Teil 8

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In den nächsten Wochen beschäftigen sich Philip, Martin und Remigius sehr mit ihrem Vorhaben. Remigius hat den Haken an der Geschichte noch nicht gefunden und er beschließt das Amt anzunehmen. Die nächsten Wochen und Monate wird er damit zubringen in anderen Klöstern die Kunst des Brauens zu erlernen. „Ich freue mich auf dein erstes Bier!" sagt Martin und lächelt ihm zum Abschied ins Gesicht. Remigius ist verwirrt. Er hatte bisher kaum das Gefühl dass Martin ihn mögen könnte. Er hasst den Jungen. Doch jetzt fragt er sich weswegen er ihn hasst. Er vermutet dass sich Philip und Martin näher stehen als es die Kirche erlaubt. Aber erwischt hat er sie nie. Dann denkt er sich: und wenn schon. Das müssen die beiden selber vor sich und Gott verantworten. Remigius kennt sich leider zu sehr in Sachen verbotener Liebe aus. Doch das ist Vergangenheit.
Er freut sich auf seine neue Aufgabe. Er schaut Martin ernst  an, nickt ihn zu und verspricht: „Du darfst mein Vorkoster sein." Philip lächelt nun ebenfalls und verabschiedet sich von Remigius. „Möge Gott Dich auf deinen Wegen beschützen auf dass du sicher und wohlbehalten wieder zu uns zurück kehrst." sagt Philip und Remigius brummt ein bisschen. „Bis nächstes Jahr." sagt er zu den beiden und gibt seinem Reittier die Sporen.
Als Remigius weg ist seufzen die beiden und schauen sich an. „Heute Nacht schlafen wir gemeinsam im Bett!" freut sich Philip. Martin lächelt und er nickt begeistert. Es ist nämlich immer noch so dass Martin unter den Alpträumen leidet, es sei denn er liegt bei Philip und der zieht ihn im Traum von dem Abgrund weg. Sie können sich dann im Traum miteinander unterhalten. Meist erzählt Philip von den heiligen Schriften und wie sie seiner Meinung nach gemeint sind. Er erklärt dem jüngeren wie er die Welt versteht. Martin lernt so gerne von Philip. Der hat einen solchen Wissensschatz und der Blick auf die Welt gefällt Martin. Philip ist so voller Liebe und Güte für die Schöpfung dass Martin das gerne auch wäre. Am Tage haben die beiden wenig Zeit für theologische Studien. Da nehmen die Zahlen die beiden gefangen. Die Sorgen um die Mittel für den Neubau der Kathedrale, die Sorgen um das Kloster und die Kosten für die Instandsetzung der Nebengebäude und die Sorgen um die Menschen, die in der Nähe des Klosters siedeln. Kingsbridge ist arm. Philip fühlt sich seit dem letzten Winter für die Gemeinde verantwortlich. Es sind damals so viele Menschen gestorben und er hatte keine Möglichkeit das Elend abzuwehren. Doch der Sommer war reich und sie haben viele Garben eingebracht. Philip hätte gerne mehr verkauft damit der Kirchbau schneller von statten gehen kann, doch Martin hat ihn gebremst. Die Menschen, die an der Kirche bauen müssen auch versorgt werden. Sollte der Winter wieder so hart werden, so sind sie dieses mal gewappnet. Die Sorge um die notwendigen Dinge verwehren Martin die theologischen Studien. Darum ist es um so wichtiger dass er sie nachts im Traum erleben kann. Seit Remigius erfahren hat dass Philip und Martin sich das Bett teilen hat er nicht aufgehört sie zu ermahnen dass das unzüchtig sei, so dass die beiden aufgehört haben so zu nächtigen. Martin hatte danach niemanden der ihn von dem Abgrund zieht und er konnte kaum noch schlafen und auch Philip hat nicht gut geruht. Darum freuen sie sich um so mehr dass sie endlich wieder gemeinsam schlafen können. Den anderen Brüdern ist es nämlich herzlich egal ob die beiden sich das Bett teilen. So lange sie dabei züchtig gekleidet sind ist es wirklich in Ordnung und widerspricht nicht der Ordensregel. Es ist sogar üblich dass sich vor allem im Winter mehrere Menschen das Bett teilen damit sie nicht erfrieren. Der einzige der sich an der Tatsache dass Philip und Martin ihr Bett teilen gestört hat ist Remigius und der ist nun erst einmal für lange Zeit nicht mehr da um die beiden anzuprangern.

Auf der Baustelle geht es nur schleppend voran. Tom hat alle Steine, die er aus der alten Kathedrale verwenden kann ordentlich aufgestapelt. Doch nun ist absehbar dass die Steine bald aufgebraucht sein werden und neue Steine müssen her. In der Nähe von Kingsbridge gibt es einen Steinbruch. Dieser gehört zum Lehen von Shyring. Da es derzeit von den Hamleighs bewirtschaftet wird beschliesst Philip die Familie aufzusuchen und um Steine zu bitten. Weil Philip weiss wie sehr Martin leidet wenn er weg ist nimmt er ihn dieses Mal mit auf seine Reise. Die Reise zur Burg Shyring ist beschwerlich. Der Weg führt durch einen dichten Wald, dessen Wege nicht wirklich befestigt sind. Doch Philip und Martin sind guten Mutes. Sie reiten auf zwei Maultieren und sie haben genügend Proviant um die Reise mit gefüllten Mägen zu bestehen. Die Nächte versprechen mild zu sein und es regnet nicht. Kaum haben die beiden den Wald betreten treffen sie auf eine kleine Gruppe von sechs Männern die sie aufhalten. Die Kerle sind in Lumpen gekleidet und sie sind dünner als gesund wäre. Ihre Haut ist schmutzig, die Haare und Bärte verfilzt und die Zähne sind faul. Jeder von ihnen hat einen Knüppel in der Hand, die sie nun bedrohlich schwingen. Philip und Martin ziehen die Zügel damit ihre Tiere stehen bleiben. Philip redet die Gruppe ganz freundlich an: "Seid gegrüsst! Was ist euer Begehr?" Die Männer schauen sich verwundert an. Noch nie hat ein Fremder sie gegrüsst und nach ihrem Begehr gefragt. Was sie wollen ist doch offensichtlich. Sie sind Outlaws, Ausgestossene. Sie überleben indem sie andere ausrauben. Und genau das haben sie jetzt auch vor. Kirchenmänner haben häufig Kleinodien und Schätze mit dabei. Philip erklärt was sie vor haben. "Wir sind aus Kingsbridge. Weil unsere Kathedrale letzten Herbst nieder gebrannt ist, benötigen wir Steine um sie wieder aufzubauen. Wir sind auf dem Weg zur Burg Shyring um dort nach dem Recht zu bitten im hiesigen Steinbruch Steine für unsere Kirche zu schlagen." Die Räuber zögern. Einem reichen Kaufmann sein Eigentum weg zu nehmen ist ja eine Sache, einen Mann Gottes zu bestehlen schon eine andere. Und nun diesen beiden, in einfache Kutten gehüllte und barfuss reitende Mönche um das Geld zu bringen was sie für den Bau eines Gotteshauses benötigen beschämt die Männer. Es fühlt sich an als wollten sie Gott selber bestehlen. Und das ist kein gutes Gefühl. Unsicher rücken die Kerle näher. "Wir wollen euer Hab und Gut." sagt der Anführer dennoch mutig. Philip lächelt. "Wir können unser Brot mit euch teilen. Geld tragen wir nicht dabei. Wir hoffen dass die Hamleighs uns das Recht Steine zu schlagen für einen Gotteslohn überlassen." erklärt er. Er und Martin steigen von ihren Reittieren. Martin öffnet die Satteltaschen und er holt den Proviant heraus. Philip schenkt den Männern das Essen mit vollen Händen. Die Männer stecken sich das Brot und den Käse hungrig in die Münder. Sie nehmen sich nicht einmal die Zeit sich auf die Decke zu setzen die Martin nun ausbreitet. Doch als der erste Hunger gestillt ist lassen sie sich nieder. Philip fragt die Männer mit seiner ruhigen und lieben Stimme nach ihrem Leben aus. Die Männer wundern sich selbst weswegen sie dem Bettelmönch so sehr vertrauen. Aber bald haben sie ihm ihr Leid geklagt. Jeder von ihnen ist irgendwann bei einem Verbrechen erwischt worden und vor seiner Verurteilung geflohen. Hier im Wald hausen sie nun und überleben indem sie andere berauben. "Wenn ihr euer Leben ändern wollt dann kommt nach Kingsbridge!" schlägt Philip mit leuchtenden Augen vor. "Wir brauchen dort jede helfende Hand. Wir bezahlen auch gut." Philip schwärmt den Männern vom Bau eines Gotteshauses vor. Welch hoher Bau das einst sein wird und sie wunderbar es ist bei solch einem grossen Projekt mitzuwirken. "Jeder Arbeiter, und fühlt er sich selber noch so klein, ist unendlich wichtig für die Kirche!" erklärt Philip. Als sie sich von den Männern verabschieden gehen diese nach Kingsbridge. Sie haben von Philip den Rosenkranz mitbekommen und einen Gruss an Bruder Matthias. Der ist nicht nur für die Küche zuständig. Ihm unterstehen auch die Laienbrüder. Er soll den Männern Kleidung und Essen geben, sowie einen Platz zum Schlafen. Die Männer wollen alle am Bau der Kirche mitwirken. Arbeiten für Lohn und Brot klingt in ihren Ohren mehr als verlockend. Philip hat ihnen Kraft seines Amtes ihre Sünden vergeben. Sie sind nicht länger Vogelfrei, so lange sie im Kloster bleiben.

PhilipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt