Teil 73

14 2 0
                                    

Nach der unglücklichen Versammlung ist Philip nicht wirklich schlauer. Er weiß einfach nicht wem er seine Kirche weihen soll. Der alte Heilige ist so gut wie verbrannt und mit ihm die halbe alte Kirche. Die Kirche haben sie nun wieder aufgebaut aber den selben Heiligen wieder als Schutzpatron zu bestellen der sie schon einmal nicht beschützen konnte erscheint Philip nicht sinnvoll. Martins Feder als Reliquie verehren zu lassen empfindet nicht nur Philip als Frevel. „Nein, du kannst mich nicht anbeten lassen!" hat Martin ihm eindringlich gebeten. „Wenn nun die Leute zu meiner Feder beten und ich ihnen nicht helfen kann dann werden sie mir zürnen." hat er gejammert. Philip hat den aufgebrachten Engel in seine Arme gezogen und ihm versprochen dass die Feder nicht als Reliquie genutzt wird. Dann hat er sie genommen und sie in den Schaft gesteckt aus dem Lucifer sie Martin heimtückisch herausgerissen hat. Natürlich wächst die Feder nicht mehr an aber so lange bis die neue wächst kann die alte Feder die Lücke in Martins Flügel schließen. Außerdem möchte Philip die Feder nicht herumliegen sehen. Er selber hat gemerkt wie angenehm die Feder ist. Welch Wohltat es ist sie zu berühren. Philip befürchtet dass die Feder in die falschen Hände geraten könnte und womöglich Martin ein Schaden daraus entstehen könnte.  Das will er natürlich auf keinen Fall riskieren. Mit etwas Fischleim fixiert er die lose Feder so dass sie wieder mit dem Flügel fest verbunden ist. Martin lässt Philip dankbar gewehren. Er schämt sich normalerweise sehr wenn seine Flügel ausgefahren sind und jemand sie berührt. Aber Philips Berührungen sind so vorsichtig und andächtig so dass sie Martin nicht unangenehm sind. Im Gegenteil, er genießt es wie Philip sich um sein Gefieder sorgt und es ihm nachdem er die lose Feder wieder befestigt hat auch glättet. Sanft streichelt Philip mit den Fingern über die strubbeligen Federn so dass diese anschließend wieder ordentlich nebeneinander liegen. Als er damit fertig ist strahlt Martin im wahrsten Sinne des Wortes. Sein Glanz beleuchtet das Arbeitszimmer des Priortshofes. Philip schaut glücklich seinen Engel an und dann faltet er ihm die Flügel zusammen und der himmlische Glanz verschwindet. Martin schaut verliebt zu Philip und er will sich gerade bei Philip bedanken als die Tür mit festem Schwung geöffnet wird und Bischof Walleran eintritt. „Wo ist die Zauberfeder?" fragt er unverblümt und Philip schaut den Bischof fragend an. „Na, die Zauberfeder die mir euer sonst so stummer Bruder gegeben hat." erklärt Walleran und er tritt an den Schreibtisch an dem Philip und Martin sitzen. Der Tisch ist ordentlich. Einige Briefe sind beiseite geräumt und ein kleines Döschen Fischleim steht einsam in der Mitte des Tisches. Nichts was dem Bischof einen Hinweis auf den Verbleib der Feder geben könnte. „Die habe ich an den Ort gebracht wo sie hingehört." antwortet Philip ruhig. Er schaut Walleran mit ehrlichen Augen fest ins Gesicht. „Wo soll das sein?" fragt Walleran erstaunt. „Ich habe sie zurück in das Gefieder gesteckt wo sie herausgerissen wurde. Diese Feder ist nun wieder dort wo sie hingehört." Walleran brummt. „Diese Feder gehört zu mir." sagt er bestimmt. „Wieso das denn?" fragt Martin entsetzt. „Weil diese göttliche Feder meine Pein gelindert hat." erklärt der Bischof und er betrachtet den vorlauten jungen Mann an Philips Seite. Er selbst hat ihn vor einiger Zeit zum Priester geweiht. Er hat sich davon überzeugt dass der junge Mann reif genug für das hohe Amt war. Schon damals wirkte er jung aber sein enormes Wissen lies den Bischof glauben dass der junge Mann alt genug für das Amt sei. Dass er nun immer noch eher wie ein ungezogener Knabe neben dem Prior hockt ist ungewöhnlich. Dass er dazu noch bildhübsch aussieht lässt den Bischof nachdenklich werden. Sollte dieser hübsche Junge wirklich sonntags die Messe lesen? Was wenn die weiblichen Messbesucher die Messe aus den falschen Gründen besuchen? Was wenn die Nonnen sich nach ihm verzehren? Walleran schmiedet in seinem Hinterkopf einen Plan: er wird irgendein belastendes Material gegen Philips rechte Hand finden und damit kann er den Prior überreden ihm die Zauberfeder zu überlassen. Die wunderbare Wirkung der Feder würde er gerne öfters genießen. Walleran weiß dass sein Alter als fortgeschritten gilt und so manch eine Plage des Alters hat auch seinen Körper im Griff gehabt. Sich dieser Plagen mit Hilfe der Feder zu entledigen erscheint ihm zu verlockend als das er es zulassen könnte dass dieser überhebliche Prior es ihm verwehren sollte. „Aber es ist nicht recht die Pein dir Gott uns auferlegt so umfassend zu eliminieren." erklärt Philip. Walleran schaut ihn skeptisch an. „Wenn nun jeder diesen Segen nutzen würde, wie sollte dann die einfache Bevölkerung noch auf die Gnade Gottes hoffen?" Philip schaut den Bischof Zustimmung erwartend an. Der schaut nachdenklich zurück und erwidert dann: „Du hast Recht. Philip. Jedoch möchte ich die Feder ausschließlich für mich nutzen, sie gerade nicht jedermann zur Verfügung stellen." Philip schaut etwas entsetzt zu dem Bischof. „Solch einen erzwungenen Segen sollte niemand für sich nutzen." erklärt Philip. „Der erzwungene Segen ist nicht göttlichen Ursprungs, sondern eine List des Teufels um die Herzen zur falschen Seite zu ziehen." Philip redet inbrünstig auf den Bischof ein. Der wird tatsächlich nachdenklich und überlegt ob es denn wirklich eine schlechte Idee sei dieser Feder, die ihm ewige Jugend verspricht, hinterherzujagen. Schließlich seufzt Walleran schwer und er schaut Philip müde an. „Ihr würdet mir euer Geheimnis um die Feder nicht anvertrauen, nicht wahr?" Philip schaut ernst den Bischof an. „Nein, würde ich nicht." sagt er bestimmt. „Dann steckt ihr mit dem Teufel unter einer Decke?" fragt Walleran scharf. „Nein, im Gegenteil. Wir versuchen den Schaden zu begrenzen den der Teufel angerichtet hat." erklärt Philip ruhig. Der Bischof ist beeindruckt wie gelassen Philip auf die Anschuldigung mit dem Bösen zu kooperieren reagiert. Er hätte erwartet dass der andere etwas aufgeregter reagiert. Walleran versucht es ein letztes Mal und er fragt: „Ihr würdet mir die Feder auch nicht im Austausch für eine echte Reliquie geben?" Martin bekommt ein hoffnungsfrohes Gesicht und er beugt sich vor. Doch Philip legt dem jüngeren eine Hand auf die Schulter und er sagt bestimmt: „Nein. Die Feder bleibt wo sie ist." „In eurer Obhut." entgegnet Walleran bitter. „Nein, ich habe sie wieder an dem Wesen befestigt an die sie gehört." wiederholt sich Philip. Walleran nickt und er verabschiedet sich von den beiden.
In den nächsten Tagen versucht Walleran herauszufinden wo Philip die Feder versteckt hat. Er befragt dazu fast jeden Mönch. Er verrät auch dass er gewillt ist eine echte Reliquie dafür zu spenden wenn er nur an diese Feder kommt. Als Alfred das hört hat er eine Idee. Und dazu braucht er dringend seinen Bruder Jake.
„Jake, Jake!" ruft er und rennt mit klatschenden Schuhen zu seinem Bruder der mit ihrem Vater Tom die letzten Heiligenfiguren an die Fassade der Kirche setzt. „Jake!" schnauft Alfred und ringt nach Atem. „Hast du schon gehört was der Bischof überall herum erzählt?" Alfred schaut Jake abwartend an. Jake denkt kurz nach dann antwortet er bedächtig: „Dass er diese seltsam leuchtende Feder sucht, die die Prior Philip gehört?" Alfred schüttelt seinen Kopf. „Nein, das meine ich nicht." Jake schaut ratlos zum großen. „Es gibt wohl keinen Heiligen dem Philip seine Kirche weihen kann. Der Bischof wird nur eine Reliquie geben wenn er dafür diese vermaledeite Feder bekommt." erklärt Alfred empört. „Ja und?" fragt Jake prompt. „Wir werden die Kirche nicht einweihen können." sagt Alfred entsetzt. „Oh," sagt Jake. „Und was können wir daran ändern? Wo möchtest du eine Reliquie her bekommen?" Auch Tom schaut interessiert zu seinem ältesten. So aufgeregt und engagiert hat er seinen Junior noch nie erlebt. Tom ist erstaunt aber auch sehr stolz dass seinem Sohn diese Kirche die sie gemeinsam gebaut haben nicht egal ist. Dass sie Alfred offenbar ans Herz gewachsen ist so dass er dem Prior in seiner Not helfen möchte. Anscheinend ist da eine Idee in Alfreds dickem Schädel gereift und Tom ist sehr gespannt wie diese Idee aussieht. „Jake, ich habe einen nassen Stein. Vater hat gesagt dass solch ein Stein nicht behauen werden sollte. Ich hab den aber nicht weggeworfen sondern ihn aufgehoben." Alfred schaut gebannt in Jakes Gesicht als würde er erwarten dass sein jüngerer Bruder versteht was er meint. Doch der schüttelt seinen roten Schopf. „Was meinst du?" fragt Jake Alfred und der erklärt aufgeregt: „Könntest du nicht eine Heiligenstatue machen wo du diesen Stein als Augen einsetzt? Wenn dann das Licht auf den Stein fällt müsste es so aussehen als ob die Statue weint. Meinst du du bekommst das hin?" Jake schaut begeistert in das Gesicht von Alfred. „Au ja, ich mach die Mutter Gottes mit dem gekreuzigten in ihren Armen. Das wird genial aussehen wenn sie dann weint." Tom brummt: „Werdet ihr Philip von eurem „Wunder" erzählen oder wollt ihr ihn täuschen?" Alfred und Jake ziehen schuldbewusst ihre Köpfe ein. „Was meinst du, Papa?" fragt Alfred unsicher. Tom grinst und er sagt fest: „Was Philip nicht weiß wird ihn auch keine Kopfschmerzen bereiten. Mache du Jake rasch diese wunderbare Figur. Wenn es klappt ist Philips Not bald beendet. Jake nickt und er geht mit Alfred die Steine für die Figur holen. Jake schneidet die Mutter Gottes wirklich ganz fein aus dem Stein. Da er es schafft die Augen passgenau zu arbeiten wird kein Mensch merken dass es nicht ein Stein ist aus dem die Marienstatue gehauen ist. Alfred bemalt sie noch ganz kunstvoll und dann schleppen die beiden die neue Marienststue in den Kapitelsaal wo schon alle Mönche versammelt sind. Der Bischof zankt gerade mit Philip und er droht ihm dass er die Kirche nicht einweihen wird sollte Philip seine Feder nicht raus rücken. Nach einer Weile fängt die Staue an zu weinen. Doch nicht Alfred oder Jake sagen dass sie weint sondern dem jungen Johannes fällt es zuerst auf. Er ist inzwischen ja nun ein junger Mann und Novize und er hat sich bei der Versammlung arg gelangweilt so dass er seinen Blick hat schweifen lassen. „Die Maria weint ja!" sagt er entsetzt und er bekreuzigt sich. „Jake, die Maria die du gemacht hast weint!" Ruft nun auch Peter der neben der Staue sitzt: „Kann gar nicht sein!" brummt Jake und er hofft dass man ihm diese Flunkerei verzeihen möge. Alle Mönche schauen zu der Marienstatue der dicke Tränen aus den Augen rinnen. Matthias ruft: „Herr Bischof, bei allem Respekt, selbst die Heiligen weinen bei eurer Dreistigkeit!" Walleran geht entsetzt zu der Maria. Auch er sieht wie sie weint. Da überkommt ihm das schlechte Gewissen. Sollte es wirklich so sein dass Maris wegen seiner Habgier weint? Dass Philip recht hat und diese Feder besser nicht in menschlicher Hand sein sollte? Von Francis weiß er dass es vermutlich keine Gänsefeder sondern die eines Engels gewesen sei. Dies hat Philip zwar nicht bestätigt aber auch nicht abgestritten. Walleran wollte diese Wunderfeder um jeden Preis haben. Philip hat ihm an den Kopf geworfen dass er sein Seelenheil riskiere wenn er so gierig nach etwas sei was nicht für den menschlichen Gebrauch bestimmt sei. Walleran hat Philip erwidert dass er vermute dass Philip die Feder nur für sich behalten wolle. Doch Philip hat dies sanft aber bestimmt von sich gewiesen. „Nein, ihr wisst dass ich die Feder seinem Eigentümer zurück gegeben habe." sagt Philip schlicht ohne eine weitere Erklärung abzugeben. Weder wer der Engel ist noch woher Philip ihn kennt und erst recht nicht wieso sie an diese Feder gekommen sind. Und nun die weinende Maria. Auch hier gibt ihm niemand eine beruhigende Erklärung. Dass einige der Mönche behaupten Maria würde seinetwegen weinen beunruhigt Walleran zutiefst. Auch er fällt wie die anderen Mönche vor der Staue auf die Knie und zusammen mit den Mönchen fängt er an das Ave Maria zu beten. Gemeinsam tragen sie die Maria in die Kirche. Jake und Alfred stellen sie an den Platz wo sie den Schrein für die Reliquie vorbereitet haben. Seltsamerweise passt der Sockel als wäre die Statue dafür gefertigt worden. Walleran bestätigt Kingsbridge das Wunder der „Maria clamatis", der weinenden Maria. Er wird die Kathedrale von Kingsbridge der Himmelskönigin weihen. Dazu wird er Philip eine wunderbare Reliquie, nämlich ein Stück vom Saum der Muttergottes überlassen. Er hat vor nicht allzu langer Zeit ein Stück gekauft. Er sendet einen berittenen Boten in seinen Palast damit die Reliquie rechtzeitig zum Fest vor Ort ist.
Außerdem schreibt er einen Brief an den König um ihm von dem Wunder in Kingsbridge zu berichten. Er hält es für äußerst wahrscheinlich dass der König sich die Maria clamatis persönlich anschauen möchte.
Philip und Martin sitzen schweigend vor der weinenden Maria. Inzwischen weint sie nicht mehr. Meist vollbringt sie dieses Wunder nach der Sonntagsmesse oder wenn es nach einem warmen Tag abends abkühlt. „Glaubst du es ist ein Wunder?" wispert Martin zweifelnd. Philip lässt sich Zeit mit seiner Antwort: „Zumindest ist es wunderbar dass sie es tut, nicht? Wenn sie nicht plötzlich wie aus dem Nichts von Jake und Alfred in den Kapitelsaal geschleppt worden wäre dann hätten wir vermutlich gegen den Bischof verloren und ihm entweder deine Feder geben müssen oder wir hätten unsere Kirche nicht einweihen können." Martin nickt zustimmend. „Meinst du Jake und Alfred haben etwas mit dem Wunder zu tun?" fragt Martin nach einer Weile wieder flüsternd. „Es wäre in der Tat ein Wunder wenn diese beiden Streithähne etwas gemeinsam machen, oder?" fragt Philip genau so leise zurück. Martin muss ein wenig kichern. Doch dann sagt er ernst: „Für das Frauenkloster haben sie ihre Fede bereits begraben. Das haben sie gemeinsam gebaut und es wahrlich ein Kleinod geworden." Nun nickt Philip zustimmend. „Meinst du wir sollten ihnen auf den Zahn fühlen oder sollen wir das Wunder als Geschenk annehmen?" wispert nun Philip. Martin denkt sehr lange nach. „Eigentlich widerstrebt es mir einen Betrug anbeten zu lassen. Doch wenn ich mir überlege was unsere Alternativen sind dann frage ich mich ob wir es nicht mit der Statue versuchen sollten. Es ist die bessere Lösung als meine Feder." sagt Martin leise. Philip nickt zustimmend. „Hmmm. Eine Engelsfeder eignet sich nicht zur Anbetung. Und schon drei mal gar nicht wenn sie dir Segenskraft entzieht." Philip schaut zu Martin. Der knetet seine Hände und wirkt unglücklich. „Die Feder wäre wenigstens echt." sagt er traurig. „Wer sagt denn dass die Maria nicht echt ist?" entgegnet Philip und er legt dem jüngeren einen Arm um die Schulter um seinen unglücklichen Freund beizustehen. Martin lehnt sich seufzend an Philips Schulter. „Philip streichelt Martin ganz sacht und dann sagt er bestimmt: „Und selbst wenn die Statue irgendein Trick der Builder Brüder ist, der Saum des Mantels den Waleran uns überlassen wird ist eine echte Reliquie. Bestimmt." Martin macht weiter sein unglückliches Gesicht. „Und wenn es auch nur eine Täuschung ist? Bei meiner Feder können wir sicher sein dass sie echt ist." „Nein Martin, mein Engel, schau ich werde nichts zulassen was dir potentiell schadet. Als Walleran deine Feder missbraucht hat um sich zu heilen hast du gelitten. Ich lasse nicht zu dass auch andere deine Feder missbrauchen und du dadurch wieder leidest." Martin schmiegt sich enger an Philip. „Danke." flüstert er kaum hörbar. Die beiden kommen überein dass sie es mit dieser seltsamen Statue versuchen wollen. Eine Kirche der Muttergottes zu weihen ist nicht die schlechteste Idee. Jake überarbeitet die Statue ein wenig so dass sie die Reliquie des Mantels aufnehmen kann. Nun müssen sie nur noch auf die Ankunft des Königs warten damit das Einweihungsfest beginnen kann.

PhilipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt