Teil 14

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Als Martin hinter Francis und Philip den grossen Thronsaal betritt kommt er aus dem Staunen nicht heraus. Der Saal wirkt riesig und doch viel zu klein für all die vielen Menschen die dort versammelt sind. Überall stehen Edelmänner in ihren bunten Wappenröcken. Sie sind ausnahmslos grosse und starke Männer. Frauen sucht man hier vergebens, Männer der Kirche sind rar. Francis drängt sich durch die bunte Masse nach vorne. Auf dem Thron sitzt ein streng wirkender Mann der sich angeregt mit jemandem unterhält der Martin eigenartig bekannt vorkommt. Er ist definitiv ein Mann, Gottes, das verrät seine Kleidung. Als Martin das Gesicht des Fremden erblickt und der scheinbar Philip mit einem angedeuteten Kopfnicken begrüsst fällt es Martin ein. Er hat diesen Mann schon einmal gesehen. Als Philip zum Prior ernannt wurde war dieser Mann zugegen. Was Martin nicht weiss ist dass dieser Mann der Bischof ist, Philip ist ihm also unterstellt. Als der König Francis erblickt hellt sich sein Blick auf. „Ah, da bist du ja. Dann können wir anfangen." wird Francis begrüsst und der verbeugt sich vor dem König. Philip und Martin verbeugen sich ebenso, werden aber völlig ignoriert. Darum treten sie ein wenig bei Seite und sie stellen sich in eine Fensternische. Schon bald gesellt sich der Bischof neben sie. „Was führt euch zur Audienz? Ich nehme an dass ihr dem König keine Gefolgsmänner stellen wollt?" sagt der Bischof und er grinst selbstgefällig über seinen Scherz. Philip starrt ihn an und versteht im ersten Moment nicht was der Bischof von ihm will. Martin springt für Philip ein und er sagt leise: „Nein, wir haben keine Kämpfer im Kloster. Wir möchten vom König das Marktrecht für Kingsbridge erbitten, damit wir genügend Einnahmen für unseren Kirchenbau erwirtschaften können." Der Bischof wundert sich dass der Novize so vorlaut geantwortet hat, hat er doch das Wort an dessen Vorgesetzten gerichtet. Erstaunt schaut er zu Philip und er würde nun erwarten dass der den ungezogenen Knaben rügt. Doch der nickt nur und erläutert: „Kingsbridge ist nun so gross dass wir selbst das Stadtrecht erbitten könnten. Außerdem tun uns die Herren von Shyring unrecht, sie fordern Lehen von einigen Dörfern und Gütern die eigentlich dem Kloster gehören. Wir hatten es an den alten Herren von Shyring als Schutzgebühr gegeben. Doch die neuen Herren haben uns bisher noch nicht gegen Räuber, Diebe und sonstiges Gesindel beschützt. Im Gegenteil, auf dem Weg hier her sind wir einigen von diesen Strolchen begegnet." Der Bischof hebt eine Braue. Er würde gerne mehr über das Verhältnis von Philip zu seinen weltlichen Nachbarn erfahren. Doch ein strenger Blick von Francis, den das Gewisper zu seiner rechten doch sehr stört, macht  diese Unterhaltung zu Nichte. Stundenlang lauschen Philip und Martin wie der König von seinen Lehensleuten den Treueeid einfordert. Um jeden Mann wird gerungen. Scheinbar möchte niemand mehr Männer in den Krieg schicken als unbedingt nötig. Martin lauscht den Verhandlungen gebannt. Ihm ist nicht wohl bei der Sache. So weit er sich erinnern kann ist es nicht sinnvoll einen Krieg zu beginnen wenn man nicht zu einhundert Prozent bei der Sache ist. Wenn man nicht alle vorhandenen Ressourcen nutzt kann es sein dass man unterliegt obwohl man die schlagkräftigere Armee besässe. Solch ein halbherziges Vorgehen kann tödlich enden! Wenn der König unterliegt und sein Herr geschlagen wird obwohl noch etliche tüchtige Kämpfer zu Hause sind ist das äußerst unvorteilhaft. Doch Martin schreitet nicht ein. Er vertraut darauf, dass der König schon weiss was er tut.
Als die Stunde weit nach Mittg rückt tun Martin vom langen stehen die Füße weh. Wie gerne würde er sich eine Weile ausruhen und sich irgendwo hinsetzen oder zumindest anlehnen. Als er den Versuch wagt sich an Philip zu lehnen flüstert dieser in Martins Ohr: „Bitte nicht, hier ist wohl kaum der richtige Ort zum kuscheln." Martin schaut Philip verwundert an. Bisher hat ihn sein Prior noch nie weggeschickt wenn er das Bedürfnis hatte sich einmal anzulehnen. Er fragt sich ob Philip Angst vor dem König oder den weltlichen Herren hat. Geduldig harrt Martin noch bis zum frühen Abend aus. Dann ist endlich die Rekrutierung beendet. Die Ritter werden unruhig und einige verlassen den grossen Saal. Der König stöhnt und er reibt sich über das Gesicht. Dann steht er entschlossen auf. Francis hält ihn am Ärmel fest. "Verzeiht, Herr, ihr hattet versprochen euch das Anligen des Priors von Kingsbridge anzuhören." Der König schaut Francis eher wütend als wohlwollend an. Dennoch setzt er sich seufzend wieder hin. "Wo ist denn dein Prior?" fragt er Francis und Philip und Martin treten vor. Sie verneigen sich tief vor dem König und dieser muss lachen. "Das ist nicht irgendein Bruder, werter Schreiber, es ist dein Bruder, stimmt's?" sagt der König mit einem schiefen Grinsen auf dem Gesicht. Francis nickt und er sagt: "Das ist wahr, mein Bruder Philip ist zum Prior von Kingsbridge gewählt worden. Doch ihr solltet sein Anliegen ernst nehmen auch wenn wir verwandt sind. Ich hätte jedem der Prior von Kingsbridge ist diese Audienz bei euch ermöglicht. Dafür ist mir das Kloster einfach zu wichtig." Stefan nickt und er schaut Philip erwartungsvoll an. Dieser wird sehr rot um die Ohren und er stammelt sein Anliegen eher als dass er es vorträgt. "Äh, unsere, äh, Kirche ist abgebrannt und äh, wir benötigen Steine." stottert er und Martin übernimmt automatisch das Reden. "Hoher Herr, wie ihr wisst gibt es dieses kleine Kloster Kingsbridge. Es liegt auf dem Weg nach Süden und jeder der aus dem Süden eures Landes zu eurem Palast möchte kommt bei uns vorbei. Die Brücke und der Wegzoll ist der Grundstein für unseren bescheidenen Wohlstand. Das Kloster bewirtschaftet einige Ländereien und einige Lehen sind von uns abhängig. Wir erwirtschaften nicht nur Lebensmittel für das Kloster, sondern auch noch für vier Konklaven, die fünfte ist bereits unabhängig und gibt Tribut an das Mutterkloster. Uns ist bei einem Unwetter im vergangenen Jahr der Blitz in den Kirchturm eingeschlagen. Daraufhin ist der Turm und das Kirchendach verbrannt. Wir haben uns dazu entschlossen den gedrungenen Kirchbau gegen eine Kathedrale zu ersetzen die ihresgleichen sucht. Sie wird die Herrlichkeit der Himmel hier auf der Erde zeigen. Sie wird wunderschön aussehen, lichtdurchflutet und unendlich hoch aufragen. Bis in den Himmel soll die Kirchturmspitze zeigen und von weit her sichtbar sein. Die Fenster werden hell und schön und die Wende sollen ganz durchbrochen sein. Nicht mehr so schwer und massiv und vor allem viel graziler. Wer diese Kirche erblickt der soll sich Gott ganz nahe fühlen und wir wollen euch fragen ob ihr uns helft diese Kathedrale zu erbauen. Nicht mit Geld, das haben wir weiss Gott genug, aber mit dem Marktrecht und mit dem Recht Steine im nahegelegenen Steinbruch zu schlagen. Dafür werden wir eine Kapelle euch widmen und euch Messen lesen lassen." Martin schaut den müden König mit leuchtenden Augen an. Ganz innbrünstig hat er seine Rede vorgetragen. Der lacht und er fragt: "Wieso glaubst du kleiner Knirps dass ich euch das Marktrecht gewähren würde?" Martin ignoriert die seltsame Anrede und er fährt mit seiner glühenden Rede fort. "Kingsbridge ist kein kleines Dorf mehr das sich in den Schatten der Klostermauern drückt. Es ist eine grosse Stadt geworden mit Häusern ganz aus Stein und richtig vielen Menschen." Während Martin von der Schönheit der kleinen Stadt schwärmt wird er heller. Sein himmlisches Leuchten erhellt den Saal. Doch es ist kein aufdringliches Scheinen, dem König fällt es nicht einmal auf. Dennoch hilft es ihm ein gebrummtes "Dann bekommt ihr halt euer Marktrecht und baut eine Mauer um eure Stadt" abzuringen. Francis strahlt und er schreibt eifrig etwas auf Pergament. "Wem gehört der Steinbruch?" fragt der König streng. Martin ist mit dieser Frage überfordert und nun springt Philip ein. "Der Steinbruch gehört zu Shyring aber das Kloster Kingsbridge ist aus diesen Steinen erbaut worden. Wir haben eine Urkunde die besagt dass wir den Steinbruch nutzen dürfen." Der König nickt genervt und er sagt: "Dann soll es so sein." Nun meldet sich Martin zu Wort und er fragt: "Dürfen wir uns aus den Wäldern Holz für das Gerüst schlagen?" "Ja, ja, ihr dürft den Wald haben." sagt Stefan und winkt ungeduldig mit der Hand. Philip und Martin strahlen. "Vielen Dank!" sagt Philip ehrlich und Stefan seufzt. "War das alles?" fragt er. Martin schüttelt seinen Kopf. "Nein, einige Lehen die dem Kloster gehörten bewirtschaftet Shyring. Im Gegenzug verteidigen sie Kingsbridge vor Räubern und Diebesgesindel. Doch auf dem Weg hier her sind wir Räubern begegnet und Shyring beschützt uns nicht." Der König lacht auf. "Der Graf von Shyring benötigt seine Mannen für den Krieg. Wenn ihr das Stadtrecht habt, dann müsst ihr euch selbst verteidigen." Philip nickt und er zieht Martin am Ärmel der dem König widersprechen will. Martin hält sofort inne und beugt sich Philips Wunsch nun nicht mehr weiter nachzuhaken. Francis hält dem König die Urkunden hin und der unterschreibt sie ohne sie noch einmal durchzulesen. Dann rauscht Stefan aus dem Saal. Francis streut etwas Salz auf die frischen Urkunden. Er siegelt sie und grinst Philip an. "Ihr habt einen schönen Handel gewonnen." sagt er und zwinkert Martin zu. Martin fragt unsicher: "Was wird denn aus unseren Lehen? Francis lacht und er hält Martin eine der Urkunden hin. Martin nimmt sie und er liest sie sich durch. "Ich, König Stefan von Gottes Gnaden, bestimme die Lehen Darkmoor und Waywood, die dem Kloster Kingsbridge zu eigen sind und derzeit der Grafen von Shyring unterstellt sind, wieder dem Kloster Kingsbridge zugeordnet zu werden." Martin liest die Zeilen drei mal dann grinst er Francis zu. "Das war aber so nicht geregelt, oder?" Francis lacht. "Anders aber auch nicht, mein Junge. Es sind eure Lehen und nun, da Shyring nicht mehr für euren Schutz zuständig ist gehen sie halt an euch zurück. Philips Gesicht verdunkelt sich ein wenig vor Sorge. "Wo bekommen wir bewaffnete Mannen her? Wenn Shyring uns nicht mehr beschützt dann müssen wir Söldner anheuern." Francis lächelt und er sagt: "Ihr könntet einmal Alena und Richard fragen, die Kinder des alten Herren von Shyring. Sie haben derzeit kein eigenes Gut. Vielleicht können sie euch helfen." Martin strahlt Philip an. "Aliena wird sicherlich entzückt sein wenn wir ihr berichten dass wie in Kingsbridge das Markt und Stadtrecht haben. Sie hat ja inzwischen einen recht gut florierenden Wollhandel und ich bin mir sicher dass sie und ihr Bruder uns helfen werden unsere Stadt zu verteidigen." Philip nickt und er seufzt unglücklich. "Richard ist noch ein halbes Kind. Ich weiss nicht ob er schon Manns genug ist um so eine wichtige Aufgabe zu übernehmen." Marin hüpft aufgeregt von einem Bein auf das andere. "Wenn du magst dann kann ich mit Richard zusammen unsere Mannen rekrutieren und ausbilden. Ich weiss ja wie man kämpft." Philip schaut ungläubig zu seinem kleinen Novizen. Der Bub ist inzwischen nicht mehr ganz so winzig aber einen Bart oder kräftige Muskeln sucht man an ihm vergeblich. Philip kann sich ihn kaum als schlagkräftigen Krieger vorstellen. Dennoch ist Martin genau das. Als er dem Dämon die Stirn geboten hat war er ein mächtiger Kämpfer. Geschickt mit dem Schwert und in der Lage selbst der Höllenbrut zu widerstehen. Philip lächelt dem kleinen aufgeregten Bub zu und er sagt: "Das werden wir sehen. Lass uns nun zu Abend essen."

PhilipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt