Kapitel 59

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Pov Kim Taehyung

Es war Montagnachmittag und ich sah mir irgendeinen Film an, welcher gerade im Fernseher lief. Die Decke fest um mich geschlungen und ein Kissen an meinen Körper gepresst. Für den Film interessierte ich mich aber eher weniger...

Immer wieder lauschte ich konzentriert, ob ich Mie irgendwie hören konnte. Sie lag wieder in ihrer Wippe, welche sich auch hier im Wohnzimmer befand. Mein Puls befand sich die ganze Zeit auf hundertachtzig, während meine Hände zitterten. Es war gerade drei Uhr nachmittags, also hatte ich schon mehr als die Hälfte durch.

Das Wochenende ging schneller vorbei als ich dachte und schon stand der Montag vor der Tür. Namjoon, Yoongi und Jimin hatten sich schon gestern verabschiedet und waren wieder in ihr altes Leben zurückgekehrt.

Das dies ein mulmiges Gefühl in meiner Bauchgegend auslöste, brauchte ich nicht wirklich zu erwähnen. Die alten Zeiten waren vorbei. Wir lebten nicht mehr alle zusammen, auch wenn ich mir das wünschte... Ich sollte es einfach akzeptieren und ihnen dankbar sein, dass sie das ganze Wochenende hier verbrachten...

Hoseok ging heute Morgen zurück in seine Wohnung und danach zur Arbeit. Selbst wenn er noch einen Gips trug, welcher eh bald abgenommen werden würde, wollte er unbedingt wieder zu den Kleinen und sie unterrichten. Es war seine Leidenschaft, das verstand ich vollkommen, aber trotzdem war es komisch wieder alleine zu sein. Ich wollte nicht alleine sein...

Na ja, Mie war noch da... aber es war trotzdem nicht dasselbe. Die ganze Zeit machte ich nur das nötigste. Ihre Milch gab ich ihr in der Wippe, ich konnte sie einfach nicht in den Arm nehmen. Auch die Windel musste ich erst einmal wechseln, aber auch das tat ich in ihrer Wippe. Sie tat mir leid, aber ich konnte einfach nicht anders.

Jin ging auch wieder seiner Arbeit als Model nach, da er diese übers Wochenende sehr vernachlässigte und nun viele Sachen zu erledigen hatte. Als ich hörte, dass er seine Arbeit für mich vernachlässigte, kamen schon wieder diese ätzenden Schuldgefühle auf.

Auf der einen Seite wollte ich sie alle bei mir haben, aber trotzdem wollte ich auch nicht, dass sie ihr Leben oder sogar sich selbst nur wegen mir vernachlässigten. Ich war in einer Zwickmühle gefangen, welche mich irgendwie nervös machte. Ich war eh schon hibbelig wegen Mie, aber diese Gedankengänge machten es nicht wirklich besser...

Jungkook war heute Morgen noch bei mir, aber auch er war seit mindestens zwei Stunden weg, da er noch Besorgungen machen musste und auch er direkt danach zur Arbeit ging. Man sah ihm deutlich an, wie sehr es ihn beunruhigte mich jetzt alleine zu lassen, aber ich hatte ihm versichert, dass alles in Ordnung war...

Ein leises Grummeln entfuhr mir. Was redete ich mir eigentlich ein? Warum tat ich auf tolle und heile Welt, obwohl in mir gerade das Gegenteil tobte... Es ging mir nicht gut ja, aber ich wollte es mir nicht eingestehen. Es selbst lösen, wie ich auch schon viel anderes löste.

Unwohl setzte ich mich auf, so dass ich Mie genau im Blick hatte, welche zu meinem Glück noch friedlich vor sich hin schlief. Die Decke schlang ich fester um meinen Körper, da ich kalt hatte. Meine Beine zog ich an meinen Körper und machte mich so ganz klein.

Unwillkürlich kam mir die Szene vor ein paar Tagen in den Kopf. Wie ich Hobi und Jungkook belauschte. Die Tür war nur angelehnt also konnte ich ziemlich gut verstehen, was sie sagten. Natürlich hatten sie recht damit, dass ich Mie so gut wie möglich mied. Auf jeden Fall körperlich... Ich umarmte sie nicht mehr und ich kuschelte nicht mehr mit ihr.

Meine Angst übernahm die überhand... Was konnte ich den schon dagegen tun? Ein verzweifeltes Seufzen kam über meine Lippen. Ich wollte Mie nicht weh tun. Ich wollte, dass es ihr gut ging. Sie hatte Jungkook, Jin aber auch die anderen, welche sich liebevoll um Mie kümmerten. Sie waren richtig vernarrt in die Kleine. Aber wer konnte es ihnen denn schon verübeln. Mie war wahrlich ein kleiner Engel...

Doch genau die Schreie, von diesem kleinen Engel liessen mich zusammenfahren. In meinen Gedanken hatte ich gar nicht bemerkt, wie sie begonnen hatte zu quengeln. Mit geweiteten Augen sah ich zu ihr rüber. Nein... bitte nicht, schlaf bitte wieder ein... Beruhig dich wieder... bitte...

Und in diesem Moment wurde mir bewusst, wie hilflos ich ohne die anderen eigentlich war. Wie erbärmlich ich war... Ich konnte mich nicht einmal um meine eigene Tochter kümmern, welche ich vor ein paar Monaten nicht einmal aus meinen Armen gelegt hätte. Bis ich diesen... Fehler beging, welcher alles zerstörte. Welcher mich zerstörte.

Ich wusste nicht, wie lang ich einfach dort sass und wartete. Wartete und hoffte, dass Mie sich von alleine beruhigen würde und wieder in ihren Schlaf fallen würde. Doch dies war nicht der Fall. Mit jeder Minute, die verstrich hatte ich das Gefühl, dass ihre Schreie nur noch lauter wurden.

Überfordert stand ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich auf. Mit zittrigen Beinen und die Decke fest um mich geschlungen lief ich zu meiner Tochter hinüber. Währenddessen schnappte ich mir noch ihre Flasche, in welcher sich noch ein wenig Milch befand. Jedoch wusste ich, dass sie keinen Hunger mehr haben wird, doch versuchen wollte ich es trotzdem.

Als ich bei ihrem Bettchen ankam, zerbrach es mir wortwörtlich mein Herz. Ihre verweinten Augen und ihr rotes, vor Schmerz verzehrtes Gesicht, raubte mir fast den Atem. Ich konnte sie nicht so leiden sehen...

Einige Sekunden später als sie meine Anwesenheit mitbekam, öffnete Mie ihre Augen und blickte mir immer noch schreiend entgegen. Ihre kleinen Hände ballte sie immer wieder zu Fäusten und öffnete sie wieder, als wollte sie nach etwas greifen. Erst dann verstand ich, dass sie in meine Arme wollte.

Sofort verkrampfte ich mich und wich einen Schritt zurück. Auch bei mir bahnte sich die ersten Tränen aus meinem Auge. Einfach weil ich mich so hilflos fühlte... Ich konnte ihr ihren Wunsch nicht erfüllen. So sehr ich es auch wollte, aber meine Angst war einfach viel grösser... Die Angst sie irgendwie zu verletzten...

Unaufhörlich schlichen sich ihre Schreie in mein Ohr, worauf ich meine Hände auf diese presste und mich zu Boden gleiten liess. Unaufhörlich rannten die Tränen über mein Gesicht, sie dachten auch nicht nur eine Sekunde daran aufzuhören. Ich konnte nicht... Es tut mir leid... Verzeih mir... Das ruckartige Schaukeln der Wippe riss mich aus dieser Trance, in welcher ich mich vor ein paar Sekunden noch befand.

Ich wusste, dass sie jetzt wie verrückt in ihrer Wippe hin und her strampelte. Sie wusste, dass ich hier war und nichts unternahm. Sie spürte es ganz genau. Kein einziger Augenblick, verschwanden ihre schmerzhaften Schreie. Nur ab und zu machte Mie eine Pause, in welcher ich schon beruhigt Aufatmen wollte, bis sie wieder zu schreien begann. "E-es tut mir leid...", wimmerte ich immer wieder leise zwischen ihren Schluchzern und Schreien.

Die Zeit, in welcher Mie die ganze Zeit herumbrüllte verging gar nicht. Die Stunden, Minuten und Sekunden verstrichen so langsam wie noch nie in meinem Leben. Ich wartete voller Sehnsucht auf die anderen, bis das Schicksal wohl endlich Mitleid mit mir hatte und ich hörte wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde...

Someone you loved / KookVWo Geschichten leben. Entdecke jetzt