Teil37

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Das Fest will vorbereitet werden. Philip und Martin haben alle Hände voll zu tun. Sie feiern das Fest zu ehren der halb fertigen Kathedrale. Niemand soll sich Sorgen machen dass Kingsbridge in nicht allzuferner Zukunft Soldaten in den Kampf schickt. Philip und Martin sind Meisterhaft darin Gelder für das Fest aufzutreiben. So hat selbst Jake, der kein eigenes Geld besitzt, zugesat dass er demjenigen der eine Lotterie gewinnt einen Stein in ein Motiv seiner Wahl behauen wird. Alfred und seine Freunde spenden einen Ochsen der gebraten werden soll und dann für den guten Zweck verkauft wird. Tom und Ellen und auch alle anderen Menschen in Kingsbridge beteiligen sich an den Vorbereitungen für das Fest. Bald hört man nicht mehr viele andere Themen in der kleinen Stadt. Die Gassen und Straßen werden geputzt und für das Fest geschmückt. Allerlei Artisten und fahrende Gaukler zieht das Fest an. Aliena hat einen Markt organisiert der mit exotischen Wahren voll ist. Dinge, die man sonst nicht in Kingsbridge kaufen kann werden in Hülle und Fülle angeboten. Martin kann sich an den schönen Dingen kaum satt sehen. Philip vergleicht ihn mit einem kleinen Kind an Weihnachten. Sein Freund hat so fröhliche Augen und ein begeistertes Gesicht. Philip amüsiert sich sehr über Martin und seine ehrliche Freude. Gemeinsam mit dem jüngeren erkundet er den Markt und lässt sich von dessen gespannter Freude anstecken. Martin möchte unbedingt alles sehen, alles erleben und vor allem alles probieren. Philip lacht als Martin sich bei dem vierten Stand anstellt an dem es essbares gibt. Martin speist sonst eher karg und zurückhaltend. Nun wandert schon die vierte Portion in den Kleinen. Philip hat ihm geholfen seine Köstlichkeiten zu verdrücken und daher weiss er dass Martin mehr als satt sein müsste. Aber einen Liebesapfel stellt Martin sich köstlich vor. Als er den roten Apfel von der Verkäuferin gereicht bekommt strahlen seine Augen und die Verkäuferin sagt mit einem frechen Grinsen: "Wenn du ihn mit deinem Schatz teilst schmeckt er noch einmal so gut." Martin lächelt völlig arglos und verspricht eifrig das zu tun. Philip muss über Martin schmunzeln. Der Kleine ist wirklich sehr süss und sehr vertrauensselig. Er hat die zweideutigen Gedanken der Marktfrau nicht verstanden. Nun kommt er aufgeregt auf Philip zu und erklärt was ihm die Verkäuferin aufgetragen hat. "Du musst unbedingt den Apfel mit mir essen. Dann schmeckt er süss." erklärt er freudig und hält Philip das leckere Obst hin. Philip lächelt Martin zu und er beisst herzhaft in die köstliche Frucht. Die Verkäuferin hat nicht geflunkert. Der Apfel ist wirklich sehr lecker und da er mit Honig eingerieben ist auch mehr als süss. Philip legt seinen Arm um Martins Schultern und gemeinsam mit dem mampfenden Mönch schlendert er über den Markt. Philip ist mehr als zufrieden. Das Wetter ist traumhaft und die Menschen sind von nah und fern angereist gekommen und die halb fertige Kirche zu bestaunen. Der Markt ist sehr gut besucht und sowohl für die Händler als auch für die Kriegskasse fällt genug ab. Die Menschen geben ihr Geld mit vollen Händen aus. Wo solch eine große Baustelle ist da leben auch  viele Menschen die hier ihr Geld verdienen. Ein Fest war ganz offensichtlich mehr als überfällig. Philip nimmt sich vor öfters so zu feiern. Da die beiden den klebrigen Apfel aufgegessen haben geht sich Martin am am Brunnen die Hände waschen. Da Philip wieder aller Vernunft Martins Hand angefasst hat wäscht auch er sich hier den Zucker von den Fingern. Am Brunnen treffen sie viele Bekannte und Philip plaudert gerne mit den Menschen. Natürlich müssen Martin und Philip von Remigius leckerem Bier probieren das extra für die Kirchweih gebraut wurde. Remigius hat wieder das helle, sehr süße und süffige Bier gebraut. Martin und Philip lassen sich einen Krug eingießen und sie prosten mit den Menschen auf ihre entstehende Kirche. Nach einer Weile merkt Philip dass Martin ruhiger wird. Sehr viel ruhiger. Der Kleine sitzt stumm auf der Bank und er hält sich seinen Bauch. Philip merkt mit einem Blick was mit seinem Freund los ist. Er hat viel zu viel gegessen und das Bier wird sein übriges dazu beigetragen haben dass es Martin nun schlecht geht und er Bauchschmerzen leidet. „Wir werden ins Kloster zurückgehen und mal sehen ob wir Hilfe für deinen Bauch finden." schlägt Philip vor und Martin nickt unglücklich. Er war noch nie wirklich krank. Er kennt dieses furchtbare Gefühl sonst nur aus seinen Träumen wenn er an dem Abgrund zur Hölle hängt. Dies nun hier, mitten auf dem Marktplatz erleben zu müssen lässt ihn fassungslos sein. Philip hat seine liebe Not den Martin zum Kloster zu bringen. Der Schmerz im Magen raubt dem Kleinen fast den Verstand. Zuletzt nimmt Philip Martin einfach in seine Arme und er trägt den jüngeren nach Hause. Philip legt Martin vorsichtig in das Bett und er massiert dem jüngeren den Bauch. Martin weint und er windet sich. „Du hast einfach nur zu viel gegessen. Der Schmerz wird aufhören wenn du erbrichst." versucht Philip den jüngeren zu trösten. Er hält ihm eine Schüssel vor das Gesicht, dich Martin  möchte sich nicht übergeben. Lieber nimmt er sich vor nie wieder zu essen wenn das Essen ihn krank macht. Philip fährt seinem Freund liebevoll über die verschwitzte Stirn. Er setzt einen kleinen Kuss darauf und er beruhigt den jüngeren: „Nein, das Essen macht dich nicht krank. Im Gegenteil. Ohne Essen wirst auch du nicht überleben. Nur die Völlerei, also zu viel essen, das macht dir die Schmerzen." Martin schaut Philip entsetzt an. „Völlerei gehört doch zu den Todsünden!" haucht er verzweifelt. „Wie konnte ich nur!" nun weint der jüngere sehr aufgelöst. Er hat sich dazu hinreißen lassen der Völlerei zu frönen. Wie kann Gott ihm das jemals verzeihen? Wie kann er, der als Sünde auf die Welt gekommen ist und sich das Seelenheil im Grunde erschlichen hat denn so gehen lassen? Martin ist kaum noch zu trösten. Philip versucht ihm gut zuzureden und er hört nicht auf den Bauch des Jüngeren zu streicheln. Irgendwann muss doch die Übelkeit vorbei sein. Philip kann sich denken was Martin gerade durchmacht. Er weiss ja dass Martin sich um einen tadellosen Lebenswandel sehr bemüht. Martin versucht immer nach den Geboten Gottes zu leben. Ausgerechnet ihm zu verraten dass zu viel Essen zu den Todsünden gehört war nicht wirklich schlau. Vor allem weil einmal über die Stränge schlagen garantiert nicht damit gemeint ist. Völlerei ist so viel mehr als einmal auf einem Fest sich von den süßen Verlockungen verführen zu lassen und zu viel zu futtern. Völlerei ist eine Lebenshaltung. Völlerei bedeutet dass man nie mit dem zufrieden ist was man hat. Philip denkt darüber nach ob seine Leidenschaft für den Kirchbau vielleicht gefährlich nah an diese Eigenschaft heran reicht. Ob er vielleicht auch mit einer kleineren Kirche, einer kleineren Stadt und einem kleineren Kloster zufrieden sein müsste. Martin schluchzt derweil die Kissen voll und Philip krault ihm gedankenverloren den Bauch. Da klopft es plötzlich laut an der Tür und ehe sie den Besucher herein bitten können öffnet schon Francis und er tritt ein. Wütend schaut er auf Philip und Martin herab. „Sag, mal, seid ihr von allen guten Geistern verlassen?" poltert der Priester sofort los. Philip ist viel zu perplex um zu antworten und Martin hat gar nicht aufgehört seinen Kopf in die Kissen zu drücken und zu weinen. Francis wettert weiter böse auf die Männer ein die da vor ihm liegen: „Wie könnt ihr nur wie zwei verliebte über den Markt schlendern und euch öffentlich so zur Schau stellen? Ich dachte nicht dass Kingsbridge unter dir zu Sodom und Gomorrha verkommt, Philip! Ich bin entsetzt!" Philip starrt seinen jüngeren Bruder verwundert an. Martin hat aufgehört in die Kissen zu heulen und er wendet sich dem wütenden Priester zu. Was meint er bloss damit? „Ihr seid wie zwei Verliebte über den Markt gegangen und habt Händchen gehalten! Ihr habt euch gegenseitig mit den köstlichen Speisen gefüttert und euch sogar einen Liebesapfel geteilt! Die Menschen in Kingsbridge fanden das nicht unerhört und darum glaube ich dass sie alle an eure zur Schau getragenen Liebe gewohnt sind! Philip! Du weisst dass das falsch ist!" Martin zieht vor Schreck die Luft ein. Unzucht und Lasterhaftigkeit wirft Francis ihnen vor und auch das ist Sünde! Martin verkraftet es kaum dass er nun schon wieder falsch gehandelt hat. Ist es denn wirklich verboten dass er seinen Philip so sehr liebt? Martin weiss dass die Antwort nur „Ja!" lauten kann. Nun überkommt ihn schon wieder dieser Kummer. Er fällt zurück in die Kissen und neue Tränen der Verzweiflung überkommen ihn. Er versteckt seinen Kopf lieber unter der Decke. Philip dagegen setzt sich auf und er schaut seinen Bruder böse an. „Sag mal, spinnst du? Wir haben doch gar nichts verbotenes getan!" ruft er Francis aufgebracht zu. „Ja, wir haben uns von der Schönheit des Marktes locken lassen und wir haben auch von dem Angebot genommen und einige Speisen probiert. Du warst es doch der uns die Hiobsbotschaft gebracht hat und wir Geld an den König zahlen müssen, sehr viel Geld. Wie meinst du denn dass wir das Geld einnehmen? Mit unserem Singsang und den frommen Gebeten zu Gott kommen wir nicht weit! Wir müssen uns was einfallen lassen um an Geld für deinen König zu kommen!" Philip redet sich so in Rage dass Francis seinen stets überlegten Bruder kaum wieder erkennt. „Aha! Nur getroffene Hunde heulen!" schleudert Francis Philip nun böse entgegen. „Bruder du weißt dass du falsch liegst und darum brüllst du." zischt er Philip an. „Nicht der Markt ist das Problem sondern euer gottloses Benehmen!" Francis Stimme wird dringender: „Philip du holst die Sünde nach Kingsbridge! Nicht mit dem Markt sondern mit deinem lasterhaften Verhalten. Der Markt ist okay, aber du und Martin, ihr könnt euch dort nicht wie ein liebestolles Paar aufführen und euch dann in euer Bett zurückziehen! Was hast du dir dabei gedacht?" „Martin ist krank." sagt Philip leise und wie auf Befehl erbricht sich Martin nun in die Schüssel die Philip ihm vorbereitet hat. Francis starrt unbeholfen den kleinen Martin an. Der hat nämlich keinesfalls aufgehört zu weinen. Wie ein Häufchen Elend hockt er da im Bett und es scheint ihm wirklich nicht gut zu gehen.

PhilipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt