicht ihr. Ich freue mich wenn ihr euch bei ihm über mich beschwert. Vielleicht geruht König Stefan ja das Unrecht das er uns zugefügt hat rückgängig zu machen!" Percy lacht hämisch und er fühlt sich im Recht. Philip und Martin ziehen sich zurück.

Zu Hause überlegen sie gemeinsam mit ihren engsten Vertrauten wie sie nun weiter verfahren sollen. "Wir müssen uns an den König wenden. Ihr habt ihn schon einmal für euer Vorhaben gewinnen können." sagt Tom. Philip wiegt bedächtig seinen Kopf. "Es war eher sein Schreiber, mein Bruder Francis, der uns wohl gesonnen war. Er hat die Urkunden geschrieben und nach einem langen Arbeitstag dem König vorgelegt. Der König hat nicht nachgedacht und nur noch unterschrieben. Ich bin mir sehr sicher dass der König uns nicht noch einmal solch umfassende Zugeständnisse machen würde wenn wir ihn darum bitten." Richard von Kingsbridge nickt nachdenklich "Ausserdem haben die Hamleighs wirklich viele Mannen dem König bereit gestellt. Sie sind in König Philips Gunst mit Sicherheit eher gestiegen als gesunken. Wir müssen uns die Steine entweder mit List oder mit Gewalt holen. Wir haben inzwischen eine schlagkräftige Stadtwache. Wir könnten die Hamleighs angreifen." Entsetzt schaut Philip seinen Stadtherren an. "Nein, wenn wir uns mit Waffengewalt die Steine holen, dann müssten wir ununterbrochen kämpfen. Ausserdem könnten die Hamleighs dann den König um Hilfe bitten, wir wären dann im Unrecht. Nein, wir müssen eine andere Lösung finden!" "Schade dass die Hamleighs so ein Gottloser Haufen sind!" meldet sich Bruder Matthias zu Wort. "Hätten sie einen Funken Gottesfurcht im Leib so könnten wir sie überzeugen dass ein Kirchenbau unterstützenswert ist." Martin schaut plötzlich Matthias ernst an. "Das ist es! Wir müssen die Hamleighs überzeugen dass Gott selbst den Bau unserer Kirche möchte. Dass wir auf Gottes Geheiss hin die Steine schlagen!" Alle schauen den kleinen Novizen an und der erläutert den Männern einen ungeheuren Plan.

Vor Morgengrauen begeben sich alle Arbeiter und alle Mönche aus Kingsbridge zu dem Steinbruch. Sie verhalten sich muchsmäuschen still und verzichten weitgehend auf Laternen oder Lampen. Der Mond und die Sterne weisen ihnen den Weg. Im Steinbruch sind einige Zelte aufgeschlagen. Hier lagert eine kleine Armee! Sollte Percy Hamleigh gleich nicht vor Gott selbst in die Knie gehen so könnten die Arbeiter und die Mönche von den Kämpfern leicht bezwungen werden. Philip betet dass er seine Männer nicht ins Verderben schickt. Er muss Percy mit dem himmlischen Beistand gleich überzeugen! Seine Kirche ist doch wichtig! Mit bangem Herzen blickt er gen Osten. Schon dämmert es über dem Steinbruch und die Vögel stimmen ihren Lobgesang an. Wie um in den Tierischen Lobgesang mit einzustimmen fangen die Mönche an zu singen. Sie singen ein Lied zum Lobe Gottes. Hier im Steinbruch hallen ihre Stimmen und es klingt überirdisch schön. Natürlich erwacht Percy und er kommt zusammen mit seinen Rittern aus den Zelten gekrochen. Dies scheint das Zeichen für die Arbeiter zu sein und sie fangen an im gleichen Rhythmus die Steine zu schlagen wie die Mönche singen. Percy fackelt nicht lange und er rennt mit gezogenem Schwert auf die Mönche, ganz speziell auf Prior Philip los. Der hält ein goldenes Kreuz in der Hand und er sagt mit sanfter aber bestimmter Stimme: "Deus io vult! Gott will dich!" Percy verzieht sein Gesicht zur Fratze. Er hasst diesen eingebildeten Priester. Er hasst ihn weil er immer von der Güte Gottes erzählt und ihm ein furchtbar schlechtes Gewissen macht. Nun behauptet er dass Gott ihn bräuchte, ja wollte! Als ob! Natürlich weiss Percy dass sein Lebenswandel alles andere als gottesfürchtig ist. Er sündigt und er hat Spass daran. Dass der blöde Philip ihm in seinen Predigten stets einen Spiegel vorzuhalten schein wurmt ihn sehr. Und nun ist er gekommen um ihm sein Eigentum wegzunehmen, und nicht nur das! Ihn selbst willer haben. Er sieht das gar nicht ein und nun will er sein Schwert in diesen eitlen Pfaffen versenken. Doch da wird er von einem Sonnenstrahl geblendet. Philip hält sein güldenes Kreuz extra so dass sich die Sonne in dem Kruzifix spiegelt und diese Spiegelung Percy ins Auge fällt. Der kann nun nicht mehr richtig sehen. Doch zu seiner großen Verwunderung erscheint ein Engel hinter Philip. Strahlend weiss und leuchtend breitet er seine Flügel aus und er singt mit einer überirdischen Stimme. Percy weiss nicht mehr ein noch aus. Natürlich könnte er sein Werk vollenden und den Mann vor ihm abschlachten, doch der Engel scheint auf der Seite des Priors zu sein. Nein, wenn Percy nun den Priester umbringt dann wird dieses himmlische Wesen ihn mit Sicherheit direkt vor den Thron Gottes schleifen um über ihn richten zu lassen. Und nein, Percy hat wenige gute Taten vorzuweisen. Er weiss dass er vor dem ewigen Richter nicht bestehen kann. Kraftlos lässt er sein Schwert fallen. Sein Gesicht starrt entsetzt den Engel an und dann rennt Percy um sein Leben. Seine Ritter tun es ihm gleich und seit dem können die Arbeiter aus Kingsbridge wieder unbehelligt Steine für die Kathedrale schlagen.

PhilipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt